Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.ARTIC. I. SECTIO XXVII. SECTIO XXVII. Von der freyheit ohne privat-beicht und absoluti- on zum heiligen Abendmahl zu gehen. Was deßwegen in Berlin vorgegangen; mit anhängung einer in der sache gehaltenen Predigt. WAnn derselbe die wahre beschaffenheit/ was es vor eine bewandnüß die
ARTIC. I. SECTIO XXVII. SECTIO XXVII. Von der freyheit ohne privat-beicht und abſoluti- on zum heiligen Abendmahl zu gehen. Was deßwegen in Berlin vorgegangen; mit anhaͤngung einer in der ſache gehaltenen Predigt. WAnn derſelbe die wahre beſchaffenheit/ was es vor eine bewandnuͤß die
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ARTIC. I. SECTIO XXVII.
SECTIO XXVII.
Von der freyheit ohne privat-beicht und abſoluti-
on zum heiligen Abendmahl zu gehen. Was deßwegen
in Berlin vorgegangen; mit anhaͤngung einer in der ſache
gehaltenen Predigt.
WAnn derſelbe die wahre beſchaffenheit/ was es vor eine bewandnuͤß
habe mit dem Chur-Fuͤrſtlichen deciſo wegen freyheit des beicht-
ſtuhls/ weil in ihrer gegend ſo unterſchiedlich davon geredet werde/
von mir verlanget zu wiſſen/ iſt mir lieb/ die gelegenheit zu haben/ die wahre
beſchaffenheit und ordnung des gantzen geſchaͤfftes mitzutheilen/ der guten
zuverſicht/ derſelbe werde auch andern ſo viel nachricht/ als jedwedem noͤthig/
und die rettung der unſchuld einiger leute erfordert/ zu ertheilen willig ſeyn.
So verhaͤlt ſichs nun alſo: wie unſer nun ſeeliger Herr M. Johann Ca-
ſpar Schade ein treuer diener Gottes bey uns geweſen/ deſſen amt Gott
auch an ſo vielen ſeelen/ von alten und jungen/ zu dero bekehrung ſo reichlich/
als kaum einiges andern/ geſegnet hat/ alſo hat ihn auch bald vom anfang
des antrits nichts mehr geaͤngſtet/ als die verwaltung des beicht-ſtuhls/ die
in gegenwaͤrtigem zuſtand unſerer zeit die gemeinſte marter iſt aller treuen
diener des HErren/ daß ſie viele anfechtung davon ausſtehen. Er hatte
aber ſeine ſcrupul nicht uͤber den beicht-ſtuhl ſelbs/ ſondern/ daß er allen/ die
zu der beicht kaͤmen/ die hand aufflegen/ und die abſolution ſprechen ſol-
te/ da er nicht gelegenheit haͤtte/ ihre wuͤrdigkeit zu beruhigung ſeines
gewiſſens recht zu pruͤffen/ ja nach dem er allgemach viele ſeiner beicht-kinder
kennen gelernet/ an deroſelben wuͤrdigkeit ſtarck zu zweiffeln urſach zu haben
meinte. Dieſe angſt nahm/ ohngeachtet alles/ womit er ſelbs und durch un-
ſern zuſpruch ſich auffzurichten meinte/ immer zu/ ſo viel mehr als die zahl
ſeiner beicht-kinder ſich algemach mehrte/ und er auch dieſelbe mehr und
mehr kennen lernete. Zwahr trachtete er ſich nach muͤglichkeit darhin zu be-
ſtreben/ daß er an denen/ die er erkennete/ nichts verſaͤumete/ wohin nicht
allein ſeine oͤffentliche amts-verrichtungen/ ſondern auch in ſeinem hauſſe
mit alten und jungen angeſtelte examina, hauß-beſuchungen ſeiner beicht-kin-
der/ ſonderlich daß er die ſich ſonnabend anmelden wolten/ vorhin freytags
zu ſich kommen laſſen/ und ſie vorbereitete/ und andre dergleichen uͤbungen/
abzieleten: dabey andre meiſte nicht nur gnug/ ſondern auch ein uͤbriges ge-
than zu haben gedacht haͤtten. Doch wolte ſeine angſt ſich nicht legen/ die
ſchon allemal freytags anfieng/ nicht allein den ſonnabend/ ſondern auch wei-
ter/ waͤhrte/ daß er manchmal die nacht auf den ſonntag an ſtatt ſchlaffens/
mit lauter jam̃ern und ſeuffzen zubrachte/ uñ mit gantz geſchwaͤchten kraͤfften
die
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