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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. I. SECTIO I.
dadurch der glaube bey uns gestärcket wird, so viel sind wir wol berei-
tet.
12. Daß wir eifrig beten um solche bereitung, und die alsdann uns nö-
thige hülffe Luc. 21, 36. Offenb. 8, 3.
Zu diesen stücken allen haben wir den annoch gönnenden ruhestand zu
gebrauchen. Ap. Gesch. 9, 31.
Welches die kennzeichen des wachsthums oder
zunehmens im Christenthum seyen?
BEy beantwortung dieser frage ist zu mercken 1. daß es, obwol nicht
schwer ist, zu erkennen, ob man in der kindschafft GOttes stehe oder
nicht, doch eine schwere sache seye des wachsthums gewisse kennzei-
chen zu geben, iedennoch aber können etliche gesetzt werden, welche aber 2. so
beschaffen, daß wo sie sich bey einem menschen finden, denselben seines wachs-
thums im Christenthum versichern: Jst aber im gegentheil aus ermangelung
der kennzeichen nicht unfehlbar zu schliessen, daß ein mensch zurück gehe. Mag
also das 1. seyn: Die hertzliche begierde und liebe zu dem göttlichen
wort 1. Petr. [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt], 2.
2. Kan seyn, so der mensch seines Heylandes, als des vornehmsten
zwecks der schrifft, in lesung, anhörung, betrachtung des worts GOttes klärer
und heller, als vormals wahrnimmt, und mit mehrer versicherung und gewiß-
heit alles auf Christum ziehet.
3. Wäre, wenn ein mensch alles, so ihm von straff, trost und vermah-
nung in lesung der schrifft vorkommt, als ein nicht fremdes, sondern auch ihm
geschriebenes wort leichter und durchdringender auf sich appliciret.
4. Kan dieses den wachsthum anzeigen, so wir Christum nunmehr um
sein selbs willen, immer mit weniger absicht auf uns selbs, lieben, wie nicht
weniger auch den nechsten allein um GOttes und seiner liebe willen, daher
auch die feinde.
5. So wir uns GOTT mit freudigem muth unterwerffen mit uns zu
thun und zu handeln nach seinem wohlgefallen: wie dann die gedult ihre
stafflen hat, daß man erstlichen ziemlichen kampff leidet, nur daß man sich des
murrens enthalte, nachmals kommts dahin, daß man mit dem leiden
wol zufrieden seye, endlich gar sich desselben freue, und GOTT dafür
dancke.
6. Wann dem menschen ie länger ie leichter wird seinen sündlichen be-
gierden zu widerstehen, die vorhin unüberwindlich schienen.
7. So
ARTIC. I. SECTIO I.
dadurch der glaube bey uns geſtaͤrcket wird, ſo viel ſind wir wol berei-
tet.
12. Daß wir eifrig beten um ſolche bereitung, und die alsdann uns noͤ-
thige huͤlffe Luc. 21, 36. Offenb. 8, 3.
Zu dieſen ſtuͤcken allen haben wir den annoch goͤnnenden ruheſtand zu
gebrauchen. Ap. Geſch. 9, 31.
Welches die kennzeichen des wachsthums oder
zunehmens im Chriſtenthum ſeyen?
BEy beantwortung dieſer frage iſt zu mercken 1. daß es, obwol nicht
ſchwer iſt, zu erkennen, ob man in der kindſchafft GOttes ſtehe oder
nicht, doch eine ſchwere ſache ſeye des wachsthums gewiſſe kennzei-
chen zu geben, iedennoch aber koͤnnen etliche geſetzt werden, welche aber 2. ſo
beſchaffen, daß wo ſie ſich bey einem menſchen finden, denſelben ſeines wachs-
thums im Chriſtenthum verſichern: Jſt aber im gegentheil aus ermangelung
der kennzeichen nicht unfehlbar zu ſchlieſſen, daß ein menſch zuruͤck gehe. Mag
alſo das 1. ſeyn: Die hertzliche begierde und liebe zu dem goͤttlichen
wort 1. Petr. [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt], 2.
2. Kan ſeyn, ſo der menſch ſeines Heylandes, als des vornehmſten
zwecks der ſchrifft, in leſung, anhoͤrung, betrachtung des worts GOttes klaͤrer
und heller, als vormals wahrnimmt, und mit mehrer verſicherung und gewiß-
heit alles auf Chriſtum ziehet.
3. Waͤre, wenn ein menſch alles, ſo ihm von ſtraff, troſt und vermah-
nung in leſung der ſchrifft vorkommt, als ein nicht fremdes, ſondern auch ihm
geſchriebenes wort leichter und durchdringender auf ſich appliciret.
4. Kan dieſes den wachsthum anzeigen, ſo wir Chriſtum nunmehr um
ſein ſelbs willen, immer mit weniger abſicht auf uns ſelbs, lieben, wie nicht
weniger auch den nechſten allein um GOttes und ſeiner liebe willen, daher
auch die feinde.
5. So wir uns GOTT mit freudigem muth unterwerffen mit uns zu
thun und zu handeln nach ſeinem wohlgefallen: wie dann die gedult ihre
ſtafflen hat, daß man erſtlichen ziemlichen kampff leidet, nur daß man ſich des
murrens enthalte, nachmals kommts dahin, daß man mit dem leiden
wol zufrieden ſeye, endlich gar ſich deſſelben freue, und GOTT dafuͤr
dancke.
6. Wann dem menſchen ie laͤnger ie leichter wird ſeinen ſuͤndlichen be-
gierden zu widerſtehen, die vorhin unuͤberwindlich ſchienen.
7. So
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[7/0019] ARTIC. I. SECTIO I. dadurch der glaube bey uns geſtaͤrcket wird, ſo viel ſind wir wol berei- tet. 12. Daß wir eifrig beten um ſolche bereitung, und die alsdann uns noͤ- thige huͤlffe Luc. 21, 36. Offenb. 8, 3. Zu dieſen ſtuͤcken allen haben wir den annoch goͤnnenden ruheſtand zu gebrauchen. Ap. Geſch. 9, 31. Welches die kennzeichen des wachsthums oder zunehmens im Chriſtenthum ſeyen? BEy beantwortung dieſer frage iſt zu mercken 1. daß es, obwol nicht ſchwer iſt, zu erkennen, ob man in der kindſchafft GOttes ſtehe oder nicht, doch eine ſchwere ſache ſeye des wachsthums gewiſſe kennzei- chen zu geben, iedennoch aber koͤnnen etliche geſetzt werden, welche aber 2. ſo beſchaffen, daß wo ſie ſich bey einem menſchen finden, denſelben ſeines wachs- thums im Chriſtenthum verſichern: Jſt aber im gegentheil aus ermangelung der kennzeichen nicht unfehlbar zu ſchlieſſen, daß ein menſch zuruͤck gehe. Mag alſo das 1. ſeyn: Die hertzliche begierde und liebe zu dem goͤttlichen wort 1. Petr. _, 2. 2. Kan ſeyn, ſo der menſch ſeines Heylandes, als des vornehmſten zwecks der ſchrifft, in leſung, anhoͤrung, betrachtung des worts GOttes klaͤrer und heller, als vormals wahrnimmt, und mit mehrer verſicherung und gewiß- heit alles auf Chriſtum ziehet. 3. Waͤre, wenn ein menſch alles, ſo ihm von ſtraff, troſt und vermah- nung in leſung der ſchrifft vorkommt, als ein nicht fremdes, ſondern auch ihm geſchriebenes wort leichter und durchdringender auf ſich appliciret. 4. Kan dieſes den wachsthum anzeigen, ſo wir Chriſtum nunmehr um ſein ſelbs willen, immer mit weniger abſicht auf uns ſelbs, lieben, wie nicht weniger auch den nechſten allein um GOttes und ſeiner liebe willen, daher auch die feinde. 5. So wir uns GOTT mit freudigem muth unterwerffen mit uns zu thun und zu handeln nach ſeinem wohlgefallen: wie dann die gedult ihre ſtafflen hat, daß man erſtlichen ziemlichen kampff leidet, nur daß man ſich des murrens enthalte, nachmals kommts dahin, daß man mit dem leiden wol zufrieden ſeye, endlich gar ſich deſſelben freue, und GOTT dafuͤr dancke. 6. Wann dem menſchen ie laͤnger ie leichter wird ſeinen ſuͤndlichen be- gierden zu widerſtehen, die vorhin unuͤberwindlich ſchienen. 7. So

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/19>, abgerufen am 03.12.2024.