Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

Bild:
<< vorherige Seite
Das sechste Capitel.
SECTIO XLV.

Von Franckfurtischen sachen. Bruder nahme
der Christen. Sorge der trennung.

DAß unser benachbarte Theologus noch nicht auffhören solle/ die unsrigen
hier in verdacht zu haben/ und auch diejenige so bald drein zu ziehen/ wo nur
unsere geliebte Jungfer N.N. hinkomt/ ist mir leid: der HERR lasse ihn er-
kennen was er hierinnen thut/ und mit was unrecht er diejenige beschwehret/ an
denen man vielmehr die gnade GOttes lieben und erkennen solte. So habe ge-
dacht/ es hätte GOtt dem mann von einiger zeit die augen geöffnet/ daß er sich sei-
ner autorität nicht ferner mißbrauchte/ welches noch einmahl zu geschehen in hertz-
licher liebe hoffen/ auch von solcher statt selbst mich versehen will/ daß daselbst noch
das jenige solle gelobet und geübet werden/ was man vorhin daselbst gelästert und
angefeindet. Es hat ja der HERR HERR alle hertzen in seiner hand/ und zei-
get vornehmlich bey deng ossen in regierung derselben ein vortreffliches stück seiner
Allmacht und Majestät/ und so wir Theologi, so es aus doppelter pflicht zu thun
verbundeu wären/ zu thun säumig sind/ erwecket er offters Christliche Politicos, vor
dero hertzlichen eiffer/ den GOTT auch offters hertzlich segnet/ wir uns nachmahl
schämen mussen; da sie das werck des HERREN vortrefflich beförderen. Ein-
mahl gibt mir mein gewissen zeugnüß/ weiset auch das werck selbst/ daß ich und an-
dere freunde hier nichts anders suchen/ als daß die lehre der Gottseligkeit treulich
getrieben/ und also in die hertzen eingetrucket werde/ daß auch daß gantze leben nach
derselben regel eingerichtet werde/ und also das leben des glaubens sich in der that
zeiget: Daß wir alle mögen die theure güter unsers GOttes also hertzlich lernen
erkennen/ damit durch deroselben liebe/ die uns allen angebohrne und fest ankleben-
de liebe der welt möge getilget und ausgereutet werden/ und also die Christen in
der welt also wandelen/ als derer burgerrecht droben in dem himmel ist. Hiezu ist
alles gemeinet/ und wird man uns nicht zeigen/ daß einige unsere vorschläge oder
verrichtungen und übungen entweder anders wo hin zwecken/ oder aber so beschaf-
fen sind/ daß sie dergleichen fremde absicht nach sich zögen. Was sonderbahre
meinungen sind/ werde ich mir nicht lassen zu wider seyn/ wo ich weiß/ daß jemand
dergleichen hegte/ und ich solche göttlichem wort zu wider zu seyn erkennete/ mit den-
selben daraus zu reden/ und solche nach vermögen zu benehmen. Es ist aber je
länger je weniger dergleichen zu befahren/ nach dem wir mehr und mehr erkennen/
wir seyen noch nicht diejenige/ welche hohe geheimnüssen und etwas anderes fassen

könten
Das ſechſte Capitel.
SECTIO XLV.

Von Franckfurtiſchen ſachen. Bruder nahme
der Chriſten. Sorge der trennung.

DAß unſer benachbarte Theologus noch nicht auffhoͤren ſolle/ die unſrigen
hier in verdacht zu haben/ und auch diejenige ſo bald drein zu ziehen/ wo nur
unſere geliebte Jungfer N.N. hinkomt/ iſt mir leid: der HERR laſſe ihn er-
kennen was er hierinnen thut/ und mit was unrecht er diejenige beſchwehret/ an
denen man vielmehr die gnade GOttes lieben und erkennen ſolte. So habe ge-
dacht/ es haͤtte GOtt dem mann von einiger zeit die augen geoͤffnet/ daß er ſich ſei-
ner autoritaͤt nicht ferner mißbrauchte/ welches noch einmahl zu geſchehen in hertz-
licher liebe hoffen/ auch von ſolcher ſtatt ſelbſt mich verſehen will/ daß daſelbſt noch
das jenige ſolle gelobet und geuͤbet werden/ was man vorhin daſelbſt gelaͤſtert und
angefeindet. Es hat ja der HERR HERR alle hertzen in ſeiner hand/ und zei-
get vornehmlich bey deng oſſen in regierung derſelben ein vortreffliches ſtuͤck ſeiner
Allmacht und Majeſtaͤt/ und ſo wir Theologi, ſo es aus doppelter pflicht zu thun
verbundeu waͤren/ zu thun ſaͤumig ſind/ erwecket er offters Chriſtliche Politicos, vor
dero hertzlichen eiffer/ den GOTT auch offters hertzlich ſegnet/ wir uns nachmahl
ſchaͤmen muſſen; da ſie das werck des HERREN vortrefflich befoͤrderen. Ein-
mahl gibt mir mein gewiſſen zeugnuͤß/ weiſet auch das werck ſelbſt/ daß ich und an-
dere freunde hier nichts anders ſuchen/ als daß die lehre der Gottſeligkeit treulich
getrieben/ und alſo in die hertzen eingetrucket werde/ daß auch daß gantze leben nach
derſelben regel eingerichtet werde/ und alſo das leben des glaubens ſich in der that
zeiget: Daß wir alle moͤgen die theure guͤter unſers GOttes alſo hertzlich lernen
erkennen/ damit durch deroſelben liebe/ die uns allen angebohrne und feſt ankleben-
de liebe der welt moͤge getilget und ausgereutet werden/ und alſo die Chriſten in
der welt alſo wandelen/ als derer burgerrecht droben in dem himmel iſt. Hiezu iſt
alles gemeinet/ und wird man uns nicht zeigen/ daß einige unſere vorſchlaͤge oder
verrichtungen und uͤbungen entweder anders wo hin zwecken/ oder aber ſo beſchaf-
fen ſind/ daß ſie dergleichen fremde abſicht nach ſich zoͤgen. Was ſonderbahre
meinungen ſind/ werde ich mir nicht laſſen zu wider ſeyn/ wo ich weiß/ daß jemand
dergleichen hegte/ und ich ſolche goͤttlichem wort zu wider zu ſeyn erkennete/ mit den-
ſelben daraus zu reden/ und ſolche nach vermoͤgen zu benehmen. Es iſt aber je
laͤnger je weniger dergleichen zu befahren/ nach dem wir mehr und mehr erkennen/
wir ſeyen noch nicht diejenige/ welche hohe geheimnuͤſſen und etwas anderes faſſen

koͤnten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0318" n="298[300]"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das &#x017F;ech&#x017F;te Capitel.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq">SECTIO XLV.</hi> </head><lb/>
            <argument>
              <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#in">V</hi>on <hi rendition="#in">F</hi>ranckfurti&#x017F;chen &#x017F;achen. Bruder nahme<lb/>
der Chri&#x017F;ten. Sorge der trennung.</hi> </hi> </p>
            </argument><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>Aß un&#x017F;er benachbarte <hi rendition="#aq">Theologus</hi> noch nicht auffho&#x0364;ren &#x017F;olle/ die un&#x017F;rigen<lb/>
hier in verdacht zu haben/ und auch diejenige &#x017F;o bald drein zu ziehen/ wo nur<lb/>
un&#x017F;ere geliebte Jungfer <hi rendition="#aq">N.N.</hi> hinkomt/ i&#x017F;t mir leid: der HERR la&#x017F;&#x017F;e ihn er-<lb/>
kennen was er hierinnen thut/ und mit was unrecht er diejenige be&#x017F;chwehret/ an<lb/>
denen man vielmehr die gnade GOttes lieben und erkennen &#x017F;olte. So habe ge-<lb/>
dacht/ es ha&#x0364;tte GOtt dem mann von einiger zeit die augen geo&#x0364;ffnet/ daß er &#x017F;ich &#x017F;ei-<lb/>
ner <hi rendition="#aq">autori</hi>ta&#x0364;t nicht ferner mißbrauchte/ welches noch einmahl zu ge&#x017F;chehen in hertz-<lb/>
licher liebe hoffen/ auch von &#x017F;olcher &#x017F;tatt &#x017F;elb&#x017F;t mich ver&#x017F;ehen will/ daß da&#x017F;elb&#x017F;t noch<lb/>
das jenige &#x017F;olle gelobet und geu&#x0364;bet werden/ was man vorhin da&#x017F;elb&#x017F;t gela&#x0364;&#x017F;tert und<lb/>
angefeindet. Es hat ja der HERR HERR alle hertzen in &#x017F;einer hand/ und zei-<lb/>
get vornehmlich bey deng o&#x017F;&#x017F;en in regierung der&#x017F;elben ein vortreffliches &#x017F;tu&#x0364;ck &#x017F;einer<lb/>
Allmacht und Maje&#x017F;ta&#x0364;t/ und &#x017F;o wir <hi rendition="#aq">Theologi,</hi> &#x017F;o es aus doppelter pflicht zu thun<lb/>
verbundeu wa&#x0364;ren/ zu thun &#x017F;a&#x0364;umig &#x017F;ind/ erwecket er offters Chri&#x017F;tliche <hi rendition="#aq">Politicos,</hi> vor<lb/>
dero hertzlichen eiffer/ den GOTT auch offters hertzlich &#x017F;egnet/ wir uns nachmahl<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;men mu&#x017F;&#x017F;en; da &#x017F;ie das werck des HERREN vortrefflich befo&#x0364;rderen. Ein-<lb/>
mahl gibt mir mein gewi&#x017F;&#x017F;en zeugnu&#x0364;ß/ wei&#x017F;et auch das werck &#x017F;elb&#x017F;t/ daß ich und an-<lb/>
dere freunde hier nichts anders &#x017F;uchen/ als daß die lehre der Gott&#x017F;eligkeit treulich<lb/>
getrieben/ und al&#x017F;o in die hertzen eingetrucket werde/ daß auch daß gantze leben nach<lb/>
der&#x017F;elben regel eingerichtet werde/ und al&#x017F;o das leben des glaubens &#x017F;ich in der that<lb/>
zeiget: Daß wir alle mo&#x0364;gen die theure gu&#x0364;ter un&#x017F;ers GOttes al&#x017F;o hertzlich lernen<lb/>
erkennen/ damit durch dero&#x017F;elben liebe/ die uns allen angebohrne und fe&#x017F;t ankleben-<lb/>
de liebe der welt mo&#x0364;ge getilget und ausgereutet werden/ und al&#x017F;o die Chri&#x017F;ten in<lb/>
der welt al&#x017F;o wandelen/ als derer burgerrecht droben in dem himmel i&#x017F;t. Hiezu i&#x017F;t<lb/>
alles gemeinet/ und wird man uns nicht zeigen/ daß einige un&#x017F;ere vor&#x017F;chla&#x0364;ge oder<lb/>
verrichtungen und u&#x0364;bungen entweder anders wo hin zwecken/ oder aber &#x017F;o be&#x017F;chaf-<lb/>
fen &#x017F;ind/ daß &#x017F;ie dergleichen fremde ab&#x017F;icht nach &#x017F;ich zo&#x0364;gen. Was &#x017F;onderbahre<lb/>
meinungen &#x017F;ind/ werde ich mir nicht la&#x017F;&#x017F;en zu wider &#x017F;eyn/ wo ich weiß/ daß jemand<lb/>
dergleichen hegte/ und ich &#x017F;olche go&#x0364;ttlichem wort zu wider zu &#x017F;eyn erkennete/ mit den-<lb/>
&#x017F;elben daraus zu reden/ und &#x017F;olche nach vermo&#x0364;gen zu benehmen. Es i&#x017F;t aber je<lb/>
la&#x0364;nger je weniger dergleichen zu befahren/ nach dem wir mehr und mehr erkennen/<lb/>
wir &#x017F;eyen noch nicht diejenige/ welche hohe geheimnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en und etwas anderes fa&#x017F;&#x017F;en<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ko&#x0364;nten</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298[300]/0318] Das ſechſte Capitel. SECTIO XLV. Von Franckfurtiſchen ſachen. Bruder nahme der Chriſten. Sorge der trennung. DAß unſer benachbarte Theologus noch nicht auffhoͤren ſolle/ die unſrigen hier in verdacht zu haben/ und auch diejenige ſo bald drein zu ziehen/ wo nur unſere geliebte Jungfer N.N. hinkomt/ iſt mir leid: der HERR laſſe ihn er- kennen was er hierinnen thut/ und mit was unrecht er diejenige beſchwehret/ an denen man vielmehr die gnade GOttes lieben und erkennen ſolte. So habe ge- dacht/ es haͤtte GOtt dem mann von einiger zeit die augen geoͤffnet/ daß er ſich ſei- ner autoritaͤt nicht ferner mißbrauchte/ welches noch einmahl zu geſchehen in hertz- licher liebe hoffen/ auch von ſolcher ſtatt ſelbſt mich verſehen will/ daß daſelbſt noch das jenige ſolle gelobet und geuͤbet werden/ was man vorhin daſelbſt gelaͤſtert und angefeindet. Es hat ja der HERR HERR alle hertzen in ſeiner hand/ und zei- get vornehmlich bey deng oſſen in regierung derſelben ein vortreffliches ſtuͤck ſeiner Allmacht und Majeſtaͤt/ und ſo wir Theologi, ſo es aus doppelter pflicht zu thun verbundeu waͤren/ zu thun ſaͤumig ſind/ erwecket er offters Chriſtliche Politicos, vor dero hertzlichen eiffer/ den GOTT auch offters hertzlich ſegnet/ wir uns nachmahl ſchaͤmen muſſen; da ſie das werck des HERREN vortrefflich befoͤrderen. Ein- mahl gibt mir mein gewiſſen zeugnuͤß/ weiſet auch das werck ſelbſt/ daß ich und an- dere freunde hier nichts anders ſuchen/ als daß die lehre der Gottſeligkeit treulich getrieben/ und alſo in die hertzen eingetrucket werde/ daß auch daß gantze leben nach derſelben regel eingerichtet werde/ und alſo das leben des glaubens ſich in der that zeiget: Daß wir alle moͤgen die theure guͤter unſers GOttes alſo hertzlich lernen erkennen/ damit durch deroſelben liebe/ die uns allen angebohrne und feſt ankleben- de liebe der welt moͤge getilget und ausgereutet werden/ und alſo die Chriſten in der welt alſo wandelen/ als derer burgerrecht droben in dem himmel iſt. Hiezu iſt alles gemeinet/ und wird man uns nicht zeigen/ daß einige unſere vorſchlaͤge oder verrichtungen und uͤbungen entweder anders wo hin zwecken/ oder aber ſo beſchaf- fen ſind/ daß ſie dergleichen fremde abſicht nach ſich zoͤgen. Was ſonderbahre meinungen ſind/ werde ich mir nicht laſſen zu wider ſeyn/ wo ich weiß/ daß jemand dergleichen hegte/ und ich ſolche goͤttlichem wort zu wider zu ſeyn erkennete/ mit den- ſelben daraus zu reden/ und ſolche nach vermoͤgen zu benehmen. Es iſt aber je laͤnger je weniger dergleichen zu befahren/ nach dem wir mehr und mehr erkennen/ wir ſeyen noch nicht diejenige/ welche hohe geheimnuͤſſen und etwas anderes faſſen koͤnten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/318
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 298[300]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/318>, abgerufen am 21.12.2024.