Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

Bild:
<< vorherige Seite

Das dritte Capitel.
des sonntags zum so offentlichen als absonderlichen gottesdienst anzuwen-
den hätten/ ausser dergleichen nothfall aber des gehorsams/ sich der sonntags-
arbeit entschlagen solten. Wo nun dieses geschehen 3. achte ich/ daß ein sol-
cher auffseher sein gewissen zur gnüge durch gethane erinnerung und bezeu-
gung seines mißfallens gerettet habe/ und da es bey der obern befehl bleibet/
die er davon abzuhalten nicht vermag/ an denen aber alles/ was sündlich ist
in der sache/ liget/ mag er die anstalten geschehen lassen/ und so viel auff ihn
kommet/ solche mit ordnen/ weil in solchem gedachter massen von denjenigen/
über die er die auffsicht hat/ nichtgesündiget wird. Daher 4. der grosse un-
terscheid zu mercken ist unter andern sünden/ welche in einer an sich selbs bö-
sen handlung bestehen/ daran alle sündigen/ welche einiger massen mit zu thun
haben/ und unter dergleichen sonntags-arbeit/ die in dem N. T. nicht anders
verboten/ als sofern sie eine hindernüß eines gebotenen guten ist/ dessen
schuld auff denjenigen allein fället/ von dem solche hindernüß eigenlich her-
kommet/ demjenigen aber der gehindert wird/ nicht anklebet. Deßwegen
5. weder nöthig noch nützlich ist/ um solcher ursach willen das amt zu resigni-
ren/ oder durch beharrlichen widerstand sich in dessen gefahr zu setzen/ und da-
mit der gelegenheit vieles andern guten sich zu berauben.

Der HERR aber gebe uns sein liecht selbs/ in allen dingen seinen willen
zu erkennen/ und neige unsre hertzen dahin/ denselben zu vollbringen/ hingegen
steure er auch allen ärgernussen. Jnsgesamt bringe er unser aller seelen zu dem
geistlichen beständigen sabbath/ und innerlichen ruhe/ so wird sichs selbs
leicht geben/ wie man auch den eusserlichen sabbath recht GOtt gefällig fey-
ren möge/ bis es komme zu jenem ewigen sabbath/ Amen:

SECTIO XIII.
Vom Separatismo.

JCh freue mich/ daß mein werther freund mehr und mehr erkennet/ wie
einmal der Separatismus gefährlicher seye/ als die begierde sich der ge-
meinschafft der allgemeinen ärgernüssen zu entziehen/ demselben erstlich
einen stattlichen schein machet/ und wohl gute gemüther leicht einnimmet. Wie
denn ich für meine person stäts bey den gedancken bleibe/ die ich in meinem tra-
ct
ätlein unter dem titul/ der klagen über das verdorbene Christenthum
gebrauch und mißbrauch/
vorgestellt/ und alle trennung hertzlich wider-
rathen/ hingegen wie wir zwahr des bösen uns nicht selbs mit schuldig zu
machen/ aber dasselbe/ was wir nicht zu ändern vermögen/ mit gedult lieber
zu ertragen/ als davon zu fliehen haben/ hoffentlich mit gnugsamen grunde
dargethan habe: also hoffe ich/ es werde diese wahr heit immer ihrer mehrern
in die augen leuchten/ und sonderlich unterschiedliche gute seelen/ welche auff

sol-

Das dritte Capitel.
des ſonntags zum ſo offentlichen als abſonderlichen gottesdienſt anzuwen-
den haͤtten/ auſſer dergleichen nothfall aber des gehorſams/ ſich der ſonntags-
arbeit entſchlagen ſolten. Wo nun dieſes geſchehen 3. achte ich/ daß ein ſol-
cher auffſeher ſein gewiſſen zur gnuͤge durch gethane erinnerung und bezeu-
gung ſeines mißfallens gerettet habe/ und da es bey der obern befehl bleibet/
die er davon abzuhalten nicht vermag/ an denen aber alles/ was ſuͤndlich iſt
in der ſache/ liget/ mag er die anſtalten geſchehen laſſen/ und ſo viel auff ihn
kommet/ ſolche mit ordnen/ weil in ſolchem gedachter maſſen von denjenigen/
uͤber die er die auffſicht hat/ nichtgeſuͤndiget wird. Daher 4. der groſſe un-
terſcheid zu mercken iſt unter andern ſuͤnden/ welche in einer an ſich ſelbs boͤ-
ſen handlung beſtehen/ daran alle ſuͤndigen/ welche einiger maſſen mit zu thun
haben/ und unter dergleichen ſonntags-arbeit/ die in dem N. T. nicht anders
verboten/ als ſofern ſie eine hindernuͤß eines gebotenen guten iſt/ deſſen
ſchuld auff denjenigen allein faͤllet/ von dem ſolche hindernuͤß eigenlich her-
kommet/ demjenigen aber der gehindert wird/ nicht anklebet. Deßwegen
5. weder noͤthig noch nuͤtzlich iſt/ um ſolcher urſach willen das amt zu reſigni-
ren/ oder durch beharrlichen widerſtand ſich in deſſen gefahr zu ſetzen/ und da-
mit der gelegenheit vieles andern guten ſich zu berauben.

Der HERR aber gebe uns ſein liecht ſelbs/ in allen dingen ſeinen willen
zu erkennen/ und neige unſre hertzen dahin/ denſelben zu vollbringen/ hingegen
ſteure er auch allen aͤrgernuſſen. Jnsgeſamt bringe er unſer aller ſeelen zu dem
geiſtlichen beſtaͤndigen ſabbath/ und innerlichen ruhe/ ſo wird ſichs ſelbs
leicht geben/ wie man auch den euſſerlichen ſabbath recht GOtt gefaͤllig fey-
ren moͤge/ bis es komme zu jenem ewigen ſabbath/ Amen:

SECTIO XIII.
Vom Separatiſmo.

JCh freue mich/ daß mein werther freund mehr und mehr erkennet/ wie
einmal der Separatiſmus gefaͤhrlicher ſeye/ als die begierde ſich der ge-
meinſchafft der allgemeinen aͤrgernuͤſſen zu entziehen/ demſelben erſtlich
einen ſtattlichen ſchein machet/ und wohl gute gemuͤther leicht einnim̃et. Wie
deñ ich fuͤr meine perſon ſtaͤts bey den gedancken bleibe/ die ich in meinem tra-
ct
aͤtlein unter dem titul/ der klagen uͤber das verdorbene Chriſtenthum
gebrauch und mißbrauch/
vorgeſtellt/ und alle trennung hertzlich wider-
rathen/ hingegen wie wir zwahr des boͤſen uns nicht ſelbs mit ſchuldig zu
machen/ aber daſſelbe/ was wir nicht zu aͤndern vermoͤgen/ mit gedult lieber
zu ertragen/ als davon zu fliehen haben/ hoffentlich mit gnugſamen grunde
dargethan habe: alſo hoffe ich/ es werde dieſe wahr heit immer ihrer mehrern
in die augen leuchten/ und ſonderlich unterſchiedliche gute ſeelen/ welche auff

ſol-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0054" n="46"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das dritte Capitel.</hi></fw><lb/>
des &#x017F;onntags zum &#x017F;o offentlichen als ab&#x017F;onderlichen gottesdien&#x017F;t anzuwen-<lb/>
den ha&#x0364;tten/ au&#x017F;&#x017F;er dergleichen nothfall aber des gehor&#x017F;ams/ &#x017F;ich der &#x017F;onntags-<lb/>
arbeit ent&#x017F;chlagen &#x017F;olten. Wo nun die&#x017F;es ge&#x017F;chehen 3. achte ich/ daß ein &#x017F;ol-<lb/>
cher auff&#x017F;eher &#x017F;ein gewi&#x017F;&#x017F;en zur gnu&#x0364;ge durch gethane erinnerung und bezeu-<lb/>
gung &#x017F;eines mißfallens gerettet habe/ und da es bey der obern befehl bleibet/<lb/>
die er davon abzuhalten nicht vermag/ an denen aber alles/ was &#x017F;u&#x0364;ndlich i&#x017F;t<lb/>
in der &#x017F;ache/ liget/ mag er die an&#x017F;talten ge&#x017F;chehen la&#x017F;&#x017F;en/ und &#x017F;o viel auff ihn<lb/>
kommet/ &#x017F;olche mit ordnen/ weil in &#x017F;olchem gedachter ma&#x017F;&#x017F;en von denjenigen/<lb/>
u&#x0364;ber die er die auff&#x017F;icht hat/ nichtge&#x017F;u&#x0364;ndiget wird. Daher 4. der gro&#x017F;&#x017F;e un-<lb/>
ter&#x017F;cheid zu mercken i&#x017F;t unter andern &#x017F;u&#x0364;nden/ welche in einer an &#x017F;ich &#x017F;elbs bo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;en handlung be&#x017F;tehen/ daran alle &#x017F;u&#x0364;ndigen/ welche einiger ma&#x017F;&#x017F;en mit zu thun<lb/>
haben/ und unter dergleichen &#x017F;onntags-arbeit/ die in dem N. T. nicht anders<lb/>
verboten/ als &#x017F;ofern &#x017F;ie eine hindernu&#x0364;ß eines gebotenen guten i&#x017F;t/ de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;chuld auff denjenigen allein fa&#x0364;llet/ von dem &#x017F;olche hindernu&#x0364;ß eigenlich her-<lb/>
kommet/ demjenigen aber der gehindert wird/ nicht anklebet. Deßwegen<lb/>
5. weder no&#x0364;thig noch nu&#x0364;tzlich i&#x017F;t/ um &#x017F;olcher ur&#x017F;ach willen das amt zu <hi rendition="#aq">re&#x017F;igni-</hi><lb/>
ren/ oder durch beharrlichen wider&#x017F;tand &#x017F;ich in de&#x017F;&#x017F;en gefahr zu &#x017F;etzen/ und da-<lb/>
mit der gelegenheit vieles andern guten &#x017F;ich zu berauben.</p><lb/>
            <p>Der HERR aber gebe uns &#x017F;ein liecht &#x017F;elbs/ in allen dingen &#x017F;einen willen<lb/>
zu erkennen/ und neige un&#x017F;re hertzen dahin/ den&#x017F;elben zu vollbringen/ hingegen<lb/>
&#x017F;teure er auch allen a&#x0364;rgernu&#x017F;&#x017F;en. Jnsge&#x017F;amt bringe er un&#x017F;er aller &#x017F;eelen zu dem<lb/>
gei&#x017F;tlichen be&#x017F;ta&#x0364;ndigen &#x017F;abbath/ und innerlichen ruhe/ &#x017F;o wird &#x017F;ichs &#x017F;elbs<lb/>
leicht geben/ wie man auch den eu&#x017F;&#x017F;erlichen &#x017F;abbath recht GOtt gefa&#x0364;llig fey-<lb/>
ren mo&#x0364;ge/ bis es komme zu jenem ewigen &#x017F;abbath/ Amen:</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi> XIII.</hi><lb/>
Vom <hi rendition="#aq">Separati&#x017F;mo.</hi></hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">J</hi>Ch freue mich/ daß mein werther freund mehr und mehr erkennet/ wie<lb/>
einmal der <hi rendition="#aq">Separati&#x017F;mus</hi> gefa&#x0364;hrlicher &#x017F;eye/ als die begierde &#x017F;ich der ge-<lb/>
mein&#x017F;chafft der allgemeinen a&#x0364;rgernu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en zu entziehen/ dem&#x017F;elben er&#x017F;tlich<lb/>
einen &#x017F;tattlichen &#x017F;chein machet/ und wohl gute gemu&#x0364;ther leicht einnim&#x0303;et. Wie<lb/>
den&#x0303; ich fu&#x0364;r meine per&#x017F;on &#x017F;ta&#x0364;ts bey den gedancken bleibe/ die ich in meinem <hi rendition="#aq">tra-<lb/>
ct</hi>a&#x0364;tlein unter dem titul/ <hi rendition="#fr">der klagen u&#x0364;ber das verdorbene Chri&#x017F;tenthum<lb/>
gebrauch und mißbrauch/</hi> vorge&#x017F;tellt/ und alle trennung hertzlich wider-<lb/>
rathen/ hingegen wie wir zwahr des bo&#x0364;&#x017F;en uns nicht &#x017F;elbs mit &#x017F;chuldig zu<lb/>
machen/ aber da&#x017F;&#x017F;elbe/ was wir nicht zu a&#x0364;ndern vermo&#x0364;gen/ mit gedult lieber<lb/>
zu ertragen/ als davon zu fliehen haben/ hoffentlich mit gnug&#x017F;amen grunde<lb/>
dargethan habe: al&#x017F;o hoffe ich/ es werde die&#x017F;e wahr heit immer ihrer mehrern<lb/>
in die augen leuchten/ und &#x017F;onderlich unter&#x017F;chiedliche gute &#x017F;eelen/ welche auff<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ol-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0054] Das dritte Capitel. des ſonntags zum ſo offentlichen als abſonderlichen gottesdienſt anzuwen- den haͤtten/ auſſer dergleichen nothfall aber des gehorſams/ ſich der ſonntags- arbeit entſchlagen ſolten. Wo nun dieſes geſchehen 3. achte ich/ daß ein ſol- cher auffſeher ſein gewiſſen zur gnuͤge durch gethane erinnerung und bezeu- gung ſeines mißfallens gerettet habe/ und da es bey der obern befehl bleibet/ die er davon abzuhalten nicht vermag/ an denen aber alles/ was ſuͤndlich iſt in der ſache/ liget/ mag er die anſtalten geſchehen laſſen/ und ſo viel auff ihn kommet/ ſolche mit ordnen/ weil in ſolchem gedachter maſſen von denjenigen/ uͤber die er die auffſicht hat/ nichtgeſuͤndiget wird. Daher 4. der groſſe un- terſcheid zu mercken iſt unter andern ſuͤnden/ welche in einer an ſich ſelbs boͤ- ſen handlung beſtehen/ daran alle ſuͤndigen/ welche einiger maſſen mit zu thun haben/ und unter dergleichen ſonntags-arbeit/ die in dem N. T. nicht anders verboten/ als ſofern ſie eine hindernuͤß eines gebotenen guten iſt/ deſſen ſchuld auff denjenigen allein faͤllet/ von dem ſolche hindernuͤß eigenlich her- kommet/ demjenigen aber der gehindert wird/ nicht anklebet. Deßwegen 5. weder noͤthig noch nuͤtzlich iſt/ um ſolcher urſach willen das amt zu reſigni- ren/ oder durch beharrlichen widerſtand ſich in deſſen gefahr zu ſetzen/ und da- mit der gelegenheit vieles andern guten ſich zu berauben. Der HERR aber gebe uns ſein liecht ſelbs/ in allen dingen ſeinen willen zu erkennen/ und neige unſre hertzen dahin/ denſelben zu vollbringen/ hingegen ſteure er auch allen aͤrgernuſſen. Jnsgeſamt bringe er unſer aller ſeelen zu dem geiſtlichen beſtaͤndigen ſabbath/ und innerlichen ruhe/ ſo wird ſichs ſelbs leicht geben/ wie man auch den euſſerlichen ſabbath recht GOtt gefaͤllig fey- ren moͤge/ bis es komme zu jenem ewigen ſabbath/ Amen: SECTIO XIII. Vom Separatiſmo. JCh freue mich/ daß mein werther freund mehr und mehr erkennet/ wie einmal der Separatiſmus gefaͤhrlicher ſeye/ als die begierde ſich der ge- meinſchafft der allgemeinen aͤrgernuͤſſen zu entziehen/ demſelben erſtlich einen ſtattlichen ſchein machet/ und wohl gute gemuͤther leicht einnim̃et. Wie deñ ich fuͤr meine perſon ſtaͤts bey den gedancken bleibe/ die ich in meinem tra- ctaͤtlein unter dem titul/ der klagen uͤber das verdorbene Chriſtenthum gebrauch und mißbrauch/ vorgeſtellt/ und alle trennung hertzlich wider- rathen/ hingegen wie wir zwahr des boͤſen uns nicht ſelbs mit ſchuldig zu machen/ aber daſſelbe/ was wir nicht zu aͤndern vermoͤgen/ mit gedult lieber zu ertragen/ als davon zu fliehen haben/ hoffentlich mit gnugſamen grunde dargethan habe: alſo hoffe ich/ es werde dieſe wahr heit immer ihrer mehrern in die augen leuchten/ und ſonderlich unterſchiedliche gute ſeelen/ welche auff ſol-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/54
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/54>, abgerufen am 21.11.2024.