Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

Bild:
<< vorherige Seite

Das siebende Capitel.
te, als daß einer an des andern stillschweigen zweiffel fassen solte. Reden wir we-
der schrifftlich noch mündlich miteinander, so sind wir aufs wenigste in dem Geist
vor dem angesicht des HErrn HErrn offt beysammen, welche vereinigung, ob sie
die sinnen nicht begreiffen, noch der verstand völlig fassen kan, dennoch wahrhaff-
tig und genau gnug ist. Er lasse uns nur mehr und mehr erstarcken an dem in-
wendigen menschen und der göttlichen natur, dero er uns theilhafftig gemacht hat,
so wird auch unsere vereinigung mit ihm und unter einander so viel inniger werden:
er erfülle uns sonderlich mit dem geist der gnaden und des gebets, daß unsre seuffzen
vor einander mögen durchdringen, und dasjenige erhalten, was wir bedörffen.
Sonderlich bereite er uns zu den nechst vorstehenden harten proben, daß wir lernen
seine gerechtigkeit, auch wenn sie unser verdorbenes wesen hart angreiffen und unser
gold in den ofen der läuterung werffen wird, preisen und lieben, daß wir auch ge-
treu alsdann bleiben, und ritterlich überwinden in dem glauben seines beystandes
und der versprochenen herrlichkeit seines Zions: davon er unsere seelen versichern, und
alle seine verheissungen darinnen kräfftig versiegeln wolle, als ohne welches wir
schwerlich aushalten könten. Aber er ist gewiß getreu, der unsere schwachheit ken-
net, und derselben zu aller, wie er nöthig findet, die kräfften zu rechter zeit ertheilen
wird. P. S. Meine regel ist, die gefahr nicht scheuen, und sie nicht muthwillig rei-
zen: jenes durch begehung etwas, so dem wort des HErrn zuwider wäre, oder
unterlassung einiges, so schlechter dinges mir von meinem Heyland befohlen, die-
ses durch ungestümmigkeit oder gebrauch einiger gewalt, die nicht dem ministerio
sondern der gantzen kirchen anvertrauet ist (wovon ich meine meinung in den klagen
des verfallenen Christenthums gebrauch und mißbrauch p. 211. u. f. ausgedrucket
habe.) Bey solcher regel bleibe ich, bis mir GOtt ein anders weisen solte, den
ich stets anruffe, daß er seinen willen an mich und die mir anvertrauete zu erkennen
geben wolte, dem ich nicht zu wider zu thun verlange. Beliebt es aber GOtt mei-
nen glauben und gedult auf schwerere proben zu setzen, schreibe ich ihm nichts vor,
noch habe mich dessen zu beschweren, bin aber versichert, daß seine treue mir kräff-
tig beystehen werde: habe auch deswegen mein datum auf keinen ort in der welt
fest gesetzt, sondern lasse meinen GOtt walten, wo und was er mich arbeiten heissen
wolle. Treuer mit-brüder gebet versiehe ich mich dabey gewiß, und weiß, daß
dero eine grosse zahl ist, die vor mich armen vor GOttes thron anruffen.

SECTIO XIV.
Daß aus göttlichem gerichte zu dieser zeit nichts
guts recht kräfftig von statten gehe. Was uns dabey zu
thun obliege. Glaube und gedult.
Was

Das ſiebende Capitel.
te, als daß einer an des andern ſtillſchweigen zweiffel faſſen ſolte. Reden wir we-
der ſchrifftlich noch muͤndlich miteinander, ſo ſind wir aufs wenigſte in dem Geiſt
vor dem angeſicht des HErrn HErrn offt beyſammen, welche vereinigung, ob ſie
die ſinnen nicht begreiffen, noch der verſtand voͤllig faſſen kan, dennoch wahrhaff-
tig und genau gnug iſt. Er laſſe uns nur mehr und mehr erſtarcken an dem in-
wendigen menſchen und der goͤttlichen natur, dero er uns theilhafftig gemacht hat,
ſo wird auch unſere vereinigung mit ihm und unter einander ſo viel inniger werden:
er erfuͤlle uns ſonderlich mit dem geiſt der gnaden und des gebets, daß unſre ſeuffzen
vor einander moͤgen durchdringen, und dasjenige erhalten, was wir bedoͤrffen.
Sonderlich bereite er uns zu den nechſt vorſtehenden harten proben, daß wir lernen
ſeine gerechtigkeit, auch wenn ſie unſer verdorbenes weſen hart angreiffen und unſer
gold in den ofen der laͤuterung werffen wird, preiſen und lieben, daß wir auch ge-
treu alsdann bleiben, und ritterlich uͤberwinden in dem glauben ſeines beyſtandes
und der verſprochenen herrlichkeit ſeines Zions: davon er unſere ſeelen veꝛſichern, und
alle ſeine verheiſſungen darinnen kraͤfftig verſiegeln wolle, als ohne welches wir
ſchwerlich aushalten koͤnten. Aber er iſt gewiß getreu, der unſere ſchwachheit ken-
net, und derſelben zu aller, wie er noͤthig findet, die kraͤfften zu rechter zeit ertheilen
wird. P. S. Meine regel iſt, die gefahr nicht ſcheuen, und ſie nicht muthwillig rei-
zen: jenes durch begehung etwas, ſo dem wort des HErrn zuwider waͤre, oder
unterlaſſung einiges, ſo ſchlechter dinges mir von meinem Heyland befohlen, die-
ſes durch ungeſtuͤmmigkeit oder gebrauch einiger gewalt, die nicht dem miniſterio
ſondern der gantzen kirchen anvertꝛauet iſt (wovon ich meine meinung in den klagen
des verfallenen Chriſtenthums gebrauch und mißbrauch p. 211. u. f. ausgedrucket
habe.) Bey ſolcher regel bleibe ich, bis mir GOtt ein anders weiſen ſolte, den
ich ſtets anruffe, daß er ſeinen willen an mich und die mir anvertrauete zu erkennen
geben wolte, dem ich nicht zu wider zu thun verlange. Beliebt es aber GOtt mei-
nen glauben und gedult auf ſchwerere proben zu ſetzen, ſchreibe ich ihm nichts vor,
noch habe mich deſſen zu beſchweren, bin aber verſichert, daß ſeine treue mir kraͤff-
tig beyſtehen werde: habe auch deswegen mein datum auf keinen ort in der welt
feſt geſetzt, ſondern laſſe meinen GOtt walten, wo und was er mich arbeiten heiſſen
wolle. Treuer mit-bruͤder gebet verſiehe ich mich dabey gewiß, und weiß, daß
dero eine groſſe zahl iſt, die vor mich armen vor GOttes thron anruffen.

SECTIO XIV.
Daß aus goͤttlichem gerichte zu dieſer zeit nichts
guts recht kraͤfftig von ſtatten gehe. Was uns dabey zu
thun obliege. Glaube und gedult.
Was
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0576" n="564"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das &#x017F;iebende Capitel.</hi></fw><lb/>
te, als daß einer an des andern &#x017F;till&#x017F;chweigen zweiffel fa&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olte. Reden wir we-<lb/>
der &#x017F;chrifftlich noch mu&#x0364;ndlich miteinander, &#x017F;o &#x017F;ind wir aufs wenig&#x017F;te in dem Gei&#x017F;t<lb/>
vor dem ange&#x017F;icht des HErrn HErrn offt bey&#x017F;ammen, welche vereinigung, ob &#x017F;ie<lb/>
die &#x017F;innen nicht begreiffen, noch der ver&#x017F;tand vo&#x0364;llig fa&#x017F;&#x017F;en kan, dennoch wahrhaff-<lb/>
tig und genau gnug i&#x017F;t. Er la&#x017F;&#x017F;e uns nur mehr und mehr er&#x017F;tarcken an dem in-<lb/>
wendigen men&#x017F;chen und der go&#x0364;ttlichen natur, dero er uns theilhafftig gemacht hat,<lb/>
&#x017F;o wird auch un&#x017F;ere vereinigung mit ihm und unter einander &#x017F;o viel inniger werden:<lb/>
er erfu&#x0364;lle uns &#x017F;onderlich mit dem gei&#x017F;t der gnaden und des gebets, daß un&#x017F;re &#x017F;euffzen<lb/>
vor einander mo&#x0364;gen durchdringen, und dasjenige erhalten, was wir bedo&#x0364;rffen.<lb/>
Sonderlich bereite er uns zu den nech&#x017F;t vor&#x017F;tehenden harten proben, daß wir lernen<lb/>
&#x017F;eine gerechtigkeit, auch wenn &#x017F;ie un&#x017F;er verdorbenes we&#x017F;en hart angreiffen und un&#x017F;er<lb/>
gold in den ofen der la&#x0364;uterung werffen wird, prei&#x017F;en und lieben, daß wir auch ge-<lb/>
treu alsdann bleiben, und ritterlich u&#x0364;berwinden in dem glauben &#x017F;eines bey&#x017F;tandes<lb/>
und der ver&#x017F;prochenen herrlichkeit &#x017F;eines Zions: davon er un&#x017F;ere &#x017F;eelen ve&#xA75B;&#x017F;ichern, und<lb/>
alle &#x017F;eine verhei&#x017F;&#x017F;ungen darinnen kra&#x0364;fftig ver&#x017F;iegeln wolle, als ohne welches wir<lb/>
&#x017F;chwerlich aushalten ko&#x0364;nten. Aber er i&#x017F;t gewiß getreu, der un&#x017F;ere &#x017F;chwachheit ken-<lb/>
net, und der&#x017F;elben zu aller, wie er no&#x0364;thig findet, die kra&#x0364;fften zu rechter zeit ertheilen<lb/>
wird. <hi rendition="#aq">P. S.</hi> Meine regel i&#x017F;t, die gefahr nicht &#x017F;cheuen, und &#x017F;ie nicht muthwillig rei-<lb/>
zen: jenes durch begehung etwas, &#x017F;o dem wort des HErrn zuwider wa&#x0364;re, oder<lb/>
unterla&#x017F;&#x017F;ung einiges, &#x017F;o &#x017F;chlechter dinges mir von meinem Heyland befohlen, die-<lb/>
&#x017F;es durch unge&#x017F;tu&#x0364;mmigkeit oder gebrauch einiger gewalt, die nicht dem <hi rendition="#aq">mini&#x017F;terio</hi><lb/>
&#x017F;ondern der gantzen kirchen anvert&#xA75B;auet i&#x017F;t (wovon ich meine meinung in den klagen<lb/>
des verfallenen Chri&#x017F;tenthums gebrauch und mißbrauch <hi rendition="#aq">p. 211.</hi> u. f. ausgedrucket<lb/>
habe.) Bey &#x017F;olcher regel bleibe ich, bis mir GOtt ein anders wei&#x017F;en &#x017F;olte, den<lb/><hi rendition="#i">i</hi>ch &#x017F;tets anruffe, daß er &#x017F;einen willen an mich und die mir anvertrauete zu erkennen<lb/>
geben wolte, dem ich nicht zu wider zu thun verlange. Beliebt es aber GOtt mei-<lb/>
nen glauben und gedult auf &#x017F;chwerere proben zu &#x017F;etzen, &#x017F;chreibe ich ihm nichts vor,<lb/>
noch habe mich de&#x017F;&#x017F;en zu be&#x017F;chweren, bin aber ver&#x017F;ichert, daß &#x017F;eine treue mir kra&#x0364;ff-<lb/>
tig bey&#x017F;tehen werde: habe auch deswegen mein <hi rendition="#aq">datum</hi> auf keinen ort in der welt<lb/>
fe&#x017F;t ge&#x017F;etzt, &#x017F;ondern la&#x017F;&#x017F;e meinen GOtt walten, wo und was er mich arbeiten hei&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wolle. Treuer mit-bru&#x0364;der gebet ver&#x017F;iehe ich mich dabey gewiß, und weiß, daß<lb/>
dero eine gro&#x017F;&#x017F;e zahl i&#x017F;t, die vor mich armen vor GOttes thron anruffen.</p><lb/>
            <dateline> <hi rendition="#aq">24. Jan. 1688.</hi> </dateline>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi> XIV.</hi><lb/>
Daß aus go&#x0364;ttlichem gerichte zu die&#x017F;er zeit nichts<lb/>
guts recht kra&#x0364;fftig von &#x017F;tatten gehe. Was uns dabey zu<lb/>
thun obliege. Glaube und gedult.</hi> </head><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Was</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[564/0576] Das ſiebende Capitel. te, als daß einer an des andern ſtillſchweigen zweiffel faſſen ſolte. Reden wir we- der ſchrifftlich noch muͤndlich miteinander, ſo ſind wir aufs wenigſte in dem Geiſt vor dem angeſicht des HErrn HErrn offt beyſammen, welche vereinigung, ob ſie die ſinnen nicht begreiffen, noch der verſtand voͤllig faſſen kan, dennoch wahrhaff- tig und genau gnug iſt. Er laſſe uns nur mehr und mehr erſtarcken an dem in- wendigen menſchen und der goͤttlichen natur, dero er uns theilhafftig gemacht hat, ſo wird auch unſere vereinigung mit ihm und unter einander ſo viel inniger werden: er erfuͤlle uns ſonderlich mit dem geiſt der gnaden und des gebets, daß unſre ſeuffzen vor einander moͤgen durchdringen, und dasjenige erhalten, was wir bedoͤrffen. Sonderlich bereite er uns zu den nechſt vorſtehenden harten proben, daß wir lernen ſeine gerechtigkeit, auch wenn ſie unſer verdorbenes weſen hart angreiffen und unſer gold in den ofen der laͤuterung werffen wird, preiſen und lieben, daß wir auch ge- treu alsdann bleiben, und ritterlich uͤberwinden in dem glauben ſeines beyſtandes und der verſprochenen herrlichkeit ſeines Zions: davon er unſere ſeelen veꝛſichern, und alle ſeine verheiſſungen darinnen kraͤfftig verſiegeln wolle, als ohne welches wir ſchwerlich aushalten koͤnten. Aber er iſt gewiß getreu, der unſere ſchwachheit ken- net, und derſelben zu aller, wie er noͤthig findet, die kraͤfften zu rechter zeit ertheilen wird. P. S. Meine regel iſt, die gefahr nicht ſcheuen, und ſie nicht muthwillig rei- zen: jenes durch begehung etwas, ſo dem wort des HErrn zuwider waͤre, oder unterlaſſung einiges, ſo ſchlechter dinges mir von meinem Heyland befohlen, die- ſes durch ungeſtuͤmmigkeit oder gebrauch einiger gewalt, die nicht dem miniſterio ſondern der gantzen kirchen anvertꝛauet iſt (wovon ich meine meinung in den klagen des verfallenen Chriſtenthums gebrauch und mißbrauch p. 211. u. f. ausgedrucket habe.) Bey ſolcher regel bleibe ich, bis mir GOtt ein anders weiſen ſolte, den ich ſtets anruffe, daß er ſeinen willen an mich und die mir anvertrauete zu erkennen geben wolte, dem ich nicht zu wider zu thun verlange. Beliebt es aber GOtt mei- nen glauben und gedult auf ſchwerere proben zu ſetzen, ſchreibe ich ihm nichts vor, noch habe mich deſſen zu beſchweren, bin aber verſichert, daß ſeine treue mir kraͤff- tig beyſtehen werde: habe auch deswegen mein datum auf keinen ort in der welt feſt geſetzt, ſondern laſſe meinen GOtt walten, wo und was er mich arbeiten heiſſen wolle. Treuer mit-bruͤder gebet verſiehe ich mich dabey gewiß, und weiß, daß dero eine groſſe zahl iſt, die vor mich armen vor GOttes thron anruffen. 24. Jan. 1688. SECTIO XIV. Daß aus goͤttlichem gerichte zu dieſer zeit nichts guts recht kraͤfftig von ſtatten gehe. Was uns dabey zu thun obliege. Glaube und gedult. Was

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/576
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/576>, abgerufen am 21.12.2024.