Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

Bild:
<< vorherige Seite
ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XLIX.
SECTIO XLIX.

Der unvermögen und meine schwehre kranckheit/
auch empfangene göttliche gnade. Würde und nutze der de-
muth. Vortheil der besondern zusammenkünfften.
Kindliches vertrauen/ daß GOtt den endlichen
willen sich in gnaden gefallen lasse.

WO ich es mit jemand anders zu thun hätte/ und nicht wüste/ daß sie mit
liebreichen gemüth mein bißheriges stillschweigen angesehen/ und aus sol-
chem nichts ungleiches noch eine verringerung der gegen sie tragenden
und schuldigen liebe werde angenommen haben/ so hätte wohl ursach daß selbige/
nach deme es nun bereits ein gantzes jahr gedauret/ mit mehrerem zu entschuldigen.
Gleichwie aber der vorige Sommer in allerhand und stäts wehrenden geschäfften
zugebracht worden/ so mich an vieler angenehmer correspondenz gehindert: So
hat mir der gütigste Vater in dem himmel in der erfolgten herbst und winter zeit
selbs eine solche heimsuchung gesandt/ welche bey guten gemüthern an statt einer
genugsamen entschuldigung dienen mag: Jn dem seiner väterlichen liebe gefällig
gewesen/ erstlich zwar die meinige/ unter welchen er nach absterben meines hauß-
praeceptoris, meine liebe Haußfrau und ältesten knaben über alles menschliche
verhoffen mit mächtiger hand aus des todes rachen gerissen/ nachmahl mich selb-
sten mit gefährlicher kranckheit befallen werden lassen. Wie er aber damit gesuchet/
uns etwa von vielen/ so ihm noch an uns mißfällig kräfftig zu reinigen/ auf daß wir
auch durch diese züchtigung seine heiligung erlangen/ darumb wir ihn auch demü-
thig anzuruffen haben/ daß er solchen seinen rath an uns allen wolle erfüllet werden
lassen/ also hat er auch mitten in solcher gefahr unser gnädig geschonet/ und endlich
ein zeichen seiner allmacht und güte an uns erwiesen/ da er auch mir/ als es mensch-
lichem ansehen nach/ und auch zuletzt nach eigenem meinem gefühl/ zum ende zu ge-
hen schiene/ aufs neue einige frist in diesem leibe zu bleiben gegeben/ und damit ge-
zeiget hat/ daß das mir von ihm bestimmte maß der arbeit und leydens noch nicht
müsse erfüllet/ sondern einiges weiter übrig/ und in seinem weisesten rath mir zu-
gemessen seyn. Wobey ich billig erkenne/ daß der liebste Vater sonderlich vieler
frommen hertzen inständige seuffzer vor mich angesehen/ und solche zu dem thron
seiner gnaden habe tringen lassen. Nun ihm seye ewiger danck vor die väterli-
che züchtigung/ vor die viele in deroselben mir erzeigte unvergleichliche grosse wohl-
thaten/ und endlich wiederaufrichtung/ auß dero in dem jüngst abgelegten Mer-
tzen mein amt wieder anzutreten vermocht habe. Denen lieben Seelen aber/
und unter solchen auch ihr/ außerwehlte Frau/ seye gleichfals hertzlicher danck ge-
sagt/ vor ihre hertzliche vorbitte die sie theils stätig insgemein vor meine angelegen-

heit
Rr
ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XLIX.
SECTIO XLIX.

Der unvermoͤgen und meine ſchwehre kranckheit/
auch empfangene goͤttliche gnade. Wuͤrde und nutze der de-
muth. Vortheil der beſondern zuſammenkuͤnfften.
Kindliches vertrauen/ daß GOtt den endlichen
willen ſich in gnaden gefallen laſſe.

WO ich es mit jemand anders zu thun haͤtte/ und nicht wuͤſte/ daß ſie mit
liebreichen gemuͤth mein bißheriges ſtillſchweigen angeſehen/ und aus ſol-
chem nichts ungleiches noch eine verringerung der gegen ſie tragenden
und ſchuldigen liebe werde angenommen haben/ ſo haͤtte wohl urſach daß ſelbige/
nach deme es nun bereits ein gantzes jahr gedauret/ mit mehrerem zu entſchuldigen.
Gleichwie aber der vorige Sommer in allerhand und ſtaͤts wehrenden geſchaͤfften
zugebracht worden/ ſo mich an vieler angenehmer correſpondenz gehindert: So
hat mir der guͤtigſte Vater in dem himmel in der erfolgten herbſt und winter zeit
ſelbs eine ſolche heimſuchung geſandt/ welche bey guten gemuͤthern an ſtatt einer
genugſamen entſchuldigung dienen mag: Jn dem ſeiner vaͤterlichen liebe gefaͤllig
geweſen/ erſtlich zwar die meinige/ unter welchen er nach abſterben meines hauß-
præceptoris, meine liebe Haußfrau und aͤlteſten knaben uͤber alles menſchliche
verhoffen mit maͤchtiger hand aus des todes rachen geriſſen/ nachmahl mich ſelb-
ſten mit gefaͤhrlicher kranckheit befallen werden laſſen. Wie er aber damit geſuchet/
uns etwa von vielen/ ſo ihm noch an uns mißfaͤllig kraͤfftig zu reinigen/ auf daß wir
auch durch dieſe zuͤchtigung ſeine heiligung erlangen/ darumb wir ihn auch demuͤ-
thig anzuruffen haben/ daß er ſolchen ſeinen rath an uns allen wolle erfuͤllet werden
laſſen/ alſo hat er auch mitten in ſolcher gefahr unſer gnaͤdig geſchonet/ und endlich
ein zeichen ſeiner allmacht und guͤte an uns erwieſen/ da er auch mir/ als es menſch-
lichem anſehen nach/ und auch zuletzt nach eigenem meinem gefuͤhl/ zum ende zu ge-
hen ſchiene/ aufs neue einige friſt in dieſem leibe zu bleiben gegeben/ und damit ge-
zeiget hat/ daß das mir von ihm beſtimmte maß der arbeit und leydens noch nicht
muͤſſe erfuͤllet/ ſondern einiges weiter uͤbrig/ und in ſeinem weiſeſten rath mir zu-
gemeſſen ſeyn. Wobey ich billig erkenne/ daß der liebſte Vater ſonderlich vieler
frommen hertzen inſtaͤndige ſeuffzer vor mich angeſehen/ und ſolche zu dem thron
ſeiner gnaden habe tringen laſſen. Nun ihm ſeye ewiger danck vor die vaͤterli-
che zuͤchtigung/ vor die viele in deroſelben mir erzeigte unvergleichliche groſſe wohl-
thaten/ und endlich wiederaufrichtung/ auß dero in dem juͤngſt abgelegten Mer-
tzen mein amt wieder anzutreten vermocht habe. Denen lieben Seelen aber/
und unter ſolchen auch ihr/ außerwehlte Frau/ ſeye gleichfals hertzlicher danck ge-
ſagt/ vor ihre hertzliche vorbitte die ſie theils ſtaͤtig insgemein vor meine angelegen-

heit
Rr
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0331" n="313"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#aq">ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XLIX.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO XLIX</hi>.</hi> </head><lb/>
            <argument>
              <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Der unvermo&#x0364;gen und meine &#x017F;chwehre kranckheit/<lb/>
auch empfangene go&#x0364;ttliche gnade. Wu&#x0364;rde und nutze der de-<lb/>
muth. Vortheil der be&#x017F;ondern zu&#x017F;ammenku&#x0364;nfften.<lb/>
Kindliches vertrauen/ daß GOtt den endlichen<lb/>
willen &#x017F;ich in gnaden gefallen la&#x017F;&#x017F;e.</hi> </hi> </p>
            </argument><lb/>
            <p><hi rendition="#in">W</hi>O ich es mit jemand anders zu thun ha&#x0364;tte/ und nicht wu&#x0364;&#x017F;te/ daß &#x017F;ie mit<lb/>
liebreichen gemu&#x0364;th mein bißheriges &#x017F;till&#x017F;chweigen ange&#x017F;ehen/ und aus &#x017F;ol-<lb/>
chem nichts ungleiches noch eine verringerung der gegen &#x017F;ie tragenden<lb/>
und &#x017F;chuldigen liebe werde angenommen haben/ &#x017F;o ha&#x0364;tte wohl ur&#x017F;ach daß &#x017F;elbige/<lb/>
nach deme es nun bereits ein gantzes jahr gedauret/ mit mehrerem zu ent&#x017F;chuldigen.<lb/>
Gleichwie aber der vorige Sommer in allerhand und &#x017F;ta&#x0364;ts wehrenden ge&#x017F;cha&#x0364;fften<lb/>
zugebracht worden/ &#x017F;o mich an vieler angenehmer <hi rendition="#aq">corre&#x017F;ponden</hi>z gehindert: So<lb/>
hat mir der gu&#x0364;tig&#x017F;te Vater in dem himmel in der erfolgten herb&#x017F;t und winter zeit<lb/>
&#x017F;elbs eine &#x017F;olche heim&#x017F;uchung ge&#x017F;andt/ welche bey guten gemu&#x0364;thern an &#x017F;tatt einer<lb/>
genug&#x017F;amen ent&#x017F;chuldigung dienen mag: Jn dem &#x017F;einer va&#x0364;terlichen liebe gefa&#x0364;llig<lb/>
gewe&#x017F;en/ er&#x017F;tlich zwar die meinige/ unter welchen er nach ab&#x017F;terben meines hauß-<lb/><hi rendition="#aq">præceptoris,</hi> meine liebe Haußfrau und a&#x0364;lte&#x017F;ten knaben u&#x0364;ber alles men&#x017F;chliche<lb/>
verhoffen mit ma&#x0364;chtiger hand aus des todes rachen geri&#x017F;&#x017F;en/ nachmahl mich &#x017F;elb-<lb/>
&#x017F;ten mit gefa&#x0364;hrlicher kranckheit befallen werden la&#x017F;&#x017F;en. Wie er aber damit ge&#x017F;uchet/<lb/>
uns etwa von vielen/ &#x017F;o ihm noch an uns mißfa&#x0364;llig kra&#x0364;fftig zu reinigen/ auf daß wir<lb/>
auch durch die&#x017F;e zu&#x0364;chtigung &#x017F;eine heiligung erlangen/ darumb wir ihn auch demu&#x0364;-<lb/>
thig anzuruffen haben/ daß er &#x017F;olchen &#x017F;einen rath an uns allen wolle erfu&#x0364;llet werden<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en/ al&#x017F;o hat er auch mitten in &#x017F;olcher gefahr un&#x017F;er gna&#x0364;dig ge&#x017F;chonet/ und endlich<lb/>
ein zeichen &#x017F;einer allmacht und gu&#x0364;te an uns erwie&#x017F;en/ da er auch mir/ als es men&#x017F;ch-<lb/>
lichem an&#x017F;ehen nach/ und auch zuletzt nach eigenem meinem gefu&#x0364;hl/ zum ende zu ge-<lb/>
hen &#x017F;chiene/ aufs neue einige fri&#x017F;t in die&#x017F;em leibe zu bleiben gegeben/ und damit ge-<lb/>
zeiget hat/ daß das mir von ihm be&#x017F;timmte maß der arbeit und leydens noch nicht<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e erfu&#x0364;llet/ &#x017F;ondern einiges weiter u&#x0364;brig/ und in &#x017F;einem wei&#x017F;e&#x017F;ten rath mir zu-<lb/>
geme&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eyn. Wobey ich billig erkenne/ daß der lieb&#x017F;te Vater &#x017F;onderlich vieler<lb/>
frommen hertzen in&#x017F;ta&#x0364;ndige &#x017F;euffzer vor mich ange&#x017F;ehen/ und &#x017F;olche zu dem thron<lb/>
&#x017F;einer gnaden habe tringen la&#x017F;&#x017F;en. Nun ihm &#x017F;eye ewiger danck vor die va&#x0364;terli-<lb/>
che zu&#x0364;chtigung/ vor die viele in dero&#x017F;elben mir erzeigte unvergleichliche gro&#x017F;&#x017F;e wohl-<lb/>
thaten/ und endlich wiederaufrichtung/ auß dero in dem ju&#x0364;ng&#x017F;t abgelegten Mer-<lb/>
tzen mein amt wieder anzutreten vermocht habe. Denen lieben Seelen aber/<lb/>
und unter &#x017F;olchen auch ihr/ außerwehlte Frau/ &#x017F;eye gleichfals hertzlicher danck ge-<lb/>
&#x017F;agt/ vor ihre hertzliche vorbitte die &#x017F;ie theils &#x017F;ta&#x0364;tig insgemein vor meine angelegen-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Rr</fw><fw place="bottom" type="catch">heit</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[313/0331] ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XLIX. SECTIO XLIX. Der unvermoͤgen und meine ſchwehre kranckheit/ auch empfangene goͤttliche gnade. Wuͤrde und nutze der de- muth. Vortheil der beſondern zuſammenkuͤnfften. Kindliches vertrauen/ daß GOtt den endlichen willen ſich in gnaden gefallen laſſe. WO ich es mit jemand anders zu thun haͤtte/ und nicht wuͤſte/ daß ſie mit liebreichen gemuͤth mein bißheriges ſtillſchweigen angeſehen/ und aus ſol- chem nichts ungleiches noch eine verringerung der gegen ſie tragenden und ſchuldigen liebe werde angenommen haben/ ſo haͤtte wohl urſach daß ſelbige/ nach deme es nun bereits ein gantzes jahr gedauret/ mit mehrerem zu entſchuldigen. Gleichwie aber der vorige Sommer in allerhand und ſtaͤts wehrenden geſchaͤfften zugebracht worden/ ſo mich an vieler angenehmer correſpondenz gehindert: So hat mir der guͤtigſte Vater in dem himmel in der erfolgten herbſt und winter zeit ſelbs eine ſolche heimſuchung geſandt/ welche bey guten gemuͤthern an ſtatt einer genugſamen entſchuldigung dienen mag: Jn dem ſeiner vaͤterlichen liebe gefaͤllig geweſen/ erſtlich zwar die meinige/ unter welchen er nach abſterben meines hauß- præceptoris, meine liebe Haußfrau und aͤlteſten knaben uͤber alles menſchliche verhoffen mit maͤchtiger hand aus des todes rachen geriſſen/ nachmahl mich ſelb- ſten mit gefaͤhrlicher kranckheit befallen werden laſſen. Wie er aber damit geſuchet/ uns etwa von vielen/ ſo ihm noch an uns mißfaͤllig kraͤfftig zu reinigen/ auf daß wir auch durch dieſe zuͤchtigung ſeine heiligung erlangen/ darumb wir ihn auch demuͤ- thig anzuruffen haben/ daß er ſolchen ſeinen rath an uns allen wolle erfuͤllet werden laſſen/ alſo hat er auch mitten in ſolcher gefahr unſer gnaͤdig geſchonet/ und endlich ein zeichen ſeiner allmacht und guͤte an uns erwieſen/ da er auch mir/ als es menſch- lichem anſehen nach/ und auch zuletzt nach eigenem meinem gefuͤhl/ zum ende zu ge- hen ſchiene/ aufs neue einige friſt in dieſem leibe zu bleiben gegeben/ und damit ge- zeiget hat/ daß das mir von ihm beſtimmte maß der arbeit und leydens noch nicht muͤſſe erfuͤllet/ ſondern einiges weiter uͤbrig/ und in ſeinem weiſeſten rath mir zu- gemeſſen ſeyn. Wobey ich billig erkenne/ daß der liebſte Vater ſonderlich vieler frommen hertzen inſtaͤndige ſeuffzer vor mich angeſehen/ und ſolche zu dem thron ſeiner gnaden habe tringen laſſen. Nun ihm ſeye ewiger danck vor die vaͤterli- che zuͤchtigung/ vor die viele in deroſelben mir erzeigte unvergleichliche groſſe wohl- thaten/ und endlich wiederaufrichtung/ auß dero in dem juͤngſt abgelegten Mer- tzen mein amt wieder anzutreten vermocht habe. Denen lieben Seelen aber/ und unter ſolchen auch ihr/ außerwehlte Frau/ ſeye gleichfals hertzlicher danck ge- ſagt/ vor ihre hertzliche vorbitte die ſie theils ſtaͤtig insgemein vor meine angelegen- heit Rr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/331
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/331>, abgerufen am 21.12.2024.