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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. VI. SECT. XXIX.
oder noch nicht erwiesen ist: da ja unser Heyland den Judam zugelassen/ dessen
schreckliche boßheit er wohl sahe/ auch schon andern solche zu offenbahren angefan-
gen hatte/ weil sie gleichwol noch nicht ausgebrochen war.

III.

Ob solche suspensus, wessen Sache für dem consistoriohenget/ wo
er ein prediger ist/ vermag seinen
collegam/ der sich über sein gegeben
scandulum im consistorio geeusert/ ob justam defensionem, ut dicitur,
wiederum zu suspendiren.

Hieranff kau nicht anders als mit nein antworten/ denn hat der andere
nicht recht/ ihn wegen das angeschuldigten scandali eigenmächtig zu suspendi-
ren/ wenn er nicht willig des gewissens zu schonen/ abstehen will (wie hoffent-
lich in den vorigen gnug dargethan ist) so hat dieser so viel weniger macht gegen
ihn/ indem nicht nur alle vorige angeführte momenta auch ihm entgegen stehen/
sondern weil die schuld dessen/ der amts halben in einem consessu gegen ein ärger-
nüß/ aufs wenigste/ welches er davor hält/ eiffert und hart spricht/ etwa weniger
erweißlich ist und auffs höchste eine übernehmung des affects in einer sache/ dazu
er sonsten recht hette/ genennet werden könte/ als des andern scandalum wäre/ über
welches man in consessu zu votiren die nothwendigkeit erachtet hätte. Daher
einen solchen beschädigten/ wo er sich unrecht geschehen zu seyn davor hält/
vielmehr zukäme/ seine unschuld deutlich darzuthun/ und also den collegam zu über-
weisen/ da derselbe ihn alsden christliche satisfaction zu thun hätte/ als diesen/ des-
sen fehler noch weniger ausgemacht ist/ hinwider zu suspendiren: so viel mehr/
weil solche gegen suspension nicht wol anders als eine rache/ zu dero Christen nicht
zu schreiten haben/ angesehen werden kan.

Bey diesen beyden fragen ist ferner zu bemercken/ daß dem consistorio aller-
dings zukommen wolle/ wo sich dergleichen irrung zwischen ihren Predigern er-
heben/ die nicht anders als so viel schwehres ärgernüß geben können/ als eine gan-
tze gemeinde auff jene mehr siehet/ solche zwiste auffs förderlichste beyzulegen/ sie
untereinander zuversöhnen/ und wie dann solches die macht dazu hat/ vorzuschrei-
ben/ wie sie sich gegen einander ohn ärgerlich und brüderlich begehen sollen.

IV.

Was mit solchen Predigern/ der falsche und praejudicirliche attestata
gegeben/ alle admonitiones des consistorii sub praetextu frivolarum excepti-
onum
in wind schläget/ zu thun/ und wie mit demselben zu procediren?

1. Jst die sache vor dem consistorio gründlich und unpartheyisch zu untersu-
chen/ ob der dessen beschuldigte Prediger falsche und denselben praejudicirliche atte-
stata
gegeben habe/ oder ob ihm mit solcher auflage zu viel geschehe? Ferner ob
solche ausstellung aus unwissenheit der warheit geschehen/ oder gar aus boßheit
die wahrheit zu unterdrucken/ und die gerechtigkeit zu hemmen?

2. Zu solcher untersuchung gehöret/ daß er selbst muß gehöret werden/ was

er zu
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ARTIC. VI. SECT. XXIX.
oder noch nicht erwieſen iſt: da ja unſer Heyland den Judam zugelaſſen/ deſſen
ſchreckliche boßheit er wohl ſahe/ auch ſchon andern ſolche zu offenbahren angefan-
gen hatte/ weil ſie gleichwol noch nicht ausgebrochen war.

III.

Ob ſolche ſuſpenſus, weſſen Sache fuͤr dem conſiſtoriohenget/ wo
er ein prediger iſt/ vermag ſeinen
collegam/ der ſich uͤber ſein gegeben
ſcandulum im conſiſtorio geeuſert/ ob juſtam defenſionem, ut dicitur,
wiederum zu ſuſpendiren.

Hieranff kau nicht anders als mit nein antworten/ denn hat der andere
nicht recht/ ihn wegen das angeſchuldigten ſcandali eigenmaͤchtig zu ſuſpendi-
ren/ wenn er nicht willig des gewiſſens zu ſchonen/ abſtehen will (wie hoffent-
lich in den vorigen gnug dargethan iſt) ſo hat dieſer ſo viel weniger macht gegen
ihn/ indem nicht nur alle vorige angefuͤhrte momenta auch ihm entgegen ſtehen/
ſondern weil die ſchuld deſſen/ der amts halben in einem conſeſſu gegen ein aͤrger-
nuͤß/ aufs wenigſte/ welches er davor haͤlt/ eiffert und hart ſpricht/ etwa weniger
erweißlich iſt und auffs hoͤchſte eine uͤbernehmung des affects in einer ſache/ dazu
er ſonſten recht hette/ genennet werden koͤnte/ als des andern ſcandalum waͤre/ uͤber
welches man in conſeſſu zu votiren die nothwendigkeit erachtet haͤtte. Daher
einen ſolchen beſchaͤdigten/ wo er ſich unrecht geſchehen zu ſeyn davor haͤlt/
vielmehr zukaͤme/ ſeine unſchuld deutlich darzuthun/ und alſo den collegam zu uͤber-
weiſen/ da derſelbe ihn alsden chriſtliche ſatisfaction zu thun haͤtte/ als dieſen/ deſ-
ſen fehler noch weniger ausgemacht iſt/ hinwider zu ſuſpendiren: ſo viel mehr/
weil ſolche gegen ſuſpenſion nicht wol anders als eine rache/ zu dero Chriſten nicht
zu ſchreiten haben/ angeſehen werden kan.

Bey dieſen beyden fragen iſt ferner zu bemercken/ daß dem conſiſtorio aller-
dings zukommen wolle/ wo ſich dergleichen irrung zwiſchen ihren Predigern er-
heben/ die nicht anders als ſo viel ſchwehres aͤrgernuͤß geben koͤnnen/ als eine gan-
tze gemeinde auff jene mehr ſiehet/ ſolche zwiſte auffs foͤrderlichſte beyzulegen/ ſie
untereinander zuverſoͤhnen/ und wie dann ſolches die macht dazu hat/ vorzuſchrei-
ben/ wie ſie ſich gegen einander ohn aͤrgerlich und bruͤderlich begehen ſollen.

IV.

Was mit ſolchen Predigern/ der falſche und præjudicirliche atteſtata
gegeben/ alle admonitiones des conſiſtorii ſub prætextu frivolarum excepti-
onum
in wind ſchlaͤget/ zu thun/ und wie mit demſelben zu procediren?

1. Jſt die ſache vor dem conſiſtorio gruͤndlich und unpartheyiſch zu unterſu-
chen/ ob der deſſen beſchuldigte Prediger falſche und denſelben præjudicirliche atte-
ſtata
gegeben habe/ oder ob ihm mit ſolcher auflage zu viel geſchehe? Ferner ob
ſolche ausſtellung aus unwiſſenheit der warheit geſchehen/ oder gar aus boßheit
die wahrheit zu unterdrucken/ und die gerechtigkeit zu hemmen?

2. Zu ſolcher unterſuchung gehoͤret/ daß er ſelbſt muß gehoͤret werden/ was

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[299/1099] ARTIC. VI. SECT. XXIX. oder noch nicht erwieſen iſt: da ja unſer Heyland den Judam zugelaſſen/ deſſen ſchreckliche boßheit er wohl ſahe/ auch ſchon andern ſolche zu offenbahren angefan- gen hatte/ weil ſie gleichwol noch nicht ausgebrochen war. III. Ob ſolche ſuſpenſus, weſſen Sache fuͤr dem conſiſtoriohenget/ wo er ein prediger iſt/ vermag ſeinen collegam/ der ſich uͤber ſein gegeben ſcandulum im conſiſtorio geeuſert/ ob juſtam defenſionem, ut dicitur, wiederum zu ſuſpendiren. Hieranff kau nicht anders als mit nein antworten/ denn hat der andere nicht recht/ ihn wegen das angeſchuldigten ſcandali eigenmaͤchtig zu ſuſpendi- ren/ wenn er nicht willig des gewiſſens zu ſchonen/ abſtehen will (wie hoffent- lich in den vorigen gnug dargethan iſt) ſo hat dieſer ſo viel weniger macht gegen ihn/ indem nicht nur alle vorige angefuͤhrte momenta auch ihm entgegen ſtehen/ ſondern weil die ſchuld deſſen/ der amts halben in einem conſeſſu gegen ein aͤrger- nuͤß/ aufs wenigſte/ welches er davor haͤlt/ eiffert und hart ſpricht/ etwa weniger erweißlich iſt und auffs hoͤchſte eine uͤbernehmung des affects in einer ſache/ dazu er ſonſten recht hette/ genennet werden koͤnte/ als des andern ſcandalum waͤre/ uͤber welches man in conſeſſu zu votiren die nothwendigkeit erachtet haͤtte. Daher einen ſolchen beſchaͤdigten/ wo er ſich unrecht geſchehen zu ſeyn davor haͤlt/ vielmehr zukaͤme/ ſeine unſchuld deutlich darzuthun/ und alſo den collegam zu uͤber- weiſen/ da derſelbe ihn alsden chriſtliche ſatisfaction zu thun haͤtte/ als dieſen/ deſ- ſen fehler noch weniger ausgemacht iſt/ hinwider zu ſuſpendiren: ſo viel mehr/ weil ſolche gegen ſuſpenſion nicht wol anders als eine rache/ zu dero Chriſten nicht zu ſchreiten haben/ angeſehen werden kan. Bey dieſen beyden fragen iſt ferner zu bemercken/ daß dem conſiſtorio aller- dings zukommen wolle/ wo ſich dergleichen irrung zwiſchen ihren Predigern er- heben/ die nicht anders als ſo viel ſchwehres aͤrgernuͤß geben koͤnnen/ als eine gan- tze gemeinde auff jene mehr ſiehet/ ſolche zwiſte auffs foͤrderlichſte beyzulegen/ ſie untereinander zuverſoͤhnen/ und wie dann ſolches die macht dazu hat/ vorzuſchrei- ben/ wie ſie ſich gegen einander ohn aͤrgerlich und bruͤderlich begehen ſollen. IV. Was mit ſolchen Predigern/ der falſche und præjudicirliche atteſtata gegeben/ alle admonitiones des conſiſtorii ſub prætextu frivolarum excepti- onum in wind ſchlaͤget/ zu thun/ und wie mit demſelben zu procediren? 1. Jſt die ſache vor dem conſiſtorio gruͤndlich und unpartheyiſch zu unterſu- chen/ ob der deſſen beſchuldigte Prediger falſche und denſelben præjudicirliche atte- ſtata gegeben habe/ oder ob ihm mit ſolcher auflage zu viel geſchehe? Ferner ob ſolche ausſtellung aus unwiſſenheit der warheit geſchehen/ oder gar aus boßheit die wahrheit zu unterdrucken/ und die gerechtigkeit zu hemmen? 2. Zu ſolcher unterſuchung gehoͤret/ daß er ſelbſt muß gehoͤret werden/ was er zu p p 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1099>, abgerufen am 03.12.2024.