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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
mag wo er solches nöthig/ wohl angelegt und diensam befindet seinem nechsten/
mit dem er umzugehen gelegenheit hat/ mit solcher seiner gabe dienen; ich ha-
be hievon gehandelt in dem Geistlichen Priest. q. 54. daß sie (nemlich solche
Christen/ welche ihres Christenthums guten grund haben/) wo sie mit un-
berichteten leuten umgehen/ sie trachten in der einfalt des glaubens zu unter-
richten und zu der schrifft zu führen. Also auch wo gottselige hertzen (hie
praesupponire ich solche/ die eine feine erkäntnüß bereits gefasst haben) bey-
sammen sind/ und in der schrifft mit einander lesen/ daß jeglicher zu des an-
dern aufferbauung bescheidentlich und in der liebe vorbringe/ was ihn GOtt
in der schrifft erkennen lassen/ und er zu des andern erbauung dienlich achtet.
Verstehet sich/ wo er etwas dergleichen hat: Hat er dergleichen nichts/ so
hat er von andern mehr zu lernen als zu lehren. Jst also dieses officium
nichts anders/ als daß jeder Christ die macht habe/ mit seiner gabe der er-
käntnüß seinem neben-menschen/ dem sie nutzen kan/ bey privat-gelegenheit/
die sich von selbsten gibt/ oder auch gesucht werden kau/ dienen/ und also densel-
ben auf diese weise neben sich erbauen möge/ und sich dessen zu befleissen habe.
Jedoch außtrücklich/ daß ich q. 64. nicht zugebe/ daß sich einer vor einen gleich-
sam ordinaren lehrer nicht nur öffentlich/ sondern auch nicht besonders und
privatim von ihrer vielen aufwerffe oder bestellen lasse: da also solches als zu
einem amt werden möchte. Jch hoffe auch nicht/ welche von Christlichen
verständigen Theologis die sache reifflicher erwegen werden/ werden mir nicht
abstehen. Daß aber das priesterthum der Christen sich nur bloß allein auff
das opffern restringire, ohne daß die übrigepflichten des lehrens (in gedach-
tem verstand:) vermahnens/ straffens/ tröstens/ und dergleichen mit drin-
nen stecken/ deme würde ich/ wo es also absolute solte gemeint seyn/ getrost
widersprechen mit Petro 1. Petr. 2/ 9. wo die verkündigung der tugend
des beruffenden mit unter den pflichten stehet. etc. 1680.

SECTIO II.
Ob den Symbol. büchern quia oder quatenus
zu unterschreiben.

AUff das anligen/ ob ein Candidatus ministerii wegen der frage. Ob
die Symbolische bücher anzunehmen quia oder quatenus sie mit der
H. schrifft überein kommen? weil er es mit dem quatenus hält/ als ver-
dächtig von einer beforderung abzuhalten seye/ will also antworten. 1. Es
ist ein unterscheid zu machen/ ob einer aus betrüglichem hertzen solches quate-
nus
erwehlte/ nemlich die lehr der Symbolischen bücher nicht wahrhafftig
vor richtig/ sondern mit glaubens irrthumen befleckt achtete/ und dannoch

aus

Das andere Capitel.
mag wo er ſolches noͤthig/ wohl angelegt uñ dienſam befindet ſeinem nechſten/
mit dem er umzugehen gelegenheit hat/ mit ſolcher ſeiner gabe dienen; ich ha-
be hievon gehandelt in dem Geiſtlichen Prieſt. q. 54. daß ſie (nemlich ſolche
Chriſten/ welche ihres Chriſtenthums guten grund haben/) wo ſie mit un-
berichteten leuten umgehen/ ſie trachten in der einfalt des glaubens zu unter-
richten und zu der ſchrifft zu fuͤhren. Alſo auch wo gottſelige hertzen (hie
præſupponire ich ſolche/ die eine feine erkaͤntnuͤß bereits gefaſſt haben) bey-
ſammen ſind/ und in der ſchrifft mit einander leſen/ daß jeglicher zu des an-
dern aufferbauung beſcheidentlich und in der liebe vorbringe/ was ihn GOtt
in der ſchrifft erkennen laſſen/ und er zu des andern erbauung dienlich achtet.
Verſtehet ſich/ wo er etwas dergleichen hat: Hat er dergleichen nichts/ ſo
hat er von andern mehr zu lernen als zu lehren. Jſt alſo dieſes officium
nichts anders/ als daß jeder Chriſt die macht habe/ mit ſeiner gabe der er-
kaͤntnuͤß ſeinem neben-menſchen/ dem ſie nutzen kan/ bey privat-gelegenheit/
die ſich von ſelbſten gibt/ oder auch geſucht werden kau/ dienen/ und alſo denſel-
ben auf dieſe weiſe neben ſich erbauen moͤge/ und ſich deſſen zu befleiſſen habe.
Jedoch außtruͤcklich/ daß ich q. 64. nicht zugebe/ daß ſich einer vor einen gleich-
ſam ordinaren lehrer nicht nur oͤffentlich/ ſondern auch nicht beſonders und
privatim von ihrer vielen aufwerffe oder beſtellen laſſe: da alſo ſolches als zu
einem amt werden moͤchte. Jch hoffe auch nicht/ welche von Chriſtlichen
verſtaͤndigen Theologis die ſache reifflicher erwegen werden/ werden mir nicht
abſtehen. Daß aber das prieſterthum der Chriſten ſich nur bloß allein auff
das opffern reſtringire, ohne daß die uͤbrigepflichten des lehrens (in gedach-
tem verſtand:) vermahnens/ ſtraffens/ troͤſtens/ und dergleichen mit drin-
nen ſtecken/ deme wuͤrde ich/ wo es alſo abſolute ſolte gemeint ſeyn/ getroſt
widerſprechen mit Petro 1. Petr. 2/ 9. wo die verkuͤndigung der tugend
des beruffenden mit unter den pflichten ſtehet. ꝛc. 1680.

SECTIO II.
Ob den Symbol. buͤchern quia oder quatenus
zu unterſchreiben.

AUff das anligen/ ob ein Candidatus miniſterii wegen der frage. Ob
die Symboliſche buͤcher anzunehmen quia oder quatenus ſie mit der
H. ſchrifft uͤberein kommen? weil er es mit dem quatenus haͤlt/ als ver-
daͤchtig von einer beforderung abzuhalten ſeye/ will alſo antworten. 1. Es
iſt ein unterſcheid zu machen/ ob einer aus betruͤglichem hertzen ſolches quate-
nus
erwehlte/ nemlich die lehr der Symboliſchen buͤcher nicht wahrhafftig
vor richtig/ ſondern mit glaubens irrthumen befleckt achtete/ und dannoch

aus
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[596/0612] Das andere Capitel. mag wo er ſolches noͤthig/ wohl angelegt uñ dienſam befindet ſeinem nechſten/ mit dem er umzugehen gelegenheit hat/ mit ſolcher ſeiner gabe dienen; ich ha- be hievon gehandelt in dem Geiſtlichen Prieſt. q. 54. daß ſie (nemlich ſolche Chriſten/ welche ihres Chriſtenthums guten grund haben/) wo ſie mit un- berichteten leuten umgehen/ ſie trachten in der einfalt des glaubens zu unter- richten und zu der ſchrifft zu fuͤhren. Alſo auch wo gottſelige hertzen (hie præſupponire ich ſolche/ die eine feine erkaͤntnuͤß bereits gefaſſt haben) bey- ſammen ſind/ und in der ſchrifft mit einander leſen/ daß jeglicher zu des an- dern aufferbauung beſcheidentlich und in der liebe vorbringe/ was ihn GOtt in der ſchrifft erkennen laſſen/ und er zu des andern erbauung dienlich achtet. Verſtehet ſich/ wo er etwas dergleichen hat: Hat er dergleichen nichts/ ſo hat er von andern mehr zu lernen als zu lehren. Jſt alſo dieſes officium nichts anders/ als daß jeder Chriſt die macht habe/ mit ſeiner gabe der er- kaͤntnuͤß ſeinem neben-menſchen/ dem ſie nutzen kan/ bey privat-gelegenheit/ die ſich von ſelbſten gibt/ oder auch geſucht werden kau/ dienen/ und alſo denſel- ben auf dieſe weiſe neben ſich erbauen moͤge/ und ſich deſſen zu befleiſſen habe. Jedoch außtruͤcklich/ daß ich q. 64. nicht zugebe/ daß ſich einer vor einen gleich- ſam ordinaren lehrer nicht nur oͤffentlich/ ſondern auch nicht beſonders und privatim von ihrer vielen aufwerffe oder beſtellen laſſe: da alſo ſolches als zu einem amt werden moͤchte. Jch hoffe auch nicht/ welche von Chriſtlichen verſtaͤndigen Theologis die ſache reifflicher erwegen werden/ werden mir nicht abſtehen. Daß aber das prieſterthum der Chriſten ſich nur bloß allein auff das opffern reſtringire, ohne daß die uͤbrigepflichten des lehrens (in gedach- tem verſtand:) vermahnens/ ſtraffens/ troͤſtens/ und dergleichen mit drin- nen ſtecken/ deme wuͤrde ich/ wo es alſo abſolute ſolte gemeint ſeyn/ getroſt widerſprechen mit Petro 1. Petr. 2/ 9. wo die verkuͤndigung der tugend des beruffenden mit unter den pflichten ſtehet. ꝛc. 1680. SECTIO II. Ob den Symbol. buͤchern quia oder quatenus zu unterſchreiben. AUff das anligen/ ob ein Candidatus miniſterii wegen der frage. Ob die Symboliſche buͤcher anzunehmen quia oder quatenus ſie mit der H. ſchrifft uͤberein kommen? weil er es mit dem quatenus haͤlt/ als ver- daͤchtig von einer beforderung abzuhalten ſeye/ will alſo antworten. 1. Es iſt ein unterſcheid zu machen/ ob einer aus betruͤglichem hertzen ſolches quate- nus erwehlte/ nemlich die lehr der Symboliſchen buͤcher nicht wahrhafftig vor richtig/ ſondern mit glaubens irrthumen befleckt achtete/ und dannoch aus

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/612>, abgerufen am 21.11.2024.