Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das erste Capitel. SECTIO XLVI. Von einrichtung der Philosophischen wissenschaff- ten/ sonderlich der Physic, zur Christlichen erbauung. WAs die materie anlangt/ wie zur praxi selbs geschritten/ und alle Phi- zweck
Das erſte Capitel. SECTIO XLVI. Von einrichtung der Philoſophiſchen wiſſenſchaff- ten/ ſonderlich der Phyſic, zur Chriſtlichen erbauung. WAs die materie anlangt/ wie zur praxi ſelbs geſchritten/ und alle Phi- zweck
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Das erſte Capitel.
SECTIO XLVI.
Von einrichtung der Philoſophiſchen wiſſenſchaff-
ten/ ſonderlich der Phyſic, zur Chriſtlichen erbauung.
WAs die materie anlangt/ wie zur praxi ſelbs geſchritten/ und alle Phi-
loſophiſche wiſſenſchafften recht zur aufferbauung moͤchten gerichtet
werden/ achte ich es wohl vor eine der vornehmſten und wuͤrdigſten/
damit leute umgehen koͤnnen/ welchen Gott eine rechtſchaffene erudition ver-
liehen hat. Uñ halte ich es vor eine in dem 2. geboth ernſtlich verbotene enthei-
ligung goͤttlichen nahmens/ wo man deſſen wercke in der natur alſo anſihet/
daß man auf denſelben bloß ſtehen bleibet/ und nicht ihrem eigenen zweck ge-
maͤß/ als welche ja zu der ehr und preiß ihres GOttes erſchaffen ſind/ in ih-
nen auch den Schoͤpffer erkennen zu lernen trachtet/ und alſo ſolche erkaͤntnuͤß
ferner zu ſeinem dienſt und liebe richtet. Aller fleiß und arbeit ſo hieran ge-
than wird/ wird wohl und tauſendmahl beſſer angeleget ſeyn/ als alle in
Phyſicis unnuͤtzliche Ariſtoteliſche Metaphyſiſche grillen/ damit (obwohl ſon-
ſten die Metaphyſic dero abſtractiones und die contemplationes transcen-
dentales nicht weniger an ihrem ort ihren nutzen haben) unſer Phyſic lang
gantz verdorben geblieben/ und ob ſie von einiger zeit durch mehrere beobach-
tung der experimenten an ſtatt voriger ſpeculation in einen beſſern ſtand iſt
geſetzet worden/ annoch dieſen mangel an ſich haben mag/ daß an dieſe erkaͤnt-
nuͤß GOttes in ſeinen geſchoͤpfen nicht oder ja ſehr wenig insgemein bey dero
handlung gedacht wird/ ja etwa viele es zu einfaͤltig vor einen gelehrten
mann achten moͤgen/ ſich in dergleichen auffzuhalten. Wie ich es aber vor ein
ſo herrlich/ wuͤrdig und nuͤtzlich ſtudium halte/ ſo glaube doch/ daß es auch
nicht geringe arbeit erfordere/ und ſehr weitlaͤufftig gehe/ ja ſo weit als die
unterſuchung der geſchoͤpff ſelbs ſich erſtrecken mag. Vielleicht irre ich auch
nicht/ wo ich vermuthe/ es werde auch ein ſehr groſſer theil in gegenwaͤrtiger
unſerer zeit nach allem angewandten fleiß annoch verborgen bleiben: wie ich
offters in die gedanckẽ bin gerathen/ daß auch aus dieſem argument zuſchlieſ-
ſen/ daß noch eine zeit ſeyn muͤſſe/ da wir in einem mehrern und voͤlligerm
liecht des Geiſtes alle die geringſte u. groͤſte creaturen Gottes ein- und gleich-
ſam durch ſehen werden/ und uns allerdings nichts mehr in denſelben ver-
borgen bleiben ſolle/ wie ſich die goͤttliche macht und Majeſtaͤt drinnen gebil-
det habe/ davon wir jetzt noch ſo gar weit entfernet ſind/ und gleichſam
nichts anders als nur von ferne und ſo zu reden die euſſerliche ſuperficiem al-
lein ſehen. Maſſen ich es mit goͤttlicher weißheit nicht wohl accordiren kan/
weil GOtt ſolche ſeine veſtigia ſo vortrefflich in die creaturen eben zu dem
zweck
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