Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.ARTIC. II. SECTIO XIX. daß dieses sünde gewesen/ so folget jenes von selbsten/ und daß also derSuperintendens in solcher bestraffung sich nicht vergriffen. Sehen wir an 1. die person/ so geziemete vornemlich dem Superintendenten, welcher nebens der absonderlichen aufsicht auf seine beichtkinder/ auch noch vor an- dern/ was die gantze gemeinde und das publicum angehet/ auf sich liegen hat/ daß er ein solch ärgernüß von der gemeinde ableinete. 2. Die sache selbs ist/ wie oben gewiesen/ sträfflich/ und zwar eine sünde die öffentlich vor dem angesicht der gantzen kirchen geschehen/ auch von derselben als ärgerlich angesehen worden. 3. Die art betreffend/ so ist nicht unrecht/ daß dasselbe offentlich geschehen/ nach der regel Pauli 1. Tim. 5/ 20. Die da sündigen/ nemlich da dero sünde ausgebrochen und vor andern bekant worden/ die straffe vor allen/ auf daß sich auch die andere förchten. So war freylich diese offentliche bestraffung nöthig. Dann weil in der bestraffung auf zweyerley zu sehen wäre/ auf die besserung der personen so gesündiget/ und dann auf ableinung des ärgernüsses von der gemeinde/ so hätte jenes erste zwar durch eine privat- erinnerung geschehen und erhalten werden mö- gen; der andere zweck aber wäre nicht erhalten worden. Wann dann gleichwol nöthig gewesen/ daß nicht nur andere von der nachfolge solches bösen exempels abgeschrecket würden/ wodurch der lauff des ärgernüsses gehemmet werden solte/ sondern daß auch das ministerium sein mißfallen über solches werck vor der gemeinde bezeugte/ als ohne welches es scheinen mögen/ sie connivirten in solcher sache/ so war demnach die offentliche andung allerdings nöthig. Es ist auch die art/ wie sie geschehen zu seyn die species facti vorleget/ also bewandt/ weil sie bey selbs gegebener gele- genheit des textes geschehen/ auch die worte nichts allzuhefftiges in sich fassen/ sondern die sache mit einem nicht injuriosen sondern so nachdrücklichen als eigentlichen wort ausdrucken/ daß wir in solchen umständen nichts zu straf- fen finden/ sondern sie ansehen/ als welche kraft tragenden amts aus hertz- lichem eyffer vor göttliche ehre und liebe zu so wohl den bestrafften selbs als gantzer gemeinde hergeflossen seyen. Die andere frage. Ob die beyde Consules zum heiligen Nachtmahl können verstattet werden/ ehe und bevor sie sich nach GOttes wort mit dem Su- perintendenten ausgesöhnet/ und von solchem ärgernüß hin ferner abzustehen versprochen haben? WEil 1. Cor. 11. jeglichem der würdiglich und zu seiner seelen trost des und h h 3
ARTIC. II. SECTIO XIX. daß dieſes ſuͤnde geweſen/ ſo folget jenes von ſelbſten/ und daß alſo derSuperintendens in ſolcher beſtraffung ſich nicht vergriffen. Sehen wir an 1. die perſon/ ſo geziemete vornemlich dem Superintendenten, welcher nebens der abſonderlichen aufſicht auf ſeine beichtkinder/ auch noch vor an- dern/ was die gantze gemeinde und das publicum angehet/ auf ſich liegen hat/ daß er ein ſolch aͤrgernuͤß von der gemeinde ableinete. 2. Die ſache ſelbs iſt/ wie oben gewieſen/ ſtraͤfflich/ und zwar eine ſuͤnde die oͤffentlich vor dem angeſicht der gantzen kirchen geſchehen/ auch von derſelben als aͤrgerlich angeſehen worden. 3. Die art betreffend/ ſo iſt nicht unrecht/ daß daſſelbe offentlich geſchehen/ nach der regel Pauli 1. Tim. 5/ 20. Die da ſuͤndigen/ nemlich da dero ſuͤnde ausgebrochen und vor andern bekant worden/ die ſtraffe vor allen/ auf daß ſich auch die andere foͤrchten. So war freylich dieſe offentliche beſtraffung noͤthig. Dann weil in der beſtraffung auf zweyerley zu ſehen waͤre/ auf die beſſerung der perſonen ſo geſuͤndiget/ und dann auf ableinung des aͤrgernuͤſſes von der gemeinde/ ſo haͤtte jenes erſte zwar durch eine privat- erinnerung geſchehen und erhalten werden moͤ- gen; der andere zweck aber waͤre nicht erhalten worden. Wann dann gleichwol noͤthig geweſen/ daß nicht nur andere von der nachfolge ſolches boͤſen exempels abgeſchrecket wuͤrden/ wodurch der lauff des aͤrgernuͤſſes gehemmet werden ſolte/ ſondern daß auch das miniſterium ſein mißfallen uͤber ſolches werck vor der gemeinde bezeugte/ als ohne welches es ſcheinen moͤgen/ ſie connivirten in ſolcher ſache/ ſo war demnach die offentliche andung allerdings noͤthig. Es iſt auch die art/ wie ſie geſchehen zu ſeyn die ſpecies facti vorleget/ alſo bewandt/ weil ſie bey ſelbs gegebener gele- genheit des textes geſchehen/ auch die worte nichts allzuhefftiges in ſich faſſen/ ſondern die ſache mit einem nicht injurioſen ſondern ſo nachdruͤcklichen als eigentlichen wort ausdrucken/ daß wir in ſolchen umſtaͤnden nichts zu ſtraf- fen finden/ ſondern ſie anſehen/ als welche kraft tragenden amts aus hertz- lichem eyffer vor goͤttliche ehre und liebe zu ſo wohl den beſtrafften ſelbs als gantzer gemeinde hergefloſſen ſeyen. Die andere frage. Ob die beyde Conſules zum heiligen Nachtmahl koͤnnen verſtattet werden/ ehe und bevor ſie ſich nach GOttes wort mit dem Su- perintendenten ausgeſoͤhnet/ und von ſolchem aͤrgernuͤß hin ferner abzuſtehen verſprochen haben? WEil 1. Cor. 11. jeglichem der wuͤrdiglich und zu ſeiner ſeelen troſt des und h h 3
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ARTIC. II. SECTIO XIX.
daß dieſes ſuͤnde geweſen/ ſo folget jenes von ſelbſten/ und daß alſo der
Superintendens in ſolcher beſtraffung ſich nicht vergriffen. Sehen wir
an 1. die perſon/ ſo geziemete vornemlich dem Superintendenten, welcher
nebens der abſonderlichen aufſicht auf ſeine beichtkinder/ auch noch vor an-
dern/ was die gantze gemeinde und das publicum angehet/ auf ſich liegen
hat/ daß er ein ſolch aͤrgernuͤß von der gemeinde ableinete. 2. Die ſache
ſelbs iſt/ wie oben gewieſen/ ſtraͤfflich/ und zwar eine ſuͤnde die oͤffentlich vor
dem angeſicht der gantzen kirchen geſchehen/ auch von derſelben als aͤrgerlich
angeſehen worden. 3. Die art betreffend/ ſo iſt nicht unrecht/ daß daſſelbe
offentlich geſchehen/ nach der regel Pauli 1. Tim. 5/ 20. Die da ſuͤndigen/
nemlich da dero ſuͤnde ausgebrochen und vor andern bekant worden/ die
ſtraffe vor allen/ auf daß ſich auch die andere foͤrchten. So war
freylich dieſe offentliche beſtraffung noͤthig. Dann weil in der beſtraffung
auf zweyerley zu ſehen waͤre/ auf die beſſerung der perſonen ſo geſuͤndiget/
und dann auf ableinung des aͤrgernuͤſſes von der gemeinde/ ſo haͤtte jenes
erſte zwar durch eine privat- erinnerung geſchehen und erhalten werden moͤ-
gen; der andere zweck aber waͤre nicht erhalten worden. Wann dann
gleichwol noͤthig geweſen/ daß nicht nur andere von der nachfolge ſolches
boͤſen exempels abgeſchrecket wuͤrden/ wodurch der lauff des aͤrgernuͤſſes
gehemmet werden ſolte/ ſondern daß auch das miniſterium ſein mißfallen
uͤber ſolches werck vor der gemeinde bezeugte/ als ohne welches es ſcheinen
moͤgen/ ſie connivirten in ſolcher ſache/ ſo war demnach die offentliche
andung allerdings noͤthig. Es iſt auch die art/ wie ſie geſchehen zu ſeyn
die ſpecies facti vorleget/ alſo bewandt/ weil ſie bey ſelbs gegebener gele-
genheit des textes geſchehen/ auch die worte nichts allzuhefftiges in ſich faſſen/
ſondern die ſache mit einem nicht injurioſen ſondern ſo nachdruͤcklichen als
eigentlichen wort ausdrucken/ daß wir in ſolchen umſtaͤnden nichts zu ſtraf-
fen finden/ ſondern ſie anſehen/ als welche kraft tragenden amts aus hertz-
lichem eyffer vor goͤttliche ehre und liebe zu ſo wohl den beſtrafften ſelbs als
gantzer gemeinde hergefloſſen ſeyen.
Die andere frage.
Ob die beyde Conſules zum heiligen Nachtmahl koͤnnen verſtattet
werden/ ehe und bevor ſie ſich nach GOttes wort mit dem Su-
perintendenten ausgeſoͤhnet/ und von ſolchem aͤrgernuͤß hin
ferner abzuſtehen verſprochen haben?
WEil 1. Cor. 11. jeglichem der wuͤrdiglich und zu ſeiner ſeelen troſt des
heiligen nachtmahls theilhafftig werden will/ ernſtlich anbefohlen
iſt/ ſich wohl zu pruͤffen in was ſtand er vor ſeinem GOtt ſtehe/
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