nichts auszurichten, oder eine sonderliche frucht mehr zu erwarten, was man dann sich viel plagen solte, da GOTT selbs widerstehe daß man nichts ausrichte, als nur der leute gericht desto schwerer mache: Hinge- gen wäre er auch ziemlich ermuntert worden, da er in meinen piis desideriis gesehen, daß ich noch herrliche hoffnung in der schrifft vor uns finde. Nun je mehr unsere verderbnüß zum mißtrauen und trägheit von sich selbs incli- niret, so viel mehr lasset uns die dinge offt vor augen stellen, die uns dermas- sen aufzumuntern tüchtig find. Jch überschreite aber die maaß des briefs das erste mal, jedoch siehet derselbe, wie sich mein hertz gegen ihn aufthue und wie frey mit demselben handle.
1682.
SECTIO XXIII. Von einem gesang: O GOTT/ wir loben dich.
WAs das gesang anlangt: O GOTT wir loben dich, ist mir sol- ches bis dahin gantz unbekant gewesen; Jch bin aber mit gelieb- tem bruder einer meinung 1. Daß dasselbe noch vor Luthero oder in der ersten zeit seiner reformation von jemand gemachet worden, welches die art der teutschen rede zeiget, so mit der jenigen reinigkeit, welche in den geistlichen schrifften ziemlicher massen von Luthero den anfang genommen, nicht übereinkommet: Als wohin sonderlich die formuln ehrwürdiget, wir ermahnen dich, wir segnen dich, etc. zu ziehen sind, welche der red-art, die darnach aufgekommen, nicht gemäß scheinen. 2. Weil aber in der Böhmischen brüder Gesangbuch (der edition 1639. p. 412.) ein gesang stehet, so auch aus dem Te Deum laudamus von Valentin Schultzen einem Studioso, der 1574. gestorben, gesetzt worden, und also anfangt: O GOTT wir loben dich, bekennen dich, dessen melodie auch ziemlich schwer ist, ob ich wol nicht weiß, ob sie mit der bey ihnen bekann- ten übereinkomme, möchte eine vermuthung seyn, ob nicht auch diese version aus dem Böhmischen durch einen andern geschehen, und älter seyn möchte. 3. Die redens-art, wir ermahnen dich, gegen GOTT gebraucht, kom- met durch aus mit unser teutschen sprach-art nicht überein, und hat dassel- be wort in dem gebrauch nie den jenigen verstand, daß mans gegen GOTT anwenden könte. So ist auch das wort segnen nunmehr in einem solchen gebrauch, und zwar allein, übrig geblieben, in dem wirs gegen GOtt nicht gebrauchen mögen: Ob wol dahin stünde, ob solches nicht hätte kön-
nen
Das ſiebende Capitel
nichts auszurichten, oder eine ſonderliche frucht mehr zu erwarten, was man dann ſich viel plagen ſolte, da GOTT ſelbs widerſtehe daß man nichts ausrichte, als nur der leute gericht deſto ſchwerer mache: Hinge- gen waͤre er auch ziemlich ermuntert worden, da er in meinen piis deſideriis geſehen, daß ich noch herrliche hoffnung in der ſchrifft vor uns finde. Nun je mehr unſere verderbnuͤß zum mißtrauen und traͤgheit von ſich ſelbs incli- niret, ſo viel mehr laſſet uns die dinge offt vor augen ſtellen, die uns dermaſ- ſen aufzumuntern tuͤchtig find. Jch uͤberſchreite aber die maaß des briefs das erſte mal, jedoch ſiehet derſelbe, wie ſich mein hertz gegen ihn aufthue und wie frey mit demſelben handle.
1682.
SECTIO XXIII. Von einem geſang: O GOTT/ wir loben dich.
WAs das geſang anlangt: O GOTT wir loben dich, iſt mir ſol- ches bis dahin gantz unbekant geweſen; Jch bin aber mit gelieb- tem bruder einer meinung 1. Daß daſſelbe noch vor Luthero oder in der erſten zeit ſeiner reformation von jemand gemachet worden, welches die art der teutſchen rede zeiget, ſo mit der jenigen reinigkeit, welche in den geiſtlichen ſchrifften ziemlicher maſſen von Luthero den anfang genommen, nicht uͤbereinkommet: Als wohin ſonderlich die formuln ehrwuͤrdiget, wir ermahnen dich, wir ſegnen dich, ꝛc. zu ziehen ſind, welche der red-art, die darnach aufgekommen, nicht gemaͤß ſcheinen. 2. Weil aber in der Boͤhmiſchen bruͤder Geſangbuch (der edition 1639. p. 412.) ein geſang ſtehet, ſo auch aus dem Te Deum laudamus von Valentin Schultzen einem Studioſo, der 1574. geſtorben, geſetzt worden, und alſo anfangt: O GOTT wir loben dich, bekennen dich, deſſen melodie auch ziemlich ſchwer iſt, ob ich wol nicht weiß, ob ſie mit der bey ihnen bekann- ten uͤbereinkomme, moͤchte eine vermuthung ſeyn, ob nicht auch dieſe verſion aus dem Boͤhmiſchen durch einen andern geſchehen, und aͤlter ſeyn moͤchte. 3. Die redens-art, wir ermahnen dich, gegen GOTT gebraucht, kom- met durch aus mit unſer teutſchen ſprach-art nicht uͤberein, und hat daſſel- be wort in dem gebrauch nie den jenigen verſtand, daß mans gegen GOTT anwenden koͤnte. So iſt auch das wort ſegnen nunmehr in einem ſolchen gebrauch, und zwar allein, uͤbrig geblieben, in dem wirs gegen GOtt nicht gebrauchen moͤgen: Ob wol dahin ſtuͤnde, ob ſolches nicht haͤtte koͤn-
nen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0136"n="124"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Das ſiebende Capitel</hi></fw><lb/>
nichts auszurichten, oder eine ſonderliche frucht mehr zu erwarten, was<lb/>
man dann ſich viel plagen ſolte, da GOTT ſelbs widerſtehe daß man<lb/>
nichts ausrichte, als nur der leute gericht deſto ſchwerer mache: Hinge-<lb/>
gen waͤre er auch ziemlich ermuntert worden, da er in meinen <hirendition="#aq">piis deſideriis</hi><lb/>
geſehen, daß ich noch herrliche hoffnung in der ſchrifft vor uns finde. Nun<lb/>
je mehr unſere verderbnuͤß zum mißtrauen und traͤgheit von ſich ſelbs <hirendition="#aq">incli-<lb/>
nir</hi>et, ſo viel mehr laſſet uns die dinge offt vor augen ſtellen, die uns dermaſ-<lb/>ſen aufzumuntern tuͤchtig find. Jch uͤberſchreite aber die maaß des briefs<lb/>
das erſte mal, jedoch ſiehet derſelbe, wie ſich mein hertz gegen ihn aufthue und<lb/>
wie frey mit demſelben handle.</p><dateline>1682.</dateline></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq"><hirendition="#g">SECTIO</hi> XXIII.</hi><lb/>
Von einem geſang: O GOTT/ wir<lb/>
loben dich.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">W</hi>As das geſang anlangt: <hirendition="#fr">O GOTT wir loben dich,</hi> iſt mir ſol-<lb/>
ches bis dahin gantz unbekant geweſen; Jch bin aber mit gelieb-<lb/>
tem bruder einer meinung 1. Daß daſſelbe noch vor Luthero oder<lb/>
in der erſten zeit ſeiner <hirendition="#aq">reformation</hi> von jemand gemachet worden, welches<lb/>
die art der teutſchen rede zeiget, ſo mit der jenigen reinigkeit, welche in den<lb/>
geiſtlichen ſchrifften ziemlicher maſſen von Luthero den anfang genommen,<lb/>
nicht uͤbereinkommet: Als wohin ſonderlich die formuln <hirendition="#fr">ehrwuͤrdiget,<lb/>
wir ermahnen dich, wir ſegnen dich, ꝛc.</hi> zu ziehen ſind, welche der<lb/>
red-art, die darnach aufgekommen, nicht gemaͤß ſcheinen. 2. Weil aber<lb/>
in der <hirendition="#fr">Boͤhmiſchen bruͤder Geſangbuch</hi> (der <hirendition="#aq">edition 1639. p. 412.</hi>)<lb/>
ein geſang ſtehet, ſo auch aus dem <hirendition="#aq">Te Deum laudamus</hi> von <hirendition="#fr">Valentin<lb/>
Schultzen</hi> einem <hirendition="#aq">Studioſo,</hi> der 1574. geſtorben, geſetzt worden, und alſo<lb/>
anfangt: <hirendition="#fr">O GOTT wir loben dich, bekennen dich,</hi> deſſen <hirendition="#aq">melodie</hi><lb/>
auch ziemlich ſchwer iſt, ob ich wol nicht weiß, ob ſie mit der bey ihnen bekann-<lb/>
ten uͤbereinkomme, moͤchte eine vermuthung ſeyn, ob nicht auch dieſe <hirendition="#aq">verſion</hi><lb/>
aus dem Boͤhmiſchen durch einen andern geſchehen, und aͤlter ſeyn moͤchte.<lb/>
3. Die redens-art, <hirendition="#fr">wir ermahnen dich,</hi> gegen GOTT gebraucht, kom-<lb/>
met durch aus mit unſer teutſchen ſprach-art nicht uͤberein, und hat daſſel-<lb/>
be wort in dem gebrauch nie den jenigen verſtand, daß mans gegen GOTT<lb/>
anwenden koͤnte. So iſt auch das wort <hirendition="#fr">ſegnen</hi> nunmehr in einem ſolchen<lb/>
gebrauch, und zwar allein, uͤbrig geblieben, in dem wirs gegen GOtt nicht<lb/>
gebrauchen moͤgen: Ob wol dahin ſtuͤnde, ob ſolches nicht haͤtte koͤn-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">nen</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[124/0136]
Das ſiebende Capitel
nichts auszurichten, oder eine ſonderliche frucht mehr zu erwarten, was
man dann ſich viel plagen ſolte, da GOTT ſelbs widerſtehe daß man
nichts ausrichte, als nur der leute gericht deſto ſchwerer mache: Hinge-
gen waͤre er auch ziemlich ermuntert worden, da er in meinen piis deſideriis
geſehen, daß ich noch herrliche hoffnung in der ſchrifft vor uns finde. Nun
je mehr unſere verderbnuͤß zum mißtrauen und traͤgheit von ſich ſelbs incli-
niret, ſo viel mehr laſſet uns die dinge offt vor augen ſtellen, die uns dermaſ-
ſen aufzumuntern tuͤchtig find. Jch uͤberſchreite aber die maaß des briefs
das erſte mal, jedoch ſiehet derſelbe, wie ſich mein hertz gegen ihn aufthue und
wie frey mit demſelben handle.
1682.
SECTIO XXIII.
Von einem geſang: O GOTT/ wir
loben dich.
WAs das geſang anlangt: O GOTT wir loben dich, iſt mir ſol-
ches bis dahin gantz unbekant geweſen; Jch bin aber mit gelieb-
tem bruder einer meinung 1. Daß daſſelbe noch vor Luthero oder
in der erſten zeit ſeiner reformation von jemand gemachet worden, welches
die art der teutſchen rede zeiget, ſo mit der jenigen reinigkeit, welche in den
geiſtlichen ſchrifften ziemlicher maſſen von Luthero den anfang genommen,
nicht uͤbereinkommet: Als wohin ſonderlich die formuln ehrwuͤrdiget,
wir ermahnen dich, wir ſegnen dich, ꝛc. zu ziehen ſind, welche der
red-art, die darnach aufgekommen, nicht gemaͤß ſcheinen. 2. Weil aber
in der Boͤhmiſchen bruͤder Geſangbuch (der edition 1639. p. 412.)
ein geſang ſtehet, ſo auch aus dem Te Deum laudamus von Valentin
Schultzen einem Studioſo, der 1574. geſtorben, geſetzt worden, und alſo
anfangt: O GOTT wir loben dich, bekennen dich, deſſen melodie
auch ziemlich ſchwer iſt, ob ich wol nicht weiß, ob ſie mit der bey ihnen bekann-
ten uͤbereinkomme, moͤchte eine vermuthung ſeyn, ob nicht auch dieſe verſion
aus dem Boͤhmiſchen durch einen andern geſchehen, und aͤlter ſeyn moͤchte.
3. Die redens-art, wir ermahnen dich, gegen GOTT gebraucht, kom-
met durch aus mit unſer teutſchen ſprach-art nicht uͤberein, und hat daſſel-
be wort in dem gebrauch nie den jenigen verſtand, daß mans gegen GOTT
anwenden koͤnte. So iſt auch das wort ſegnen nunmehr in einem ſolchen
gebrauch, und zwar allein, uͤbrig geblieben, in dem wirs gegen GOtt nicht
gebrauchen moͤgen: Ob wol dahin ſtuͤnde, ob ſolches nicht haͤtte koͤn-
nen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/136>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.