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Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657.

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Johannis Angeli
50. GOtt wird ein kleines Kind.
GOtt schleust sich unerhört in Kindes kleinheit ein:
Ach möcht' ich doch ein Kind in diesem Kinde sein!
51. Daß unaußsprechliche.
Denkstu den Namen GOtts zu sprechen in der Zeit/
Man spricht jhn auch nicht auß in einer Ewigkeit.
52. Daß Neu Jerusalem.
Daß Neu Jerusalem bistu für GOtt mein Christ/
Wenn du auß GOttes Geist gantz Neugebohren bist.
53. Es mangelt nur an dir.
Ach könte nur dein Hertz zu einer Krippe werden/
GOtt würde noch einmal ein Kind auf dieser Erden.
54. Entbildet mustu seyn.
Entbilde dich mein Kind/ so wirstu GOtte gleich:
Und bist in stiller Ruh dir selbst dein Himmelreich.
55. GOtt ist/ Er lebet nicht.
GOTT ist nur Eigendlich: Er liebt und lebet nicht/
Wie man von mir und dir und andren Dingen spricht.
56. Armut und Reichthum.
Der/ was er hat/ nicht hat/ und alles schätzet gleich/
Der ist im Reichthum arm/ in Armuth ist er reich.
57. Man muß Jhm selbst entwachsen.
Entwächsestu dir selbst und aller Creatur/
So wird dir eingeimpfft die Göttliche Natur.
58. GOtt sterben und GOtt leben.
Stirb oder leb in GOtt: du thust an beiden wol:
Weil man GOtt sterben muß/ und Gott auch leben sol.
59. Wer ist mehr GOtt als Mensch?
Wer ohn empfinden liebt/ und ohn erkennen kennt:
Der wird mit guttem recht mehr GOtt als Mensch
genennt.
60. Vom
Johannis Angeli
50. GOtt wird ein kleines Kind.
GOtt ſchleuſt ſich unerhoͤrt in Kindes kleinheit ein:
Ach moͤcht’ ich doch ein Kind in dieſem Kinde ſein!
51. Daß unaußſprechliche.
Denkſtu den Namen GOtts zu ſprechen in der Zeit/
Man ſpricht jhn auch nicht auß in einer Ewigkeit.
52. Daß Neu Jeruſalem.
Daß Neu Jeruſalem biſtu fuͤr GOtt mein Chriſt/
Wenn du auß GOttes Geiſt gantz Neugebohren biſt.
53. Es mangelt nur an dir.
Ach koͤnte nur dein Hertz zu einer Krippe werden/
GOtt wuͤrde noch einmal ein Kind auf dieſer Erden.
54. Entbildet muſtu ſeyn.
Entbilde dich mein Kind/ ſo wirſtu GOtte gleich:
Und biſt in ſtiller Ruh dir ſelbſt dein Himmelreich.
55. GOtt iſt/ Er lebet nicht.
GOTT iſt nur Eigendlich: Er liebt uñ lebet nicht/
Wie man von mir und dir uñ andren Dingen ſpricht.
56. Armut und Reichthum.
Der/ was er hat/ nicht hat/ und alles ſchaͤtzet gleich/
Der iſt im Reichthum arm/ in Armuth iſt er reich.
57. Man muß Jhm ſelbſt entwachſen.
Entwaͤchſeſtu dir ſelbſt und aller Creatur/
So wird dir eingeimpfft die Goͤttliche Natur.
58. GOtt ſterben und GOtt leben.
Stirb oder leb in GOtt: du thuſt an beiden wol:
Weil man GOtt ſterben muß/ uñ Gott auch leben ſol.
59. Wer iſt mehr GOtt als Menſch?
Wer ohn empfinden liebt/ und ohn erkennen kennt:
Der wird mit guttem recht mehr GOtt als Menſch
genennt.
60. Vom
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[64[62]/0068] Johannis Angeli 50. GOtt wird ein kleines Kind. GOtt ſchleuſt ſich unerhoͤrt in Kindes kleinheit ein: Ach moͤcht’ ich doch ein Kind in dieſem Kinde ſein! 51. Daß unaußſprechliche. Denkſtu den Namen GOtts zu ſprechen in der Zeit/ Man ſpricht jhn auch nicht auß in einer Ewigkeit. 52. Daß Neu Jeruſalem. Daß Neu Jeruſalem biſtu fuͤr GOtt mein Chriſt/ Wenn du auß GOttes Geiſt gantz Neugebohren biſt. 53. Es mangelt nur an dir. Ach koͤnte nur dein Hertz zu einer Krippe werden/ GOtt wuͤrde noch einmal ein Kind auf dieſer Erden. 54. Entbildet muſtu ſeyn. Entbilde dich mein Kind/ ſo wirſtu GOtte gleich: Und biſt in ſtiller Ruh dir ſelbſt dein Himmelreich. 55. GOtt iſt/ Er lebet nicht. GOTT iſt nur Eigendlich: Er liebt uñ lebet nicht/ Wie man von mir und dir uñ andren Dingen ſpricht. 56. Armut und Reichthum. Der/ was er hat/ nicht hat/ und alles ſchaͤtzet gleich/ Der iſt im Reichthum arm/ in Armuth iſt er reich. 57. Man muß Jhm ſelbſt entwachſen. Entwaͤchſeſtu dir ſelbſt und aller Creatur/ So wird dir eingeimpfft die Goͤttliche Natur. 58. GOtt ſterben und GOtt leben. Stirb oder leb in GOtt: du thuſt an beiden wol: Weil man GOtt ſterben muß/ uñ Gott auch leben ſol. 59. Wer iſt mehr GOtt als Menſch? Wer ohn empfinden liebt/ und ohn erkennen kennt: Der wird mit guttem recht mehr GOtt als Menſch genennt. 60. Vom

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Zitationshilfe: Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657, S. 64[62]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657/68>, abgerufen am 21.11.2024.