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Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657.

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an den Leser.
auch sein was Christus ist/ und dasselbe Wesen
haben/ welches der Sohn GOttes hat: Denn
eben darumb (spricht Thaulerus in der vierd-
ten Predigt am H. Christage) daß wir dasselbe
Wesen haben/ werden wir Jhm gleich/ und se-
hen Jhn wie Er wahrer GOtt ist.

Und diesem Satze stimmen bey alle Heilige
GOttesschawer; jnsonderheit jetzt gedachter
Tauler in der 3, Predigt am 3. Sontag Trinit.
da er spricht: Die Seele wird (durch daß wider
erlangte Ebenbild) GOtte gleich und Gött-
lich: Ja alles wird sie auß genaden was GOtt
ist von Natur. Jn diser Vereinigung und ein-
senckung in GOtt/ wird sie über sich selbst in
GOtt geführt/ und GOtte so gleich/ daß wann
sie sich selber sähe/ sie sich für GOtt würde
schätzen: Und wer sie sahe/ der würde sie sehen/
nicht zwar in dem Natürlichen/ sondern in dem
auß Genaden jhr mit getheiltem Wesen/ Form
und weise GOttes/ und würde also Seelig von
dem Gesichte. Sinthemal GOtt und die Seele
in solcher Vereinigung eines sind; wiewol nicht
von Natur/ sondern auß Genaden. Und nach
wenigem:
Die lautere und Göttliche Seele
welche von der Creaturen Liebe so frey ist wie
GOtt/ wird von andren gesehen werden/ auch
sich selber in Ewigkeit ansehen alsGOtt (denn
GOtt und eine solche Seele sind in der ob-
gemeldten Vereinigung eins) und wird jhre

See-
A 5

an den Leſer.
auch ſein was Chriſtus iſt/ und daſſelbe Weſen
haben/ welches der Sohn GOttes hat: Denn
eben darumb (ſpricht Thaulerus in der vierd-
ten Predigt am H. Chriſtage) daß wir daſſelbe
Weſen haben/ werden wir Jhm gleich/ und ſe-
hen Jhn wie Er wahrer GOtt iſt.

Und dieſem Satze ſtimmen bey alle Heilige
GOttesſchawer; jnſonderheit jetzt gedachter
Tauler in der 3, Predigt am 3. Sontag Trinit.
da er ſpricht: Die Seele wird (durch daß wider
erlangte Ebenbild) GOtte gleich und Goͤtt-
lich: Ja alles wird ſie auß genaden was GOtt
iſt von Natur. Jn diſer Vereinigung und ein-
ſenckung in GOtt/ wird ſie uͤber ſich ſelbſt in
GOtt gefuͤhrt/ und GOtte ſo gleich/ daß wann
ſie ſich ſelber ſaͤhe/ ſie ſich fuͤr GOtt wuͤrde
ſchaͤtzen: Und wer ſie ſahe/ der wuͤrde ſie ſehen/
nicht zwar in dem Natuͤrlichen/ ſondern in dem
auß Genaden jhr mit getheiltem Weſen/ Form
und weiſe GOttes/ und wuͤrde alſo Seelig von
dem Geſichte. Sinthemal GOtt und die Seele
in ſolcher Vereinigung eines ſind; wiewol nicht
von Natur/ ſondern auß Genaden. Und nach
wenigem:
Die lautere und Goͤttliche Seele
welche von der Creaturen Liebe ſo frey iſt wie
GOtt/ wird von andren geſehen werden/ auch
ſich ſelber in Ewigkeit anſehen alsGOtt (denn
GOtt und eine ſolche Seele ſind in der ob-
gemeldten Vereinigung eins) und wird jhre

See-
A 5
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[7/0013] an den Leſer. auch ſein was Chriſtus iſt/ und daſſelbe Weſen haben/ welches der Sohn GOttes hat: Denn eben darumb (ſpricht Thaulerus in der vierd- ten Predigt am H. Chriſtage) daß wir daſſelbe Weſen haben/ werden wir Jhm gleich/ und ſe- hen Jhn wie Er wahrer GOtt iſt. Und dieſem Satze ſtimmen bey alle Heilige GOttesſchawer; jnſonderheit jetzt gedachter Tauler in der 3, Predigt am 3. Sontag Trinit. da er ſpricht: Die Seele wird (durch daß wider erlangte Ebenbild) GOtte gleich und Goͤtt- lich: Ja alles wird ſie auß genaden was GOtt iſt von Natur. Jn diſer Vereinigung und ein- ſenckung in GOtt/ wird ſie uͤber ſich ſelbſt in GOtt gefuͤhrt/ und GOtte ſo gleich/ daß wann ſie ſich ſelber ſaͤhe/ ſie ſich fuͤr GOtt wuͤrde ſchaͤtzen: Und wer ſie ſahe/ der wuͤrde ſie ſehen/ nicht zwar in dem Natuͤrlichen/ ſondern in dem auß Genaden jhr mit getheiltem Weſen/ Form und weiſe GOttes/ und wuͤrde alſo Seelig von dem Geſichte. Sinthemal GOtt und die Seele in ſolcher Vereinigung eines ſind; wiewol nicht von Natur/ ſondern auß Genaden. Und nach wenigem: Die lautere und Goͤttliche Seele welche von der Creaturen Liebe ſo frey iſt wie GOtt/ wird von andren geſehen werden/ auch ſich ſelber in Ewigkeit anſehen alsGOtt (denn GOtt und eine ſolche Seele ſind in der ob- gemeldten Vereinigung eins) und wird jhre See- A 5

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Zitationshilfe: Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657/13>, abgerufen am 26.04.2024.