Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.vorgegangenen Vnterrichts. wie du oben in deinem Unterricht mir diese/ und noch mehr/ alsrecht-stehende Kinder gezeiget hast. XXXVII. Fr. Just. Wie sind diese Geburten nöthig zu bedienen oder zu handeln/ weil sie als rechte Geburten heis- sen und doch Gefahr dabey ist? Wie ist die Gefahr zu ver- hüten? Christ. Eine Wehe-Mutter muß bald bey angehender Geburt/ wo nicht Unglücke/ oder zum wenigsten schwere Ge- burt folgen sol/ durch den Angriff diese Geburten zu unterschei- den wissen/ als dann können sie/ (nechst Gottes Segen) also ver- hütet werden. Eines Theils wenn des Kindes Kopff zu groß ist? Solche Kinder stehen gemeiniglich tieff im Leibe/ und können wegen ihrer Größe nicht so nahe zum Ausgauge der Geburt kommen/ als andere. Da muß solchem Kinde mit den gewöhn- lichen zwey Fingern von der Wehe-Mutter die Hülffe gegeben und wol umfasset werden/ dabey wird sie mercken/ wie sehr sie eine Frau zur Geburts-Arbeit anmahnen darff/ damit nicht Schaden geschehe/ weil bey zu starckem Treiben Mutter und Kind in Lebens-Gefahr gerathen können. Ich sage nicht allein von unnöthigem Eingeben oder Treiben der Wehen durch Artz- neyen/ sondern auch von zu starcker Hülffe/ oder Anmahnung zu helffen/ mehr als das Kind weichen kan. Dieses muß nun die Wehe-Mutter im Angriffe habe; Denn wenn sie ein solch groß-köpfficht Kind/ das viel Oefnung bedarff/ und der Leib von Natur auch schwer zu gebähren ist/ mehr treibet/ als sich der Leib ergeben kan; so wird das Kind zu sehr zusammen geklem- met/ weil es nicht weichen kan/ und muß eher ersticken/ als wenn es bey den natürlichen Wehenbleibet. Die natürlichen Wehen dringen nicht mehr/ als sich die Geburt ergiebet/ dabey geschie- het doch nicht leichtlich Schaden. Solche Wehen werden bey dergleichen Zustande von den meisten Wehe-Müttern und um- stehenden Frauen zu schwache Wehen genennet/ dadurch folget denn
vorgegangenen Vnterrichts. wie du oben in deinem Unterricht mir dieſe/ und noch mehr/ alsrecht-ſtehende Kinder gezeiget haſt. XXXVII. Fr. Juſt. Wie ſind dieſe Geburten noͤthig zu bedienen oder zu handeln/ weil ſie als rechte Geburten heiſ- ſen und doch Gefahr dabey iſt? Wie iſt die Gefahr zu ver- huͤten? Chriſt. Eine Wehe-Mutter muß bald bey angehender Geburt/ wo nicht Ungluͤcke/ oder zum wenigſten ſchwere Ge- burt folgen ſol/ durch den Angriff dieſe Geburten zu unterſchei- den wiſſen/ als dann koͤnnen ſie/ (nechſt Gottes Segen) alſo ver- huͤtet werden. Eines Theils wenn des Kindes Kopff zu groß iſt? Solche Kinder ſtehen gemeiniglich tieff im Leibe/ und koͤnnen wegen ihrer Groͤße nicht ſo nahe zum Ausgauge der Geburt kommen/ als andere. Da muß ſolchem Kinde mit den gewoͤhn- lichen zwey Fingern von der Wehe-Mutter die Huͤlffe gegeben und wol umfaſſet werden/ dabey wird ſie mercken/ wie ſehr ſie eine Frau zur Geburts-Arbeit anmahnen darff/ damit nicht Schaden geſchehe/ weil bey zu ſtarckem Treiben Mutter und Kind in Lebens-Gefahr gerathen koͤnnen. Ich ſage nicht allein von unnoͤthigem Eingeben oder Treiben der Wehen durch Artz- neyen/ ſondern auch von zu ſtarcker Huͤlffe/ oder Anmahnung zu helffen/ mehr als das Kind weichen kan. Dieſes muß nun die Wehe-Mutter im Angriffe habe; Denn wenn ſie ein ſolch groß-koͤpfficht Kind/ das viel Oefnung bedarff/ und der Leib von Natur auch ſchwer zu gebaͤhren iſt/ mehr treibet/ als ſich der Leib ergeben kan; ſo wird das Kind zu ſehr zuſammen geklem- met/ weil es nicht weichen kan/ und muß eher erſticken/ als wenn es bey den natuͤrlichen Wehenbleibet. Die natuͤrlichen Wehen dringen nicht mehr/ als ſich die Geburt ergiebet/ dabey geſchie- het doch nicht leichtlich Schaden. Solche Wehen werden bey dergleichen Zuſtande von den meiſten Wehe-Muͤttern und um- ſtehenden Frauen zu ſchwache Wehen genennet/ dadurch folget denn
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vorgegangenen Vnterrichts.
wie du oben in deinem Unterricht mir dieſe/ und noch mehr/ als
recht-ſtehende Kinder gezeiget haſt.
XXXVII. Fr.
Juſt. Wie ſind dieſe Geburten noͤthig zu
bedienen oder zu handeln/ weil ſie als rechte Geburten heiſ-
ſen und doch Gefahr dabey iſt? Wie iſt die Gefahr zu ver-
huͤten?
Chriſt. Eine Wehe-Mutter muß bald bey angehender
Geburt/ wo nicht Ungluͤcke/ oder zum wenigſten ſchwere Ge-
burt folgen ſol/ durch den Angriff dieſe Geburten zu unterſchei-
den wiſſen/ als dann koͤnnen ſie/ (nechſt Gottes Segen) alſo ver-
huͤtet werden. Eines Theils wenn des Kindes Kopff zu groß
iſt? Solche Kinder ſtehen gemeiniglich tieff im Leibe/ und koͤnnen
wegen ihrer Groͤße nicht ſo nahe zum Ausgauge der Geburt
kommen/ als andere. Da muß ſolchem Kinde mit den gewoͤhn-
lichen zwey Fingern von der Wehe-Mutter die Huͤlffe gegeben
und wol umfaſſet werden/ dabey wird ſie mercken/ wie ſehr ſie
eine Frau zur Geburts-Arbeit anmahnen darff/ damit nicht
Schaden geſchehe/ weil bey zu ſtarckem Treiben Mutter und
Kind in Lebens-Gefahr gerathen koͤnnen. Ich ſage nicht allein
von unnoͤthigem Eingeben oder Treiben der Wehen durch Artz-
neyen/ ſondern auch von zu ſtarcker Huͤlffe/ oder Anmahnung
zu helffen/ mehr als das Kind weichen kan. Dieſes muß nun
die Wehe-Mutter im Angriffe habe; Denn wenn ſie ein ſolch
groß-koͤpfficht Kind/ das viel Oefnung bedarff/ und der Leib von
Natur auch ſchwer zu gebaͤhren iſt/ mehr treibet/ als ſich der
Leib ergeben kan; ſo wird das Kind zu ſehr zuſammen geklem-
met/ weil es nicht weichen kan/ und muß eher erſticken/ als wenn
es bey den natuͤrlichen Wehenbleibet. Die natuͤrlichen Wehen
dringen nicht mehr/ als ſich die Geburt ergiebet/ dabey geſchie-
het doch nicht leichtlich Schaden. Solche Wehen werden bey
dergleichen Zuſtande von den meiſten Wehe-Muͤttern und um-
ſtehenden Frauen zu ſchwache Wehen genennet/ dadurch folget
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Zitationshilfe: | Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/360>, abgerufen am 23.02.2025. |