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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
türlichen gestalt der männlichen haare gleich kommen/ und keine weibische
zierde vorstellen/ nicht an. 4. Weil dann gedachter massen perruquen an sich
selbs mitteldinge sind/ so werden sie gut oder sündlich aus dem hertzen derje-
nigen/ die sie anlegen/ und den ursachen/ warum sie angenommen werden.
Unter allen solchen ursachen aber sehe ich keine unsträflicher als diejenige/ wo
man sie aus offenbahrer nothdurfft der gesundheit träget/ da nemlich entwe-
der das haupt allerdings der haare entblösset ist/ oder doch dessen beschaffen-
heit eine mehrere decke/ als das natürliche haar gibet/ erfordert. Jn solchem
fall halte ich dieselbe nicht nur vor erlaubt/ sondern daß sie ohne andere
gleichwichtige hindernüssen nicht unterlassen werden könten. 5. Wie nun/
was uns gesund oder nicht seye/ vornemlich von den Medicis solle verstanden
werden/ achte ich davor/ daß derjenige seinem gewissen auch am sichersten ra-
the/ der deroselben ausspruch/ ob ihm eine perruque nöthig/ wo er nicht ande-
re wichtige ursachen hat/ daß er derselben rath nicht beypflichten kan/ folget.
Jch meines orts bekenne/ daß ob mir wol von mehrern jahren einige Medici
einer perruque meldung gethan haben/ daß mich doch darzu nicht entschliessen
können/ aus der ursach/ weil ich das gegentheil sorge/ nemlich daß dieselbe
meinem kopff mehr schädlich als dienlich seyn möchte: indem meine gesund-
heit meines ermessens sonderlich in der stäten transspiration des gantzen lei-
bes/ so an dem haupt sonderlich durch die haar geschihet/ bestehet/ die ich ge-
hemmet zu werden fürchte/ wo eine perruque auffsetzte; dessen grund daher
nehme/ weil die haar unter der perruque bald grau werden/ und gleichsam
absterben/ da ich alsdann glaube/ die transspiration dadurch nicht mehr so be-
quem zu geschehen. Also suche ich die erhaltung meines haupts darinne/ oh-
ne perruque zu bleiben/ dabey mich bißher durch GOttes gnade wohl befun-
den habe/ und mich vor änderung förchte. Wie mich auch entsinne/ daß es
einige gereuet/ perruquen zugelegt zu haben/ und davor gehalten/ sie seyen
darnach den flüssen mehr unterworffen worden. Also wolle mein werther
Herr GOtt hertzlich anruffen/ seinem Medico und ihm wohl zu erkennen zu
geben/ ob ihm dergleichen gesund seye oder nicht/ so ich auch selbs denselben
wünsche/ dessen gewißheit zu haben: Jst aber solche frage richtig/ bedarffs
nicht/ sich weiter gewissen zu machen eine solche auffzusetzen. Der HErr a-
ber seye selbs dessen artzt und leben/ und erhalte sowol als stärcke seine leibs-
kräfften/ die ich weiß/ daß er willig seye/ mit aller treue zum dienst seines Got-
tes anzuwenden. 1696.

SECTIO XXVII.
Noch ein anders von tragen der Perruquen, so sich
auff das vorige beziehet.
Weil

Das dritte Capitel.
tuͤrlichen geſtalt der maͤnnlichen haare gleich kommen/ und keine weibiſche
zierde vorſtellen/ nicht an. 4. Weil dann gedachter maſſen perruquen an ſich
ſelbs mitteldinge ſind/ ſo werden ſie gut oder ſuͤndlich aus dem hertzen derje-
nigen/ die ſie anlegen/ und den urſachen/ warum ſie angenommen werden.
Unter allen ſolchen urſachen aber ſehe ich keine unſtraͤflicher als diejenige/ wo
man ſie aus offenbahrer nothdurfft der geſundheit traͤget/ da nemlich entwe-
der das haupt allerdings der haare entbloͤſſet iſt/ oder doch deſſen beſchaffen-
heit eine mehrere decke/ als das natuͤrliche haar gibet/ erfordert. Jn ſolchem
fall halte ich dieſelbe nicht nur vor erlaubt/ ſondern daß ſie ohne andere
gleichwichtige hindernuͤſſen nicht unterlaſſen werden koͤnten. 5. Wie nun/
was uns geſund oder nicht ſeye/ vornemlich von den Medicis ſolle verſtanden
werden/ achte ich davor/ daß derjenige ſeinem gewiſſen auch am ſicherſten ra-
the/ der deroſelben ausſpruch/ ob ihm eine perruque noͤthig/ wo er nicht ande-
re wichtige urſachen hat/ daß er derſelben rath nicht beypflichten kan/ folget.
Jch meines orts bekenne/ daß ob mir wol von mehrern jahren einige Medici
einer perruque meldung gethan haben/ daß mich doch darzu nicht entſchlieſſen
koͤnnen/ aus der urſach/ weil ich das gegentheil ſorge/ nemlich daß dieſelbe
meinem kopff mehr ſchaͤdlich als dienlich ſeyn moͤchte: indem meine geſund-
heit meines ermeſſens ſonderlich in der ſtaͤten transſpiration des gantzen lei-
bes/ ſo an dem haupt ſonderlich durch die haar geſchihet/ beſtehet/ die ich ge-
hemmet zu werden fuͤrchte/ wo eine perruque auffſetzte; deſſen grund daher
nehme/ weil die haar unter der perruque bald grau werden/ und gleichſam
abſterben/ da ich alsdann glaube/ die transſpiration dadurch nicht mehr ſo be-
quem zu geſchehen. Alſo ſuche ich die erhaltung meines haupts darinne/ oh-
ne perruque zu bleiben/ dabey mich bißher durch GOttes gnade wohl befun-
den habe/ und mich vor aͤnderung foͤrchte. Wie mich auch entſinne/ daß es
einige gereuet/ perruquen zugelegt zu haben/ und davor gehalten/ ſie ſeyen
darnach den fluͤſſen mehr unterworffen worden. Alſo wolle mein werther
Herr GOtt hertzlich anruffen/ ſeinem Medico und ihm wohl zu erkennen zu
geben/ ob ihm dergleichen geſund ſeye oder nicht/ ſo ich auch ſelbs denſelben
wuͤnſche/ deſſen gewißheit zu haben: Jſt aber ſolche frage richtig/ bedarffs
nicht/ ſich weiter gewiſſen zu machen eine ſolche auffzuſetzen. Der HErr a-
ber ſeye ſelbs deſſen artzt und leben/ und erhalte ſowol als ſtaͤrcke ſeine leibs-
kraͤfften/ die ich weiß/ daß er willig ſeye/ mit aller treue zum dienſt ſeines Got-
tes anzuwenden. 1696.

SECTIO XXVII.
Noch ein anders von tragen der Perruquen, ſo ſich
auff das vorige beziehet.
Weil
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[478/0486] Das dritte Capitel. tuͤrlichen geſtalt der maͤnnlichen haare gleich kommen/ und keine weibiſche zierde vorſtellen/ nicht an. 4. Weil dann gedachter maſſen perruquen an ſich ſelbs mitteldinge ſind/ ſo werden ſie gut oder ſuͤndlich aus dem hertzen derje- nigen/ die ſie anlegen/ und den urſachen/ warum ſie angenommen werden. Unter allen ſolchen urſachen aber ſehe ich keine unſtraͤflicher als diejenige/ wo man ſie aus offenbahrer nothdurfft der geſundheit traͤget/ da nemlich entwe- der das haupt allerdings der haare entbloͤſſet iſt/ oder doch deſſen beſchaffen- heit eine mehrere decke/ als das natuͤrliche haar gibet/ erfordert. Jn ſolchem fall halte ich dieſelbe nicht nur vor erlaubt/ ſondern daß ſie ohne andere gleichwichtige hindernuͤſſen nicht unterlaſſen werden koͤnten. 5. Wie nun/ was uns geſund oder nicht ſeye/ vornemlich von den Medicis ſolle verſtanden werden/ achte ich davor/ daß derjenige ſeinem gewiſſen auch am ſicherſten ra- the/ der deroſelben ausſpruch/ ob ihm eine perruque noͤthig/ wo er nicht ande- re wichtige urſachen hat/ daß er derſelben rath nicht beypflichten kan/ folget. Jch meines orts bekenne/ daß ob mir wol von mehrern jahren einige Medici einer perruque meldung gethan haben/ daß mich doch darzu nicht entſchlieſſen koͤnnen/ aus der urſach/ weil ich das gegentheil ſorge/ nemlich daß dieſelbe meinem kopff mehr ſchaͤdlich als dienlich ſeyn moͤchte: indem meine geſund- heit meines ermeſſens ſonderlich in der ſtaͤten transſpiration des gantzen lei- bes/ ſo an dem haupt ſonderlich durch die haar geſchihet/ beſtehet/ die ich ge- hemmet zu werden fuͤrchte/ wo eine perruque auffſetzte; deſſen grund daher nehme/ weil die haar unter der perruque bald grau werden/ und gleichſam abſterben/ da ich alsdann glaube/ die transſpiration dadurch nicht mehr ſo be- quem zu geſchehen. Alſo ſuche ich die erhaltung meines haupts darinne/ oh- ne perruque zu bleiben/ dabey mich bißher durch GOttes gnade wohl befun- den habe/ und mich vor aͤnderung foͤrchte. Wie mich auch entſinne/ daß es einige gereuet/ perruquen zugelegt zu haben/ und davor gehalten/ ſie ſeyen darnach den fluͤſſen mehr unterworffen worden. Alſo wolle mein werther Herr GOtt hertzlich anruffen/ ſeinem Medico und ihm wohl zu erkennen zu geben/ ob ihm dergleichen geſund ſeye oder nicht/ ſo ich auch ſelbs denſelben wuͤnſche/ deſſen gewißheit zu haben: Jſt aber ſolche frage richtig/ bedarffs nicht/ ſich weiter gewiſſen zu machen eine ſolche auffzuſetzen. Der HErr a- ber ſeye ſelbs deſſen artzt und leben/ und erhalte ſowol als ſtaͤrcke ſeine leibs- kraͤfften/ die ich weiß/ daß er willig ſeye/ mit aller treue zum dienſt ſeines Got- tes anzuwenden. 1696. SECTIO XXVII. Noch ein anders von tragen der Perruquen, ſo ſich auff das vorige beziehet. Weil

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/486>, abgerufen am 21.11.2024.