Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.ARTIC. VI. SECT. XXXII. SECTIO XXXI. An einen Prediger/ da ihm von der Obrigkeit die krichenbuß an einem in ärgernis gefallenen nicht verstattet würde. NAch meiner meinung wäre am sichersten gethan/ derselbe liesse es nach zwin- q q
ARTIC. VI. SECT. XXXII. SECTIO XXXI. An einen Prediger/ da ihm von der Obrigkeit die krichenbuß an einem in aͤrgernis gefallenen nicht verſtattet wuͤrde. NAch meiner meinung waͤre am ſicherſten gethan/ derſelbe lieſſe es nach zwin- q q
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ARTIC. VI. SECT. XXXII.
SECTIO XXXI.
An einen Prediger/ da ihm von der Obrigkeit die
krichenbuß an einem in aͤrgernis gefallenen nicht
verſtattet wuͤrde.
NAch meiner meinung waͤre am ſicherſten gethan/ derſelbe lieſſe es nach
allem gethanen verſuch/ bey dem ausſpruch/ der ihm von der hohen O-
brigkeit werden wird/ und da die ceremonialia der kirchenbuß ihm bey
dieſer perſon abgeſprochen werden/ trachtete er ſonſten den reum in dem uͤbri-
gen zu rechtſchaffener buß zu diſponiren/ dazu ich einige hoffnung habe/ nachdem
der mann ohnerwartet des beſchicks ſeine ſuͤnde ſelbs bekant/ und ich daraus/
daß ein hertz bey ihm ſeyn muͤſſe/ welches nicht eben gantz verhaͤrtet/ abnehme/
und lieſſe ihn/ nach dem er ſonſten ſeiner buſſe einige zeugniſſen wieſe/ ſonderlich/
wo er bißher/ auſſer dieſer verweigerung/ ſich ohnaͤrgerlich bezeugt/ zur commu-
nion. Dann 1. ſcheinet/ daß derſelbe die einfuͤhrung zur kirchen buß noch nicht
zur gnuͤge erwieſen/ wann keine andere exempel vor ſeiner zeit verhanden ſind;
wie ich zweiffele/ daß auch ſo gar in dieſen landen/ wo es vor unſer conſiſtorium
kommen ſolte/ die einfuͤhrung durch die exempel eines Predigers/ vor dem an-
dern dergleichen noch nicht gethan/ ſo viel als rechtens iſt/ erwieſen zu ſeyn ge-
ſprochen werden doͤrffte/ ſondern daß auch allezeit exempla anteceſſorum wuͤr-
den erfordert werden. Da derſelbe alſo leicht erachten kan/ wie bey einem
judicio mere politico, da ohne das dieſe dinge verhaßt/ und man alle cenſuram
lieber/ wo es commode geſchehen koͤnte/ auch an den orten/ da ſie unſtreitig einge-
fuͤhret iſt/ wider abſchaffen/ als neuerlich einfuͤhren wolte/ das urtheil fallen/ und als
denn auch ſorglich bey hoͤhern/ nachdem es einen ſtarcken ſchein vor ſich hat/ nicht
reformirt werden moͤchte. 2. Da ihm alſo von ſeinen ſuperioribus, nicht nur
Patrono, ſondern auch dem amt/ dieſen actum zu uͤben nicht verſtattet wird/
hat er damit ſeinem gewiſſen eine gnuͤge gethan/ und die verantwortung auff
die andern gewaltzet. Er kan auch ſo viel unverletztern gewiſſens pariren/ weil
3. die heutige art der kirchen buß/ da ſie zur ſtraffe worden iſt/ und alſo von der
alten art ſehr degeneriret hat/ nicht ſchlechter dinges nothwendig iſt: welches dar-
aus bereits ſattſam erhellet/ nach dem ſie in vielen unzaͤhlichen orten allerdin-
ges ſich nicht findet/ ja wol gar publica autoritate verboten iſt/ von neuen zu
introduciren. Wie auch 4. dieſelbe bloß anſehe/ als ein euſerliches ſchreck-
mittel und zuruͤckhaltung der muthwilligen ſuͤnder/ wie etwa andre ſtraffen
auch ſeyn/ in welchem fall ich ſie auch ſo viel lieber der weltlichen Obrigkeit heim-
weiſe. Dabey hingegen ich ſo gar wenig ſehe/ daß es ein mittel einer wahren
beſſerung ſey/ weil insgemein/ nachdem man die leute dazu/ als zu einer ſtraff/
zwin-
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1105>, abgerufen am 22.07.2024. |