Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.Das fünffte Capitel. SECTIO XII. Erinnerung an eine schwehr gefallene Stands- person. JCh zweiffele nicht/ daß dieselbe nachdem sie von GOtt zur buß gerich- te/
Das fuͤnffte Capitel. SECTIO XII. Erinnerung an eine ſchwehr gefallene Stands- perſon. JCh zweiffele nicht/ daß dieſelbe nachdem ſie von GOtt zur buß gerich- te/
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Das fuͤnffte Capitel.
SECTIO XII.
Erinnerung an eine ſchwehr gefallene Stands-
perſon.
JCh zweiffele nicht/ daß dieſelbe nachdem ſie von GOtt zur buß gerich-
tet/ alles in der rechten ordnung thun und anfangen werde/ nemlich die
vornehmſte ſorge dahin zu richten/ wie ſie ſtaͤts vor dem HErrenin ſol-
cher wahrer buß ſtehen/ ſich unter ſeine gewaltige hand demuͤthigen/ und alſo
von derſelben alles mit williger gedult auffnehmen moͤge. Die ſchwehre ih-
res begangenen falls iſt nicht eben noth hie vor augen zu ſtellen; ich hoffe a-
ber und nehme es auch aus dem gethanen ſchreiben ab/ daß ſie ſolchen fall
nicht vor den erſten anfang dero geiſtlichen ungluͤcks achten/ ſondern erkennen
werde/ daß das vorhin/ obwol nicht in dergleichen dingen/ die in der welt vor
unzimlich gehalten werden/ aber doch beſorglich in gleichfoͤrmigkeit der welt
und liebe deroſelben eitelkeit/ gefuͤhrte leben bereits die gnade GOttes von
deroſelben abgewendet/ und ſolchen eußerlichen fall ausGOTTes ver-
haͤngnuͤß verurſachet haben doͤrffe. Wie es leider in dem gemeinen hoffle-
ben unter denjenigen/ welche GOtt in einen hoͤhern ſtand geſetzet hat/ auch
faſt bey denen welche vor die beſte gehalten werden/ und wahrhafftig ihre eh-
re vor der welt mit nichtes grobes verletzen/ alſo hergehet/ daß man ſorgen uñ
bejammern muß/ daß die edele ſeelen faſt von kindes beinen an in die liebe der
welt (welche beſtehet in augen-luſt/ fleiſches-luſt/ und hoffaͤrtigem leben/
alſo eingeflochten werden/ daß ſie kuͤmmerlich mehr gerettet werden koͤnnen/
und etwa der meiſte theil bey dem zwahr ehrlichſten leben/ dabey aber des
rechten Chriſtenthums nichts iſt/ verlohren gehet. Mit ſolchen augen ſihet
einer der regelen Chriſti kundiger menſch den zuſtand der meiſten/ welche in
der welt in anſehen ſind/ an/ und kan nicht genug daruͤber ſeufftzen. So
zweiffele nicht/ daß E. Gn. dieſes etwa ſelbs bekennen werden/ daß ſie/
bevor die augen durch dieſe zwahr betruͤbte gelegenheit deroſelben auff-
gegangen/ vielleicht wenig von der verleugnung ſeiner ſelbs/ creu-
tzigung des fleiſches/ abſterben der welt/ gruͤndlicher inner- und
euſſerlicher demuth/ und dergleichen Chriſten-pflichten mag erkant
oder geglaubet/ ſondern wol gar/ daß ſolche auch in hoͤherem ſtand er-
fordert werden ſolten/ vor ungereimet gehalten haben: Welches ich mit gu-
tem fug beſorge/ als deme wiſſend iſt/ wie man von ſolchen dingen an dieſen
orten zu reden und zu halten pfleget/ ja esvor eine ungeſchmackt pfafferey
achtet/ wo man einanders nur gedencken wolte; wo nun dieſelbe ihren vo-
rigen zuſtand alſo vor GOtt geweſen zu ſeyn in ihrem gewiſſen befinden ſol-
te/
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