Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.ARTIC. IV. SECT. I. die thür wiederum auffgethan wird. Hieraus möchte ein unverständigerschliessen/ weil ich dem gesetz die bekehrung abspreche/ und sie dem Evangelio allein zuschreibe/ da ja die busse zu der bekehrung gehöre/ so müsse ich das Evan- gelium auch zu einer bußpredigt machen: aber es wäre dieses gewiß der schluß eines unverständigen. Dann ich habe bereits gezeiget/ wie fern die buß zu der bekehrung/ was auch in derselben zu dem gesetz gehöre/ nemlich die reue/ da hin- gegen das Evangelium den glauben geben/ und die reue heilsam machen muß/ damit die bekehrung recht geschehe. So werden beyderseits ämter schön in der Form. Conc. ausgedruckt f. 289. a. Solche beyde lehren (gesetz und Evan- gelium) glauben und bekennen wir/ daß sie für und für/ biß an das ende der welt fleißig/ doch mit gehörtem guten unterscheid in der Kirchen GOttes zu treiben seyn/ darmit durch die predigt des gesetzes und des- selben drauung im amt des N. T. die hertzen der unbußfertigen menschen geschrecket/ und zur erkäntnüß ihrer sünden/ und zur busse gebracht/ aber nicht also/ daß sie darinnen verzagen/ und verzweiflen/ sondern weil das gesetz ein zuchtmeister auff Christum/ daß wir durch den glau- ben gerecht werden/ Gal. 3. und also nicht von Christo/ sondern auff Christum/ der des gesetzes ende ist/ weiset und führet/ Rom. 10. daß si[e] durch die predigt des H. Evangelii von unserm HErrn Christo wieder- um also getröstet/ u. f. w. Wo wir also sehen/ wie diese beyde theile de[s] göttlichen worts neben einander stehen/ aber das gesetz nichts weiter thun könne/ als uns zu Christo treiben/ bey dem wir allein die wahre bekehrung und seligkeit finden. Also bleibets dabey/ daß diese lehr den Symbolischen büchern nicht zu wider seye. Die III. Frage. Ob derjenige/ welcher saget/ daß kein mensch durchs blosse gesetz bekehret werde/ könne vor einen Qväcker/ Enthusiasten und neuen phantasten coram facie Ecclesiae ausgeruffen werden? NAchdem bey voriger frage erwiesen worden/ daß solche lehr allerdings mit b 2
ARTIC. IV. SECT. I. die thuͤr wiederum auffgethan wird. Hieraus moͤchte ein unverſtaͤndigerſchlieſſen/ weil ich dem geſetz die bekehrung abſpreche/ und ſie dem Evangelio allein zuſchreibe/ da ja die buſſe zu der bekehrung gehoͤre/ ſo muͤſſe ich das Evan- gelium auch zu einer bußpredigt machen: aber es waͤre dieſes gewiß der ſchluß eines unverſtaͤndigen. Dann ich habe bereits gezeiget/ wie fern die buß zu der bekehrung/ was auch in derſelben zu dem geſetz gehoͤre/ nemlich die reue/ da hin- gegen das Evangelium den glauben geben/ und die reue heilſam machen muß/ damit die bekehrung recht geſchehe. So werden beyderſeits aͤmter ſchoͤn in der Form. Conc. ausgedruckt f. 289. a. Solche beyde lehren (geſetz und Evan- gelium) glauben und bekennen wir/ daß ſie fuͤr und fuͤr/ biß an das ende der welt fleißig/ doch mit gehoͤrtem guten unterſcheid in der Kirchen GOttes zu treiben ſeyn/ darmit durch die predigt des geſetzes und deſ- ſelben drauung im amt des N. T. die hertzen der unbußfertigen menſchen geſchrecket/ und zur erkaͤntnuͤß ihrer ſuͤnden/ und zur buſſe gebracht/ aber nicht alſo/ daß ſie darinnen verzagen/ und verzweiflen/ ſondern weil das geſetz ein zuchtmeiſter auff Chriſtum/ daß wir durch den glau- ben gerecht werden/ Gal. 3. und alſo nicht von Chriſto/ ſondern auff Chriſtum/ der des geſetzes ende iſt/ weiſet und fuͤhret/ Rom. 10. daß ſi[e] durch die predigt des H. Evangelii von unſerm HErrn Chriſto wieder- um alſo getroͤſtet/ u. f. w. Wo wir alſo ſehen/ wie dieſe beyde theile de[s] goͤttlichen worts neben einander ſtehen/ aber das geſetz nichts weiter thun koͤnne/ als uns zu Chriſto treiben/ bey dem wir allein die wahre bekehrung und ſeligkeit finden. Alſo bleibets dabey/ daß dieſe lehr den Symboliſchen buͤchern nicht zu wider ſeye. Die III. Frage. Ob derjenige/ welcher ſaget/ daß kein menſch durchs bloſſe geſetz bekehret werde/ koͤnne vor einen Qvaͤcker/ Enthuſiaſten und neuen phantaſten coram facie Eccleſiæ ausgeruffen werden? NAchdem bey voriger frage erwieſen worden/ daß ſolche lehr allerdings mit b 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0811" n="11"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ARTIC</hi>. IV. <hi rendition="#g">SECT</hi>. I.</hi></hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">die thuͤr wiederum auffgethan wird.</hi> Hieraus moͤchte ein unverſtaͤndiger<lb/> ſchlieſſen/ weil ich dem geſetz die bekehrung abſpreche/ und ſie dem Evangelio<lb/> allein zuſchreibe/ da ja die buſſe zu der bekehrung gehoͤre/ ſo muͤſſe ich das Evan-<lb/> gelium auch zu einer bußpredigt machen: aber es waͤre dieſes gewiß der ſchluß<lb/> eines unverſtaͤndigen. Dann ich habe bereits gezeiget/ wie fern die buß zu der<lb/> bekehrung/ was auch in derſelben zu dem geſetz gehoͤre/ nemlich die reue/ da hin-<lb/> gegen das Evangelium den glauben geben/ und die reue heilſam machen muß/<lb/> damit die bekehrung recht geſchehe. So werden beyderſeits aͤmter ſchoͤn in der<lb/><hi rendition="#aq">Form. Conc.</hi> ausgedruckt <hi rendition="#aq">f. 289. a.</hi> <hi rendition="#fr">Solche beyde lehren (geſetz und Evan-<lb/> gelium) glauben und bekennen wir/ daß ſie fuͤr und fuͤr/ biß an das ende<lb/> der welt fleißig/ doch mit gehoͤrtem guten unterſcheid in der Kirchen<lb/> GOttes zu treiben ſeyn/ darmit durch die predigt des geſetzes und deſ-<lb/> ſelben drauung im amt des N. T. die hertzen der unbußfertigen menſchen<lb/> geſchrecket/ und zur erkaͤntnuͤß ihrer ſuͤnden/ und zur buſſe gebracht/<lb/> aber nicht alſo/ daß ſie darinnen verzagen/ und verzweiflen/ ſondern<lb/> weil das geſetz ein zuchtmeiſter auff Chriſtum/ daß wir durch den glau-<lb/> ben gerecht werden/ Gal. 3. und alſo nicht von Chriſto/ ſondern auff<lb/> Chriſtum/ der des geſetzes ende iſt/ weiſet und fuͤhret/ Rom. 10. daß ſi<supplied>e</supplied><lb/> durch die predigt des H. Evangelii von unſerm HErrn Chriſto wieder-<lb/> um alſo getroͤſtet/</hi> u. f. w. Wo wir alſo ſehen/ wie dieſe beyde theile de<supplied>s</supplied><lb/> goͤttlichen worts neben einander ſtehen/ aber das geſetz nichts weiter thun koͤnne/<lb/> als uns zu Chriſto treiben/ bey dem wir allein die wahre bekehrung und ſeligkeit<lb/> finden. Alſo bleibets dabey/ daß dieſe lehr den Symboliſchen buͤchern nicht zu<lb/> wider ſeye.</p> </div><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#fr">Die</hi> <hi rendition="#aq">III.</hi> <hi rendition="#fr">Frage.<lb/> Ob derjenige/ welcher ſaget/ daß kein menſch<lb/> durchs bloſſe geſetz bekehret werde/ koͤnne vor einen Qvaͤcker/<lb/> Enthuſiaſten und neuen phantaſten</hi> <hi rendition="#aq">coram facie<lb/> Eccleſiæ</hi> <hi rendition="#fr">ausgeruffen werden?</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">N</hi>Achdem bey voriger frage erwieſen worden/ daß ſolche lehr allerdings<lb/> wahr ſeye/ ſo folget vor ſich ſelbs/ daß die ſolche lehr treiben/ ſich da-<lb/> mit den irrglaͤubigen nicht zugeſellen. Und wo ſie/ wie von mir ge-<lb/> ſchiehet/ das Evangelium/ nemlich das geſchriebene und gepredigte wort/ vor<lb/> das wahre kraͤfftige mittel der bekehrung/ des glaubens und der ſeligkeit hal-<lb/> ten/ und alſo dieſe guͤter nicht aus einer unmittelbahren und von der innerlichen<lb/> krafft des worts unterſchiedene offenbahrung erwarten/ ſo ſondern ſie ſich da-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">b 2</fw><fw place="bottom" type="catch">mit</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [11/0811]
ARTIC. IV. SECT. I.
die thuͤr wiederum auffgethan wird. Hieraus moͤchte ein unverſtaͤndiger
ſchlieſſen/ weil ich dem geſetz die bekehrung abſpreche/ und ſie dem Evangelio
allein zuſchreibe/ da ja die buſſe zu der bekehrung gehoͤre/ ſo muͤſſe ich das Evan-
gelium auch zu einer bußpredigt machen: aber es waͤre dieſes gewiß der ſchluß
eines unverſtaͤndigen. Dann ich habe bereits gezeiget/ wie fern die buß zu der
bekehrung/ was auch in derſelben zu dem geſetz gehoͤre/ nemlich die reue/ da hin-
gegen das Evangelium den glauben geben/ und die reue heilſam machen muß/
damit die bekehrung recht geſchehe. So werden beyderſeits aͤmter ſchoͤn in der
Form. Conc. ausgedruckt f. 289. a. Solche beyde lehren (geſetz und Evan-
gelium) glauben und bekennen wir/ daß ſie fuͤr und fuͤr/ biß an das ende
der welt fleißig/ doch mit gehoͤrtem guten unterſcheid in der Kirchen
GOttes zu treiben ſeyn/ darmit durch die predigt des geſetzes und deſ-
ſelben drauung im amt des N. T. die hertzen der unbußfertigen menſchen
geſchrecket/ und zur erkaͤntnuͤß ihrer ſuͤnden/ und zur buſſe gebracht/
aber nicht alſo/ daß ſie darinnen verzagen/ und verzweiflen/ ſondern
weil das geſetz ein zuchtmeiſter auff Chriſtum/ daß wir durch den glau-
ben gerecht werden/ Gal. 3. und alſo nicht von Chriſto/ ſondern auff
Chriſtum/ der des geſetzes ende iſt/ weiſet und fuͤhret/ Rom. 10. daß ſie
durch die predigt des H. Evangelii von unſerm HErrn Chriſto wieder-
um alſo getroͤſtet/ u. f. w. Wo wir alſo ſehen/ wie dieſe beyde theile des
goͤttlichen worts neben einander ſtehen/ aber das geſetz nichts weiter thun koͤnne/
als uns zu Chriſto treiben/ bey dem wir allein die wahre bekehrung und ſeligkeit
finden. Alſo bleibets dabey/ daß dieſe lehr den Symboliſchen buͤchern nicht zu
wider ſeye.
Die III. Frage.
Ob derjenige/ welcher ſaget/ daß kein menſch
durchs bloſſe geſetz bekehret werde/ koͤnne vor einen Qvaͤcker/
Enthuſiaſten und neuen phantaſten coram facie
Eccleſiæ ausgeruffen werden?
NAchdem bey voriger frage erwieſen worden/ daß ſolche lehr allerdings
wahr ſeye/ ſo folget vor ſich ſelbs/ daß die ſolche lehr treiben/ ſich da-
mit den irrglaͤubigen nicht zugeſellen. Und wo ſie/ wie von mir ge-
ſchiehet/ das Evangelium/ nemlich das geſchriebene und gepredigte wort/ vor
das wahre kraͤfftige mittel der bekehrung/ des glaubens und der ſeligkeit hal-
ten/ und alſo dieſe guͤter nicht aus einer unmittelbahren und von der innerlichen
krafft des worts unterſchiedene offenbahrung erwarten/ ſo ſondern ſie ſich da-
mit
b 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |