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Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

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Sievers Briefe
ungeheuren Wildniß. Sie werden sich vielleicht wun-
dern daß ich zur Verfertigung des vorigen Briefes gan-
zer zehn Monathe nöthig hatte; ein schöner Schreiber!
höre ich Sie rufen; in diesem verflossenen Zeitraum tra-
fen indessen Umstände zusammen die wohl nicht verhin-
dern konnten an meine Freunde zu denken, aber nicht er-
laubten an sie zu schreiben. Jndessen hat jene große
Ruhe von 10 Monaten mich in den Stand gesetzt, je-
nen großen Sprung zu wagen. Da nun gegenwärtiger
Brief und vielleicht noch 2 folgende eine mühsame Reise
zum Grunde hat, so sehe ich keinen andern Ausweg als
Jhnen für diesmal mit meinem Tageregister aufzuwar-
ten; und damit es Jhnen nicht zu trocken zu lesen sey,
so werde ich, um dasselbe abzukürzen, oft die Begebenhei-
ten verschiedener Tage zusammenziehn. Jn jenen hohen
Gebirgen wächst eine große Menge vom Rheum sibiri-
cum Pall
dessen Wurzeln wir untersuchen, hernach da-
von Saamen sammlen und selbe in Plantagen an beque-
mern Oertern zu veredeln suchen sollten, wie ich von die-
sem Vorsatz schon etwas im ersten Briefe erwähnt habe.
Zu diesem Endzweck nun wurden von denen zu unsrer
Expedition gehörigen Kasaken und Soldaten mir 20
Mann nebst den nöthigen Pferden zugetheilt, die ich un-
ter gehöriger Aufsicht vorausschickte, um mit mehrerer
Freyheit Materialien zu gegenwärtigen Aussätzen samm-
len zu können. Jch verließ demnach die Troitzkische
Festung den 26sten April 1791 und setzte meinen Weg
längst der chinesischen Gränze bald näher bald entfernter
davon gegen NO. zu O. fort. Acht Werste von Kiachta

jenseit

Sievers Briefe
ungeheuren Wildniß. Sie werden ſich vielleicht wun-
dern daß ich zur Verfertigung des vorigen Briefes gan-
zer zehn Monathe noͤthig hatte; ein ſchoͤner Schreiber!
hoͤre ich Sie rufen; in dieſem verfloſſenen Zeitraum tra-
fen indeſſen Umſtaͤnde zuſammen die wohl nicht verhin-
dern konnten an meine Freunde zu denken, aber nicht er-
laubten an ſie zu ſchreiben. Jndeſſen hat jene große
Ruhe von 10 Monaten mich in den Stand geſetzt, je-
nen großen Sprung zu wagen. Da nun gegenwaͤrtiger
Brief und vielleicht noch 2 folgende eine muͤhſame Reiſe
zum Grunde hat, ſo ſehe ich keinen andern Ausweg als
Jhnen fuͤr diesmal mit meinem Tageregiſter aufzuwar-
ten; und damit es Jhnen nicht zu trocken zu leſen ſey,
ſo werde ich, um daſſelbe abzukuͤrzen, oft die Begebenhei-
ten verſchiedener Tage zuſammenziehn. Jn jenen hohen
Gebirgen waͤchſt eine große Menge vom Rheum ſibiri-
cum Pall
deſſen Wurzeln wir unterſuchen, hernach da-
von Saamen ſammlen und ſelbe in Plantagen an beque-
mern Oertern zu veredeln ſuchen ſollten, wie ich von die-
ſem Vorſatz ſchon etwas im erſten Briefe erwaͤhnt habe.
Zu dieſem Endzweck nun wurden von denen zu unſrer
Expedition gehoͤrigen Kaſaken und Soldaten mir 20
Mann nebſt den noͤthigen Pferden zugetheilt, die ich un-
ter gehoͤriger Aufſicht vorausſchickte, um mit mehrerer
Freyheit Materialien zu gegenwaͤrtigen Auſſaͤtzen ſamm-
len zu koͤnnen. Jch verließ demnach die Troitzkiſche
Feſtung den 26ſten April 1791 und ſetzte meinen Weg
laͤngſt der chineſiſchen Graͤnze bald naͤher bald entfernter
davon gegen NO. zu O. fort. Acht Werſte von Kiachta

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[38/0046] Sievers Briefe ungeheuren Wildniß. Sie werden ſich vielleicht wun- dern daß ich zur Verfertigung des vorigen Briefes gan- zer zehn Monathe noͤthig hatte; ein ſchoͤner Schreiber! hoͤre ich Sie rufen; in dieſem verfloſſenen Zeitraum tra- fen indeſſen Umſtaͤnde zuſammen die wohl nicht verhin- dern konnten an meine Freunde zu denken, aber nicht er- laubten an ſie zu ſchreiben. Jndeſſen hat jene große Ruhe von 10 Monaten mich in den Stand geſetzt, je- nen großen Sprung zu wagen. Da nun gegenwaͤrtiger Brief und vielleicht noch 2 folgende eine muͤhſame Reiſe zum Grunde hat, ſo ſehe ich keinen andern Ausweg als Jhnen fuͤr diesmal mit meinem Tageregiſter aufzuwar- ten; und damit es Jhnen nicht zu trocken zu leſen ſey, ſo werde ich, um daſſelbe abzukuͤrzen, oft die Begebenhei- ten verſchiedener Tage zuſammenziehn. Jn jenen hohen Gebirgen waͤchſt eine große Menge vom Rheum ſibiri- cum Pall deſſen Wurzeln wir unterſuchen, hernach da- von Saamen ſammlen und ſelbe in Plantagen an beque- mern Oertern zu veredeln ſuchen ſollten, wie ich von die- ſem Vorſatz ſchon etwas im erſten Briefe erwaͤhnt habe. Zu dieſem Endzweck nun wurden von denen zu unſrer Expedition gehoͤrigen Kaſaken und Soldaten mir 20 Mann nebſt den noͤthigen Pferden zugetheilt, die ich un- ter gehoͤriger Aufſicht vorausſchickte, um mit mehrerer Freyheit Materialien zu gegenwaͤrtigen Auſſaͤtzen ſamm- len zu koͤnnen. Jch verließ demnach die Troitzkiſche Feſtung den 26ſten April 1791 und ſetzte meinen Weg laͤngſt der chineſiſchen Graͤnze bald naͤher bald entfernter davon gegen NO. zu O. fort. Acht Werſte von Kiachta jenſeit

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Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/46>, abgerufen am 26.04.2024.