Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

Bild:
<< vorherige Seite

Das sechste Capitel.
te. Ach wolte GOTT/ wir hätten die erste ordnung der kirchen nach der einse-
tzung des HERRN/ so solten wir in der that die weißheit desselben erkennen/ daß
er die stände also in einander gegattet/ daß alles zu der gemeine erbauung concur
riren
müsste und solte. 25. Jan. 1686.

SECTIO XXXIV.

Daß die von andern mißbrauchte redens-arten
des wegen nicht abzulegen. Arndius. Lutheri schrifften.
Gemeinschafft CHRJSTJ und seiner
gläubigen.

OB ich wohl vor deme dessen wehrter person kundschafft noch nicht gehabt/ so
hat mich dannoch desto mehr erfreuet/ aus seinen lieben schreiben nicht nur
der gegen mich tragenden hertzlichen liebe/ sondern vornehmlich seines Gott-
seligen gemüths/ und wie er den zustand unserer kirche und zeit ansehe/ versichert zu
werden. Wie mirs dann eine der grössten vergnügungen in dieser welt ist/ wo
mich der HERR bald da bald dort widerum auffs neue eines bruders/ welcher es
mit dem werck GOttes treulich meine/ gewahr werden lässet/ daraus ich mich trö-
ste gegen die betrübnüß/ welche sonsten daher entstehet/ da man von allen seiten so
viele um sich siehet/ die das ihrige/ nicht aber was des HERREN ist/ suchen/ und
deswegen offt nicht allein das gute zu thun nicht fleißig sind/ sondern noch andere
darüber hassen/ und auff allerley weise zu hindern trachten. Welches nicht das
geringste verderben unserer kirchen ist/ und sich nicht nur in andern/ sondern auch un-
serem stande/ die wir sonsten zu den dienst GOttes absonderlich gewidmet sind/ lei-
der allzu viel findet.

Ach wie viel sind unter zahl derer/ die alle lehrer der Gottseligkeit seyn sol-
len/ die theils gar auch von öffentlichen ärgernüssen nicht frey gesprochen werden
können/ theils bey denen auffs wenigste mehr nicht als eine erudition/ buchstäbli-
che erkäntnüß und eine eusserliche erbarkeit/ angetroffen wird/ aber ohne einiges in-
nerliches Göttliches liecht/ also gar daß auch was davon aus GOttes wort geredet
wird/ so bald in verdacht gezogen werden muß: wie ich weiß/ daß sich einer gegen
einen guten freund vernehmen lassen/ es seye gefährlich/ auch nur von dem geist zu
reden.

Jch habe hin und wieder in meinen schrifften darüber einige klagen geführet/
nach dem exempel anderer vor mir: ja mag selbs in solcher sache einiges an mir ha-
ben erfahren müssen/ davon nicht viel sagen solle. Aber wie es ein leiden ist/ daß
andere unsre brüder vor uns und mit uns betroffen (wie auch seine liebe person aus
gethaner anzeige darunter zehlen muß) so lasset uns doch nicht darüber müde wer-

den

Das ſechſte Capitel.
te. Ach wolte GOTT/ wir haͤtten die erſte ordnung der kirchen nach der einſe-
tzung des HERRN/ ſo ſolten wir in der that die weißheit deſſelben erkennen/ daß
er die ſtaͤnde alſo in einander gegattet/ daß alles zu der gemeine erbauung concur
riren
muͤſſte und ſolte. 25. Jan. 1686.

SECTIO XXXIV.

Daß die von andern mißbrauchte redens-arten
des wegen nicht abzulegen. Arndius. Lutheri ſchrifften.
Gemeinſchafft CHRJSTJ und ſeiner
glaͤubigen.

OB ich wohl vor deme deſſen wehrter perſon kundſchafft noch nicht gehabt/ ſo
hat mich dannoch deſto mehr erfreuet/ aus ſeinen lieben ſchreiben nicht nur
der gegen mich tragenden hertzlichen liebe/ ſondern vornehmlich ſeines Gott-
ſeligen gemuͤths/ und wie er den zuſtand unſerer kirche und zeit anſehe/ verſichert zu
werden. Wie mirs dann eine der groͤſſten vergnuͤgungen in dieſer welt iſt/ wo
mich der HERR bald da bald dort widerum auffs neue eines bruders/ welcher es
mit dem werck GOttes treulich meine/ gewahr werden laͤſſet/ daraus ich mich troͤ-
ſte gegen die betruͤbnuͤß/ welche ſonſten daher entſtehet/ da man von allen ſeiten ſo
viele um ſich ſiehet/ die das ihrige/ nicht aber was des HERREN iſt/ ſuchen/ und
deswegen offt nicht allein das gute zu thun nicht fleißig ſind/ ſondern noch andere
daruͤber haſſen/ und auff allerley weiſe zu hindern trachten. Welches nicht das
geringſte verderben unſerer kirchen iſt/ uñ ſich nicht nur in andern/ ſondern auch un-
ſerem ſtande/ die wir ſonſten zu den dienſt GOttes abſonderlich gewidmet ſind/ lei-
der allzu viel findet.

Ach wie viel ſind unter zahl derer/ die alle lehrer der Gottſeligkeit ſeyn ſol-
len/ die theils gar auch von oͤffentlichen aͤrgernuͤſſen nicht frey geſprochen werden
koͤnnen/ theils bey denen auffs wenigſte mehr nicht als eine erudition/ buchſtaͤbli-
che erkaͤntnuͤß und eine euſſerliche erbarkeit/ angetroffen wird/ aber ohne einiges in-
nerliches Goͤttliches liecht/ alſo gar daß auch was davon aus GOttes wort geredet
wird/ ſo bald in verdacht gezogen werden muß: wie ich weiß/ daß ſich einer gegen
einen guten freund vernehmen laſſen/ es ſeye gefaͤhrlich/ auch nur von dem geiſt zu
reden.

Jch habe hin und wieder in meinen ſchrifften daruͤber einige klagen gefuͤhret/
nach dem exempel anderer vor mir: ja mag ſelbs in ſolcher ſache einiges an mir ha-
ben erfahren muͤſſen/ davon nicht viel ſagen ſolle. Aber wie es ein leiden iſt/ daß
andere unſre bruͤder vor uns und mit uns betroffen (wie auch ſeine liebe perſon aus
gethaner anzeige darunter zehlen muß) ſo laſſet uns doch nicht daruͤber muͤde wer-

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0638" n="620"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das &#x017F;ech&#x017F;te Capitel.</hi></fw><lb/>
te. Ach wolte GOTT/ wir ha&#x0364;tten die er&#x017F;te ordnung der kirchen nach der ein&#x017F;e-<lb/>
tzung des HERRN/ &#x017F;o &#x017F;olten wir in der that die weißheit de&#x017F;&#x017F;elben erkennen/ daß<lb/>
er die &#x017F;ta&#x0364;nde al&#x017F;o in einander gegattet/ daß alles zu der gemeine erbauung <hi rendition="#aq">concur<lb/>
riren</hi> mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;te und &#x017F;olte. 25. Jan. 1686.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi> XXXIV.</hi> </head><lb/>
            <argument>
              <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#in">D</hi>aß die von andern mißbrauchte redens-arten<lb/>
des wegen nicht abzulegen. Arndius. Lutheri &#x017F;chrifften.<lb/>
Gemein&#x017F;chafft CHRJSTJ und &#x017F;einer<lb/>
gla&#x0364;ubigen.</hi> </hi> </p>
            </argument><lb/>
            <p><hi rendition="#in">O</hi>B ich wohl vor deme de&#x017F;&#x017F;en wehrter per&#x017F;on kund&#x017F;chafft noch nicht gehabt/ &#x017F;o<lb/>
hat mich dannoch de&#x017F;to mehr erfreuet/ aus &#x017F;einen lieben &#x017F;chreiben nicht nur<lb/>
der gegen mich tragenden hertzlichen liebe/ &#x017F;ondern vornehmlich &#x017F;eines Gott-<lb/>
&#x017F;eligen gemu&#x0364;ths/ und wie er den zu&#x017F;tand un&#x017F;erer kirche und zeit an&#x017F;ehe/ ver&#x017F;ichert zu<lb/>
werden. Wie mirs dann eine der gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ten vergnu&#x0364;gungen in die&#x017F;er welt i&#x017F;t/ wo<lb/>
mich der HERR bald da bald dort widerum auffs neue eines bruders/ welcher es<lb/>
mit dem werck GOttes treulich meine/ gewahr werden la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et/ daraus ich mich tro&#x0364;-<lb/>
&#x017F;te gegen die betru&#x0364;bnu&#x0364;ß/ welche &#x017F;on&#x017F;ten daher ent&#x017F;tehet/ da man von allen &#x017F;eiten &#x017F;o<lb/>
viele um &#x017F;ich &#x017F;iehet/ die das ihrige/ nicht aber was des HERREN i&#x017F;t/ &#x017F;uchen/ und<lb/>
deswegen offt nicht allein das gute zu thun nicht fleißig &#x017F;ind/ &#x017F;ondern noch andere<lb/>
daru&#x0364;ber ha&#x017F;&#x017F;en/ und auff allerley wei&#x017F;e zu hindern trachten. Welches nicht das<lb/>
gering&#x017F;te verderben un&#x017F;erer kirchen i&#x017F;t/ un&#x0303; &#x017F;ich nicht nur in andern/ &#x017F;ondern auch un-<lb/>
&#x017F;erem &#x017F;tande/ die wir &#x017F;on&#x017F;ten zu den dien&#x017F;t GOttes ab&#x017F;onderlich gewidmet &#x017F;ind/ lei-<lb/>
der allzu viel findet.</p><lb/>
            <p>Ach wie viel &#x017F;ind unter zahl derer/ die alle lehrer der Gott&#x017F;eligkeit &#x017F;eyn &#x017F;ol-<lb/>
len/ die theils gar auch von o&#x0364;ffentlichen a&#x0364;rgernu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en nicht frey ge&#x017F;prochen werden<lb/>
ko&#x0364;nnen/ theils bey denen auffs wenig&#x017F;te mehr nicht als eine <hi rendition="#aq">erudition</hi>/ buch&#x017F;ta&#x0364;bli-<lb/>
che erka&#x0364;ntnu&#x0364;ß und eine eu&#x017F;&#x017F;erliche erbarkeit/ angetroffen wird/ aber ohne einiges in-<lb/>
nerliches Go&#x0364;ttliches liecht/ al&#x017F;o gar daß auch was davon aus GOttes wort geredet<lb/>
wird/ &#x017F;o bald in verdacht gezogen werden muß: wie ich weiß/ daß &#x017F;ich einer gegen<lb/>
einen guten freund vernehmen la&#x017F;&#x017F;en/ es &#x017F;eye gefa&#x0364;hrlich/ auch nur von dem gei&#x017F;t zu<lb/>
reden.</p><lb/>
            <p>Jch habe hin und wieder in meinen &#x017F;chrifften daru&#x0364;ber einige klagen gefu&#x0364;hret/<lb/>
nach dem exempel anderer vor mir: ja mag &#x017F;elbs in &#x017F;olcher &#x017F;ache einiges an mir ha-<lb/>
ben erfahren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ davon nicht viel &#x017F;agen &#x017F;olle. Aber wie es ein leiden i&#x017F;t/ daß<lb/>
andere un&#x017F;re bru&#x0364;der vor uns und mit uns betroffen (wie auch &#x017F;eine liebe per&#x017F;on aus<lb/>
gethaner anzeige darunter zehlen muß) &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;et uns doch nicht daru&#x0364;ber mu&#x0364;de wer-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[620/0638] Das ſechſte Capitel. te. Ach wolte GOTT/ wir haͤtten die erſte ordnung der kirchen nach der einſe- tzung des HERRN/ ſo ſolten wir in der that die weißheit deſſelben erkennen/ daß er die ſtaͤnde alſo in einander gegattet/ daß alles zu der gemeine erbauung concur riren muͤſſte und ſolte. 25. Jan. 1686. SECTIO XXXIV. Daß die von andern mißbrauchte redens-arten des wegen nicht abzulegen. Arndius. Lutheri ſchrifften. Gemeinſchafft CHRJSTJ und ſeiner glaͤubigen. OB ich wohl vor deme deſſen wehrter perſon kundſchafft noch nicht gehabt/ ſo hat mich dannoch deſto mehr erfreuet/ aus ſeinen lieben ſchreiben nicht nur der gegen mich tragenden hertzlichen liebe/ ſondern vornehmlich ſeines Gott- ſeligen gemuͤths/ und wie er den zuſtand unſerer kirche und zeit anſehe/ verſichert zu werden. Wie mirs dann eine der groͤſſten vergnuͤgungen in dieſer welt iſt/ wo mich der HERR bald da bald dort widerum auffs neue eines bruders/ welcher es mit dem werck GOttes treulich meine/ gewahr werden laͤſſet/ daraus ich mich troͤ- ſte gegen die betruͤbnuͤß/ welche ſonſten daher entſtehet/ da man von allen ſeiten ſo viele um ſich ſiehet/ die das ihrige/ nicht aber was des HERREN iſt/ ſuchen/ und deswegen offt nicht allein das gute zu thun nicht fleißig ſind/ ſondern noch andere daruͤber haſſen/ und auff allerley weiſe zu hindern trachten. Welches nicht das geringſte verderben unſerer kirchen iſt/ uñ ſich nicht nur in andern/ ſondern auch un- ſerem ſtande/ die wir ſonſten zu den dienſt GOttes abſonderlich gewidmet ſind/ lei- der allzu viel findet. Ach wie viel ſind unter zahl derer/ die alle lehrer der Gottſeligkeit ſeyn ſol- len/ die theils gar auch von oͤffentlichen aͤrgernuͤſſen nicht frey geſprochen werden koͤnnen/ theils bey denen auffs wenigſte mehr nicht als eine erudition/ buchſtaͤbli- che erkaͤntnuͤß und eine euſſerliche erbarkeit/ angetroffen wird/ aber ohne einiges in- nerliches Goͤttliches liecht/ alſo gar daß auch was davon aus GOttes wort geredet wird/ ſo bald in verdacht gezogen werden muß: wie ich weiß/ daß ſich einer gegen einen guten freund vernehmen laſſen/ es ſeye gefaͤhrlich/ auch nur von dem geiſt zu reden. Jch habe hin und wieder in meinen ſchrifften daruͤber einige klagen gefuͤhret/ nach dem exempel anderer vor mir: ja mag ſelbs in ſolcher ſache einiges an mir ha- ben erfahren muͤſſen/ davon nicht viel ſagen ſolle. Aber wie es ein leiden iſt/ daß andere unſre bruͤder vor uns und mit uns betroffen (wie auch ſeine liebe perſon aus gethaner anzeige darunter zehlen muß) ſo laſſet uns doch nicht daruͤber muͤde wer- den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/638
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 620. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/638>, abgerufen am 21.11.2024.