Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das andere Capitel. SECTIO XXIIX. Nochmalige antwort über solchen casum. DEsselbigen bißherige ungelegenheit mit den zuhörern betreffend wünsche rer
Das andere Capitel. SECTIO XXIIX. Nochmalige antwort uͤber ſolchen caſum. DEſſelbigen bißherige ungelegenheit mit den zuhoͤrern betreffend wuͤnſche rer
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Das andere Capitel.
SECTIO XXIIX.
Nochmalige antwort uͤber ſolchen caſum.
DEſſelbigen bißherige ungelegenheit mit den zuhoͤrern betreffend wuͤnſche
ich hertzlich/ daß von beyden ſeiten alles anders gefuͤhrt worden waͤre.
Was die zuhoͤrer bißher gethan/ kan ich nicht alles juſtificiren/ wiewol
ich ſie auch nicht daruͤber gehoͤret. Aber eben ſo wenig kan ich des Hrn Pfarr-
herrn-actiones aus dem jenigen/ was er mir ſelber ſo offt geſchrieben/ billigen/
und finde wahrhafftig ſelbs darinnen ein groſſes ſtuͤck der urſach der widerſpenſtig-
keit der zuhoͤrer. Jch rede hierinnen/ wie ichs in meiner ſeele habe/ und wie ich
erkenne die verbindlichkeit/ die da zwiſchen Predigern und zuhoͤrern iſt. Da lieget
freylich zum grunde/ daß zuhoͤrer ihren Predigern geherſam ſchuldig ſind: aber
allein in den jenigen dingen/ welche ſie in GOttes nahmen ihren zuhoͤrern vorzu-
ſchreiben und zu befehlen haben/ und alſo welche von Gott geboten ſind. Hierin-
nen muͤſſen ſie folgen/ und gegen dieſe gebote/ wie ich mit grund ausgefuͤhret ha-
be/ gilt weder bloſſer fleiſches wille/ noch andre exempel/ noch alle gewohnheit/
weil die regel Gottes worts vor augen lieget. Viel andre bewandnuͤß aber hat
es mit andern dingen/ welche Prediger aus eignem gut befinden/ vor nuͤtzlich zu er-
bauung achten/ dahin die neue ceremonien gehoͤren/ dieſe haben die Prediger
den kirchkindern nicht bloß dahin zubefehlen/ noch einen ſolchen gehorſam von ih-
nen zu fordern/ ſondern ſie haben dieſelbe zu rathen/ und zu verſuchen/ ob ſie
jene mit guten willen dazu perſvadiren koͤnnen/ geſchiehet ſolches/ ſo moͤgen ſie ſich
derſelben gebrauchen/ ſo lange jene damit zu frieden ſind. Wollen ſie aber nicht/
ſo haben die Prediger wahrhafftig die macht nicht/ die zuhoͤrer dahin zu noͤtigen/
oder einen goͤttlichen gehorſam von ihnen zu fordern/ dann es ſtehet in gewiſſer
maaß in ihren willen/ ob ſie dergleichen annehmen wollen/ wie alle dinge/ wel-
che mir einer anmuthet/ der mir ſolche nicht zubefehlen macht hat: und faͤllet alſo
in ſolchen caſu die ſo hoch auffgemutzte beſchuldigung des ungehorſams. Viel-
mehr ſolle ein chriſtlicher Prediger/ dem es um die ſeelen ſeiner zuhoͤrer kluͤglich
zu thun iſt/ ſo bald er ſiehet/ daß er mit liebe nicht ausrichten kan/ daß das jeni-
ge/ was er in ſolchen mitteldingen gerne haͤtte/ von der gemeinde willig auffge-
nommen werde/ von freyen ſtuͤcken von ſeinem begehren abſtehen/ damit er nicht
gelegenheit gebe/ zu deroſelben mehrere verſuͤndigungen/ und er alſo ihrer mit einer
lection ſchonen welche um ſolche zeit ihnen gleichſam zu ſchwer waͤre. Daher laſ-
ſe ich gelten/ daß ſich des Herrn Pfarrherrn zuhoͤrer moͤgen ſchwerlich verſuͤndiget
haben/ nicht ſo wol in eigentlichem ungehorſam/ dann in der ſache/ worin ſie
ihm nachdem rigore nicht ſchuldig zugehorchen/ iſt kein eigentlicher ungehorſam/
als vielmehr mit verletzung der liebe/ und ehrerbietung gegen denſelben/ da zuhoͤ-
rer
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