Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite
SECTIO XIV.
liebe/ und ist so wol in dem krieg davor rechenschafft zu geben schuldig/ als
ausser demselben.
15. Weil aber man von solchen regeln in dem krieg kaum höret/ ja krie-
ges-leute/ wo man sie dazu obligiren wolte/ ein solches vor die höchste alber-
keit achten würden/ so bekenne/ wie ich das kriege-führen an sich selbs dem gött-
lichen gesetz auf obige maaß nicht zuwider achte/ daß doch in der heutigen krie-
ges-art kaum etwas finde/ weder was die ursachen des krieges/ noch die art
der werbungen/ noch die weise/ wie mit freunden und feinden umgegangen zu
werden pflegt/ anlangt/ so ich zu billigen getraute/ sondern sorge/ wie ich
weiß/ daß ein soldat einem prediger geantwortet hat/ ein soldat seye die um-
gekehrte zehen gebot/ unsre kriege insgesamt in hypothesi, und nach der[o]
art/ seyen dem HErrn ein greuel/ und wol das schrecklichste übel/ ja in gewis-
ser maaß ärger als sie von den Türcken geführet werden. Daher alle/ die ihr
gewissen lieb haben/ so viel möglich ist/ davon abzurathen sind.
16. Jndessen muß der schreckliche mißbrauch die sache nicht selbs gar
auff heben/ und wo der Autor nicht vielleicht auff denselben/ und also die krie-
ge/ wie man sie vor augen hat/ allein gesehen/ sondern auch in thesi die kriege
in sich dem gesetz der liebe entgegen zustreiten gemeinet hat (wo also Gott auch
dieselbe nicht in dem A. T. würde befohlen haben) kan ich so fern seiner mei-
nung nicht mit unterschreiben.
17. Jndessen könte er um solcher seiner meinung willen/ sonderlich da er
dieselbe mit gewalt anderer gewissen nicht aufftringet/ nicht härter tractiret
werden. Jndem er vor sich aus der alten kirchen unterschiedliche dero väter
anführen kan/ welche sehr hart wider die kriege geredet/ und solche einigen
Christen nicht wol verstattet haben. Wie wir denn an solchen tragen/ was
wir nicht eben loben/ und ihrer guten meinung/ da sie die gebotene liebe zu
weit ausdähnen wollen/ etwas zu gut halten/ so mag auch dergleichen an ei-
nem mann/ der sonsten die wahrheit GOttes rein behält/ mit gedult getra-
gen werden; wiewohl ich hoffe/ was angeführet habe/ vielleicht auch das ge-
müth anders lencken möchte.
II.
Von erfüllung des gesetzes.

1. WEnn von haltung der gebote GOttes geredet/ und auff die frage/ ob sie
müglich seye/ schlechter dinges mit nein/ oder gar keines weges nicht
geantwortet wird/ läugne ich nicht/ daß ich allezeit darüber erschrecke. Denn
1. ist solches der phrasi des Heil. Geistes austrücklich entgegen/ der nirgend
mit so deutlichen worten sagt/ daß wir sie nicht halten können/ wie er
hingegen bekennet/ daß die gläubige sie halten/ wie wir sehen 1. Joh. 2/ 3. 4.

2. Jst
3/ 22. 5/ 3. K 2
SECTIO XIV.
liebe/ und iſt ſo wol in dem krieg davor rechenſchafft zu geben ſchuldig/ als
auſſer demſelben.
15. Weil aber man von ſolchen regeln in dem krieg kaum hoͤret/ ja krie-
ges-leute/ wo man ſie dazu obligiren wolte/ ein ſolches vor die hoͤchſte alber-
keit achten wuͤrden/ ſo bekeñe/ wie ich das kriege-fuͤhren an ſich ſelbs dem goͤtt-
lichen geſetz auf obige maaß nicht zuwider achte/ daß doch in der heutigen krie-
ges-art kaum etwas finde/ weder was die urſachen des krieges/ noch die art
der werbungen/ noch die weiſe/ wie mit freunden und feinden umgegangen zu
werden pflegt/ anlangt/ ſo ich zu billigen getraute/ ſondern ſorge/ wie ich
weiß/ daß ein ſoldat einem prediger geantwortet hat/ ein ſoldat ſeye die um-
gekehrte zehen gebot/ unſre kriege insgeſamt in hypotheſi, und nach der[o]
art/ ſeyen dem HErrn ein greuel/ und wol das ſchrecklichſte uͤbel/ ja in gewiſ-
ſer maaß aͤrger als ſie von den Tuͤrcken gefuͤhret werden. Daher alle/ die ihr
gewiſſen lieb haben/ ſo viel moͤglich iſt/ davon abzurathen ſind.
16. Jndeſſen muß der ſchreckliche mißbrauch die ſache nicht ſelbs gar
auff heben/ und wo der Autor nicht vielleicht auff denſelben/ und alſo die krie-
ge/ wie man ſie vor augen hat/ allein geſehen/ ſondern auch in theſi die kriege
in ſich dem geſetz der liebe entgegen zuſtreiten gemeinet hat (wo alſo Gott auch
dieſelbe nicht in dem A. T. wuͤrde befohlen haben) kan ich ſo fern ſeiner mei-
nung nicht mit unterſchreiben.
17. Jndeſſen koͤnte er um ſolcher ſeiner meinung willen/ ſonderlich da er
dieſelbe mit gewalt anderer gewiſſen nicht aufftringet/ nicht haͤrter tractiret
werden. Jndem er vor ſich aus der alten kirchen unterſchiedliche dero vaͤter
anfuͤhren kan/ welche ſehr hart wider die kriege geredet/ und ſolche einigen
Chriſten nicht wol verſtattet haben. Wie wir denn an ſolchen tragen/ was
wir nicht eben loben/ und ihrer guten meinung/ da ſie die gebotene liebe zu
weit ausdaͤhnen wollen/ etwas zu gut halten/ ſo mag auch dergleichen an ei-
nem mann/ der ſonſten die wahrheit GOttes rein behaͤlt/ mit gedult getra-
gen werden; wiewohl ich hoffe/ was angefuͤhret habe/ vielleicht auch das ge-
muͤth anders lencken moͤchte.
II.
Von erfuͤllung des geſetzes.

1. WEnn von haltung der gebote GOttes geredet/ und auff die frage/ ob ſie
muͤglich ſeye/ ſchlechter dinges mit nein/ oder gar keines weges nicht
geantwortet wird/ laͤugne ich nicht/ daß ich allezeit daruͤber erſchrecke. Denn
1. iſt ſolches der phraſi des Heil. Geiſtes austruͤcklich entgegen/ der nirgend
mit ſo deutlichen worten ſagt/ daß wir ſie nicht halten koͤnnen/ wie er
hingegen bekennet/ daß die glaͤubige ſie halten/ wie wir ſehen 1. Joh. 2/ 3. 4.

2. Jſt
3/ 22. 5/ 3. K 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <list>
                <item><pb facs="#f0091" n="75"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO XIV</hi>.</hi></hi></fw><lb/>
liebe/ und i&#x017F;t &#x017F;o wol in dem krieg davor rechen&#x017F;chafft zu geben &#x017F;chuldig/ als<lb/>
au&#x017F;&#x017F;er dem&#x017F;elben.</item><lb/>
                <item>15. Weil aber man von &#x017F;olchen regeln in dem krieg kaum ho&#x0364;ret/ ja krie-<lb/>
ges-leute/ wo man &#x017F;ie dazu <hi rendition="#aq">obligi</hi>ren wolte/ ein &#x017F;olches vor die ho&#x0364;ch&#x017F;te alber-<lb/>
keit achten wu&#x0364;rden/ &#x017F;o beken&#x0303;e/ wie ich das kriege-fu&#x0364;hren an &#x017F;ich &#x017F;elbs dem go&#x0364;tt-<lb/>
lichen ge&#x017F;etz auf obige maaß nicht zuwider achte/ daß doch in der heutigen krie-<lb/>
ges-art kaum etwas finde/ weder was die ur&#x017F;achen des krieges/ noch die art<lb/>
der werbungen/ noch die wei&#x017F;e/ wie mit freunden und feinden umgegangen zu<lb/>
werden pflegt/ anlangt/ &#x017F;o ich zu billigen getraute/ &#x017F;ondern &#x017F;orge/ wie ich<lb/>
weiß/ daß ein &#x017F;oldat einem prediger geantwortet hat/ ein &#x017F;oldat &#x017F;eye die um-<lb/>
gekehrte zehen gebot/ un&#x017F;re kriege insge&#x017F;amt in <hi rendition="#aq">hypothe&#x017F;i,</hi> und nach der<supplied>o</supplied><lb/>
art/ &#x017F;eyen dem HErrn ein greuel/ und wol das &#x017F;chrecklich&#x017F;te u&#x0364;bel/ ja in gewi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er maaß a&#x0364;rger als &#x017F;ie von den Tu&#x0364;rcken gefu&#x0364;hret werden. Daher alle/ die ihr<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en lieb haben/ &#x017F;o viel mo&#x0364;glich i&#x017F;t/ davon abzurathen &#x017F;ind.</item><lb/>
                <item>16. Jnde&#x017F;&#x017F;en muß der &#x017F;chreckliche mißbrauch die &#x017F;ache nicht &#x017F;elbs gar<lb/>
auff heben/ und wo der <hi rendition="#aq">Autor</hi> nicht vielleicht auff den&#x017F;elben/ und al&#x017F;o die krie-<lb/>
ge/ wie man &#x017F;ie vor augen hat/ allein ge&#x017F;ehen/ &#x017F;ondern auch in <hi rendition="#aq">the&#x017F;i</hi> die kriege<lb/>
in &#x017F;ich dem ge&#x017F;etz der liebe entgegen zu&#x017F;treiten gemeinet hat (wo al&#x017F;o Gott auch<lb/>
die&#x017F;elbe nicht in dem A. T. wu&#x0364;rde befohlen haben) kan ich &#x017F;o fern &#x017F;einer mei-<lb/>
nung nicht mit unter&#x017F;chreiben.</item><lb/>
                <item>17. Jnde&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nte er um &#x017F;olcher &#x017F;einer meinung willen/ &#x017F;onderlich da er<lb/>
die&#x017F;elbe mit gewalt anderer gewi&#x017F;&#x017F;en nicht aufftringet/ nicht ha&#x0364;rter <hi rendition="#aq">tracti</hi>ret<lb/>
werden. Jndem er vor &#x017F;ich aus der alten kirchen unter&#x017F;chiedliche dero va&#x0364;ter<lb/>
anfu&#x0364;hren kan/ welche &#x017F;ehr hart wider die kriege geredet/ und &#x017F;olche einigen<lb/>
Chri&#x017F;ten nicht wol ver&#x017F;tattet haben. Wie wir denn an &#x017F;olchen tragen/ was<lb/>
wir nicht eben loben/ und ihrer guten meinung/ da &#x017F;ie die gebotene liebe zu<lb/>
weit ausda&#x0364;hnen wollen/ etwas zu gut halten/ &#x017F;o mag auch dergleichen an ei-<lb/>
nem mann/ der &#x017F;on&#x017F;ten die wahrheit GOttes rein beha&#x0364;lt/ mit gedult getra-<lb/>
gen werden; wiewohl ich hoffe/ was angefu&#x0364;hret habe/ vielleicht auch das ge-<lb/>
mu&#x0364;th anders lencken mo&#x0364;chte.</item>
              </list>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">II</hi>.</hi><lb/>
Von erfu&#x0364;llung des ge&#x017F;etzes.</hi> </head><lb/>
              <p>1. <hi rendition="#in">W</hi>Enn von haltung der gebote GOttes geredet/ und auff die frage/ ob &#x017F;ie<lb/>
mu&#x0364;glich &#x017F;eye/ &#x017F;chlechter dinges mit <hi rendition="#fr">nein/</hi> oder gar <hi rendition="#fr">keines weges nicht</hi><lb/>
geantwortet wird/ la&#x0364;ugne ich nicht/ daß ich allezeit daru&#x0364;ber er&#x017F;chrecke. Denn<lb/>
1. i&#x017F;t &#x017F;olches der <hi rendition="#aq">phra&#x017F;i</hi> des Heil. Gei&#x017F;tes austru&#x0364;cklich entgegen/ der nirgend<lb/>
mit &#x017F;o deutlichen worten &#x017F;agt/ daß wir &#x017F;ie nicht halten ko&#x0364;nnen/ wie er<lb/>
hingegen bekennet/ daß die gla&#x0364;ubige &#x017F;ie halten/ wie wir &#x017F;ehen 1. <hi rendition="#fr">Joh.</hi> 2/ 3. 4.</p><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">3/ 22. 5/ 3. K 2</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">2. J&#x017F;t</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0091] SECTIO XIV. liebe/ und iſt ſo wol in dem krieg davor rechenſchafft zu geben ſchuldig/ als auſſer demſelben. 15. Weil aber man von ſolchen regeln in dem krieg kaum hoͤret/ ja krie- ges-leute/ wo man ſie dazu obligiren wolte/ ein ſolches vor die hoͤchſte alber- keit achten wuͤrden/ ſo bekeñe/ wie ich das kriege-fuͤhren an ſich ſelbs dem goͤtt- lichen geſetz auf obige maaß nicht zuwider achte/ daß doch in der heutigen krie- ges-art kaum etwas finde/ weder was die urſachen des krieges/ noch die art der werbungen/ noch die weiſe/ wie mit freunden und feinden umgegangen zu werden pflegt/ anlangt/ ſo ich zu billigen getraute/ ſondern ſorge/ wie ich weiß/ daß ein ſoldat einem prediger geantwortet hat/ ein ſoldat ſeye die um- gekehrte zehen gebot/ unſre kriege insgeſamt in hypotheſi, und nach dero art/ ſeyen dem HErrn ein greuel/ und wol das ſchrecklichſte uͤbel/ ja in gewiſ- ſer maaß aͤrger als ſie von den Tuͤrcken gefuͤhret werden. Daher alle/ die ihr gewiſſen lieb haben/ ſo viel moͤglich iſt/ davon abzurathen ſind. 16. Jndeſſen muß der ſchreckliche mißbrauch die ſache nicht ſelbs gar auff heben/ und wo der Autor nicht vielleicht auff denſelben/ und alſo die krie- ge/ wie man ſie vor augen hat/ allein geſehen/ ſondern auch in theſi die kriege in ſich dem geſetz der liebe entgegen zuſtreiten gemeinet hat (wo alſo Gott auch dieſelbe nicht in dem A. T. wuͤrde befohlen haben) kan ich ſo fern ſeiner mei- nung nicht mit unterſchreiben. 17. Jndeſſen koͤnte er um ſolcher ſeiner meinung willen/ ſonderlich da er dieſelbe mit gewalt anderer gewiſſen nicht aufftringet/ nicht haͤrter tractiret werden. Jndem er vor ſich aus der alten kirchen unterſchiedliche dero vaͤter anfuͤhren kan/ welche ſehr hart wider die kriege geredet/ und ſolche einigen Chriſten nicht wol verſtattet haben. Wie wir denn an ſolchen tragen/ was wir nicht eben loben/ und ihrer guten meinung/ da ſie die gebotene liebe zu weit ausdaͤhnen wollen/ etwas zu gut halten/ ſo mag auch dergleichen an ei- nem mann/ der ſonſten die wahrheit GOttes rein behaͤlt/ mit gedult getra- gen werden; wiewohl ich hoffe/ was angefuͤhret habe/ vielleicht auch das ge- muͤth anders lencken moͤchte. II. Von erfuͤllung des geſetzes. 1. WEnn von haltung der gebote GOttes geredet/ und auff die frage/ ob ſie muͤglich ſeye/ ſchlechter dinges mit nein/ oder gar keines weges nicht geantwortet wird/ laͤugne ich nicht/ daß ich allezeit daruͤber erſchrecke. Denn 1. iſt ſolches der phraſi des Heil. Geiſtes austruͤcklich entgegen/ der nirgend mit ſo deutlichen worten ſagt/ daß wir ſie nicht halten koͤnnen/ wie er hingegen bekennet/ daß die glaͤubige ſie halten/ wie wir ſehen 1. Joh. 2/ 3. 4. 2. Jſt 3/ 22. 5/ 3. K 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/91
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/91>, abgerufen am 21.11.2024.