Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

Bild:
<< vorherige Seite

Das siebende Capitel.
und angenehm, daß man vor denselben zuweilen andere mißliche dinge so von an-
dern darunter verborgen werden, nicht genugsam siehet oder erkennet.

Was zuletzt angefüget wird, wie man gleichsam einem lehrer thür und thor
zu der erbauung sperre, ist freylich wahr, und eines der betrübtesten stücke des e-
lends unserer zeit: laßt uns aber versichert seyn, GOtt übe damit unsern glauben,
gedult und demuth, auch verleugnung unsers eigenen willens, hingegen werde er
nicht mehr von uns erfordern, als er uns vermögen gegeben hat. Es will uns al-
so obliegen, unsere gedult hierinnen auch zu zeigen, und uns in die zeit so fern auch zu
schicken, daß wir nichts dessen unterlassen, was blosserdings zu der seelen heyl erfor-
dert wird, da wir dann eher alles ungewitter auf uns ausbrechen lassen müssen, als
darinnen zu weichen, hingegen in denjenigen dingen und gewissen übungen, dero
gebrauch uns zwar sehr nützlich zu seyn vorkommt, und wir die freyheit dazu gern
auf alle mügliche weise erkauffen wolten, die aber nicht blosserdings nothwendig
sind, der unglückseligkeit unsrer zeit und der ruhe der kirche, dero verunruhigung ge-
meiniglich mehr schaden thun kan, als sonsten die verhosste erbauung nutzen schaf-
fen möchte, so viel nachgeben, daß wir die dinge, dazu wir von denen, welche vor-
nemlich dazu zu reden haben, die erlaubnüß nicht erlangen können, so lang nachlas-
sen, und was wir dadurch suchen auf andere uns noch frey gelassene wege, obs uns
schon mehr mühe giebet, und wir auf die andere weise mehr auszurichten hoffen, zu
ersetzen uns nach möglichkeit bemühen: indessen zu dem HErrn seufftzen, und mit
sehnlichem verlangen zu bitten nicht aufhören, daß er endlich die hülffe verschaffe,
daß man getrost lehren, und was seine ehre erfordert ohne so viele hindernüß und
zurückhalten ausrichten möge! welches er gewiß noch (zeit und art bleibt ihm
heimgestellt) thun wird, so wahr er GOtt ist.

ARTIC. VI.
Von unterschiedenen materien die cap. 6.
in art. 3. gehören.
SECTIO.
1. Als ein christlicher mann in dns kriegs-wesen gerathen war.
2. An einen christlichen prediger der in schwerem anfechtung-stand, daraus er end-
lich eluctiret, unterschiedlicher amts-verrichtungen sich entschlagen hatte Ver-
sicherung der redlichen intention. Der auch sichtbaren kirchen würde u. recht:
sie ist auch das himmelreich. Kindertauff. Was uns in gegenwärti-
gem stand obliege. Neben buß auch das evangelium zu predigen. Der un-
gläubig

Das ſiebende Capitel.
und angenehm, daß man vor denſelben zuweilen andere mißliche dinge ſo von an-
dern darunter verborgen werden, nicht genugſam ſiehet oder erkennet.

Was zuletzt angefuͤget wird, wie man gleichſam einem lehrer thuͤr und thor
zu der erbauung ſperre, iſt freylich wahr, und eines der betruͤbteſten ſtuͤcke des e-
lends unſerer zeit: laßt uns aber verſichert ſeyn, GOtt uͤbe damit unſern glauben,
gedult und demuth, auch verleugnung unſers eigenen willens, hingegen werde er
nicht mehr von uns erfordern, als er uns vermoͤgen gegeben hat. Es will uns al-
ſo obliegen, unſere gedult hierinnen auch zu zeigen, und uns in die zeit ſo fern auch zu
ſchicken, daß wir nichts deſſen unterlaſſen, was bloſſerdings zu der ſeelen heyl erfor-
dert wird, da wir dann eher alles ungewitter auf uns ausbrechen laſſen muͤſſen, als
darinnen zu weichen, hingegen in denjenigen dingen und gewiſſen uͤbungen, dero
gebrauch uns zwar ſehr nuͤtzlich zu ſeyn vorkommt, und wir die freyheit dazu gern
auf alle muͤgliche weiſe erkauffen wolten, die aber nicht bloſſerdings nothwendig
ſind, der ungluͤckſeligkeit unſrer zeit und der ruhe der kirche, dero verunruhigung ge-
meiniglich mehr ſchaden thun kan, als ſonſten die verhoſſte erbauung nutzen ſchaf-
fen moͤchte, ſo viel nachgeben, daß wir die dinge, dazu wir von denen, welche vor-
nemlich dazu zu reden haben, die erlaubnuͤß nicht erlangen koͤnnen, ſo lang nachlaſ-
ſen, und was wir dadurch ſuchen auf andere uns noch frey gelaſſene wege, obs uns
ſchon mehr muͤhe giebet, und wir auf die andere weiſe mehr auszurichten hoffen, zu
erſetzen uns nach moͤglichkeit bemuͤhen: indeſſen zu dem HErrn ſeufftzen, und mit
ſehnlichem verlangen zu bitten nicht aufhoͤren, daß er endlich die huͤlffe verſchaffe,
daß man getroſt lehren, und was ſeine ehre erfordert ohne ſo viele hindernuͤß und
zuruͤckhalten ausrichten moͤge! welches er gewiß noch (zeit und art bleibt ihm
heimgeſtellt) thun wird, ſo wahr er GOtt iſt.

ARTIC. VI.
Von unterſchiedenen materien die cap. 6.
in art. 3. gehoͤren.
SECTIO.
1. Als ein chriſtlicher mann in dns kriegs-weſen gerathen war.
2. An einen chriſtlichen prediger der in ſchwerem anfechtung-ſtand, daraus er end-
lich eluctiret, unterſchiedlicher amts-verrichtungen ſich entſchlagen hatte Ver-
ſicherung der redlichen intention. Der auch ſichtbaren kirchen wuͤrde u. recht:
ſie iſt auch das himmelreich. Kindertauff. Was uns in gegenwaͤrti-
gem ſtand obliege. Neben buß auch das evangelium zu predigen. Der un-
glaͤubig
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0696" n="684"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das &#x017F;iebende Capitel.</hi></fw><lb/>
und angenehm, daß man vor den&#x017F;elben zuweilen andere mißliche dinge &#x017F;o von an-<lb/>
dern darunter verborgen werden, nicht genug&#x017F;am &#x017F;iehet oder erkennet.</p><lb/>
            <p>Was zuletzt angefu&#x0364;get wird, wie man gleich&#x017F;am einem lehrer thu&#x0364;r und thor<lb/>
zu der erbauung &#x017F;perre, i&#x017F;t freylich wahr, und eines der betru&#x0364;bte&#x017F;ten &#x017F;tu&#x0364;cke des e-<lb/>
lends un&#x017F;erer zeit: laßt uns aber ver&#x017F;ichert &#x017F;eyn, GOtt u&#x0364;be damit un&#x017F;ern glauben,<lb/>
gedult und demuth, auch verleugnung un&#x017F;ers eigenen willens, hingegen werde er<lb/>
nicht mehr von uns erfordern, als er uns vermo&#x0364;gen gegeben hat. Es will uns al-<lb/>
&#x017F;o obliegen, un&#x017F;ere gedult hierinnen auch zu zeigen, und uns in die zeit &#x017F;o fern auch zu<lb/>
&#x017F;chicken, daß wir nichts de&#x017F;&#x017F;en unterla&#x017F;&#x017F;en, was blo&#x017F;&#x017F;erdings zu der &#x017F;eelen heyl erfor-<lb/>
dert wird, da wir dann eher alles ungewitter auf uns ausbrechen la&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, als<lb/>
darinnen zu weichen, hingegen in denjenigen dingen und gewi&#x017F;&#x017F;en u&#x0364;bungen, dero<lb/>
gebrauch uns zwar &#x017F;ehr nu&#x0364;tzlich zu &#x017F;eyn vorkommt, und wir die freyheit dazu gern<lb/>
auf alle mu&#x0364;gliche wei&#x017F;e erkauffen wolten, die aber nicht blo&#x017F;&#x017F;erdings nothwendig<lb/>
&#x017F;ind, der unglu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit un&#x017F;rer zeit und der ruhe der kirche, dero verunruhigung ge-<lb/>
meiniglich mehr &#x017F;chaden thun kan, als &#x017F;on&#x017F;ten die verho&#x017F;&#x017F;te erbauung nutzen &#x017F;chaf-<lb/>
fen mo&#x0364;chte, &#x017F;o viel nachgeben, daß wir die dinge, dazu wir von denen, welche vor-<lb/>
nemlich dazu zu reden haben, die erlaubnu&#x0364;ß nicht erlangen ko&#x0364;nnen, &#x017F;o lang nachla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, und was wir dadurch &#x017F;uchen auf andere uns noch frey gela&#x017F;&#x017F;ene wege, obs uns<lb/>
&#x017F;chon mehr mu&#x0364;he giebet, und wir auf die andere wei&#x017F;e mehr auszurichten hoffen, zu<lb/>
er&#x017F;etzen uns nach mo&#x0364;glichkeit bemu&#x0364;hen: inde&#x017F;&#x017F;en zu dem HErrn &#x017F;eufftzen, und mit<lb/>
&#x017F;ehnlichem verlangen zu bitten nicht aufho&#x0364;ren, daß er endlich die hu&#x0364;lffe ver&#x017F;chaffe,<lb/>
daß man getro&#x017F;t lehren, und was &#x017F;eine ehre erfordert ohne &#x017F;o viele hindernu&#x0364;ß und<lb/>
zuru&#x0364;ckhalten ausrichten mo&#x0364;ge! welches er gewiß noch (zeit und art bleibt ihm<lb/>
heimge&#x017F;tellt) thun wird, &#x017F;o wahr er GOtt i&#x017F;t.</p>
            <dateline>Amen. 1690.</dateline>
          </div>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ARTIC</hi>. VI.</hi><lb/>
Von unter&#x017F;chiedenen materien die cap. 6.<lb/>
in <hi rendition="#aq">art. 3.</hi> geho&#x0364;ren.</hi> </head><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi>.</hi> </hi> </head><lb/>
            <list>
              <item>1. Als ein chri&#x017F;tlicher mann in dns kriegs-we&#x017F;en gerathen war.</item><lb/>
              <item>2. An einen chri&#x017F;tlichen prediger der in &#x017F;chwerem anfechtung-&#x017F;tand, daraus er end-<lb/>
lich <hi rendition="#aq">eluctir</hi>et, unter&#x017F;chiedlicher amts-verrichtungen &#x017F;ich ent&#x017F;chlagen hatte Ver-<lb/>
&#x017F;icherung der redlichen <hi rendition="#aq">intention.</hi> Der auch &#x017F;ichtbaren kirchen wu&#x0364;rde u. recht:<lb/>
&#x017F;ie i&#x017F;t auch das himmelreich. Kindertauff. Was uns in gegenwa&#x0364;rti-<lb/>
gem &#x017F;tand obliege. Neben buß auch das evangelium zu predigen. Der un-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gla&#x0364;ubig</fw><lb/></item>
            </list>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[684/0696] Das ſiebende Capitel. und angenehm, daß man vor denſelben zuweilen andere mißliche dinge ſo von an- dern darunter verborgen werden, nicht genugſam ſiehet oder erkennet. Was zuletzt angefuͤget wird, wie man gleichſam einem lehrer thuͤr und thor zu der erbauung ſperre, iſt freylich wahr, und eines der betruͤbteſten ſtuͤcke des e- lends unſerer zeit: laßt uns aber verſichert ſeyn, GOtt uͤbe damit unſern glauben, gedult und demuth, auch verleugnung unſers eigenen willens, hingegen werde er nicht mehr von uns erfordern, als er uns vermoͤgen gegeben hat. Es will uns al- ſo obliegen, unſere gedult hierinnen auch zu zeigen, und uns in die zeit ſo fern auch zu ſchicken, daß wir nichts deſſen unterlaſſen, was bloſſerdings zu der ſeelen heyl erfor- dert wird, da wir dann eher alles ungewitter auf uns ausbrechen laſſen muͤſſen, als darinnen zu weichen, hingegen in denjenigen dingen und gewiſſen uͤbungen, dero gebrauch uns zwar ſehr nuͤtzlich zu ſeyn vorkommt, und wir die freyheit dazu gern auf alle muͤgliche weiſe erkauffen wolten, die aber nicht bloſſerdings nothwendig ſind, der ungluͤckſeligkeit unſrer zeit und der ruhe der kirche, dero verunruhigung ge- meiniglich mehr ſchaden thun kan, als ſonſten die verhoſſte erbauung nutzen ſchaf- fen moͤchte, ſo viel nachgeben, daß wir die dinge, dazu wir von denen, welche vor- nemlich dazu zu reden haben, die erlaubnuͤß nicht erlangen koͤnnen, ſo lang nachlaſ- ſen, und was wir dadurch ſuchen auf andere uns noch frey gelaſſene wege, obs uns ſchon mehr muͤhe giebet, und wir auf die andere weiſe mehr auszurichten hoffen, zu erſetzen uns nach moͤglichkeit bemuͤhen: indeſſen zu dem HErrn ſeufftzen, und mit ſehnlichem verlangen zu bitten nicht aufhoͤren, daß er endlich die huͤlffe verſchaffe, daß man getroſt lehren, und was ſeine ehre erfordert ohne ſo viele hindernuͤß und zuruͤckhalten ausrichten moͤge! welches er gewiß noch (zeit und art bleibt ihm heimgeſtellt) thun wird, ſo wahr er GOtt iſt. Amen. 1690. ARTIC. VI. Von unterſchiedenen materien die cap. 6. in art. 3. gehoͤren. SECTIO. 1. Als ein chriſtlicher mann in dns kriegs-weſen gerathen war. 2. An einen chriſtlichen prediger der in ſchwerem anfechtung-ſtand, daraus er end- lich eluctiret, unterſchiedlicher amts-verrichtungen ſich entſchlagen hatte Ver- ſicherung der redlichen intention. Der auch ſichtbaren kirchen wuͤrde u. recht: ſie iſt auch das himmelreich. Kindertauff. Was uns in gegenwaͤrti- gem ſtand obliege. Neben buß auch das evangelium zu predigen. Der un- glaͤubig

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/696
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 684. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/696>, abgerufen am 03.12.2024.