Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

hatte gute Springer, aber keine Tänzer; ein gewöhn¬
licher Fehler, wo das Ganze nicht mit Einer Seele ar¬
beitet. Ich habe nie wieder so gute Pantomime gese¬
hen als in Warschau aus der Schule des Königs Ponia¬
towsky. An ihm ist ein grosser Balletmeister verloren
gegangen und ein schlechter König gewonnen worden.

In Rom hatte ich einige Höflichkeitsaufträge an
den General Dombrowsky erhalten und er nahm mich
mit vieler Freundlichkeit auf und lud mich mit nordi¬
scher Gastfreyheit auf die ganze Zeit meines Hierseyns
an seinen Tisch. Hier fand ich mit ihm und andern
von Pohlen aus Berührung. Ich hatte ihn einige Mal
in Suworows Hauptquartiere gesehen; und er hatte von
seinem ersten Dienst unser Vaterland Sachsen noch
sehr lieb. Er ist einer von den heutigen Generalen, die
die meiste Wissenschaft ihres Faches haben; und Du
findest bey ihm Bücher und Charten, die Du vielleicht
an vielen andern Orten vergebens suchst. Er ist ein
sehr freyer strenger Beurtheiler militärischer Zeich¬
nungen, fordert das Wesentliche und bekümmert sich
nicht um zierliche Kleinigkeiten. Er hat eine schöne
Sammlung guter Kupferstiche von den Köpfen grosser
Männer; besonders ist darunter ein Gustav Adolph,
der sehr alt und charakteristisch ist und auf den er
viel hält. Eine Anekdote aus diesem nur geendigten
Kriege wird Dir vielleicht nicht unangenehm seyn.
Dombrowsky liebt Schillers dreyssigjährigen Krieg und
trug ihn in seinen Feldzügen in der Tasche. Bey
Novi schlug eine Kugel gerade auf den Ort, wo unten
das Buch lag; und dadurch wurde ihm wahrscheinlich
das Leben gerettet Ich habe das durchschlagene Exem¬

hatte gute Springer, aber keine Tänzer; ein gewöhn¬
licher Fehler, wo das Ganze nicht mit Einer Seele ar¬
beitet. Ich habe nie wieder so gute Pantomime gese¬
hen als in Warschau aus der Schule des Königs Ponia¬
towsky. An ihm ist ein groſser Balletmeister verloren
gegangen und ein schlechter König gewonnen worden.

In Rom hatte ich einige Höflichkeitsaufträge an
den General Dombrowsky erhalten und er nahm mich
mit vieler Freundlichkeit auf und lud mich mit nordi¬
scher Gastfreyheit auf die ganze Zeit meines Hierseyns
an seinen Tisch. Hier fand ich mit ihm und andern
von Pohlen aus Berührung. Ich hatte ihn einige Mal
in Suworows Hauptquartiere gesehen; und er hatte von
seinem ersten Dienst unser Vaterland Sachsen noch
sehr lieb. Er ist einer von den heutigen Generalen, die
die meiste Wissenschaft ihres Faches haben; und Du
findest bey ihm Bücher und Charten, die Du vielleicht
an vielen andern Orten vergebens suchst. Er ist ein
sehr freyer strenger Beurtheiler militärischer Zeich¬
nungen, fordert das Wesentliche und bekümmert sich
nicht um zierliche Kleinigkeiten. Er hat eine schöne
Sammlung guter Kupferstiche von den Köpfen groſser
Männer; besonders ist darunter ein Gustav Adolph,
der sehr alt und charakteristisch ist und auf den er
viel hält. Eine Anekdote aus diesem nur geendigten
Kriege wird Dir vielleicht nicht unangenehm seyn.
Dombrowsky liebt Schillers dreyſsigjährigen Krieg und
trug ihn in seinen Feldzügen in der Tasche. Bey
Novi schlug eine Kugel gerade auf den Ort, wo unten
das Buch lag; und dadurch wurde ihm wahrscheinlich
das Leben gerettet Ich habe das durchschlagene Exem¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0435" n="407 "/>
hatte gute Springer, aber keine Tänzer; ein gewöhn¬<lb/>
licher Fehler, wo das Ganze nicht mit Einer Seele ar¬<lb/>
beitet. Ich habe nie wieder so gute Pantomime gese¬<lb/>
hen als in Warschau aus der Schule des Königs Ponia¬<lb/>
towsky. An ihm ist ein gro&#x017F;ser Balletmeister verloren<lb/>
gegangen und ein schlechter König gewonnen worden.</p><lb/>
        <p>In Rom hatte ich einige Höflichkeitsaufträge an<lb/>
den General Dombrowsky erhalten und er nahm mich<lb/>
mit vieler Freundlichkeit auf und lud mich mit nordi¬<lb/>
scher Gastfreyheit auf die ganze Zeit meines Hierseyns<lb/>
an seinen Tisch. Hier fand ich mit ihm und andern<lb/>
von Pohlen aus Berührung. Ich hatte ihn einige Mal<lb/>
in Suworows Hauptquartiere gesehen; und er hatte von<lb/>
seinem ersten Dienst unser Vaterland Sachsen noch<lb/>
sehr lieb. Er ist einer von den heutigen Generalen, die<lb/>
die meiste Wissenschaft ihres Faches haben; und Du<lb/>
findest bey ihm Bücher und Charten, die Du vielleicht<lb/>
an vielen andern Orten vergebens suchst. Er ist ein<lb/>
sehr freyer strenger Beurtheiler militärischer Zeich¬<lb/>
nungen, fordert das Wesentliche und bekümmert sich<lb/>
nicht um zierliche Kleinigkeiten. Er hat eine schöne<lb/>
Sammlung guter Kupferstiche von den Köpfen gro&#x017F;ser<lb/>
Männer; besonders ist darunter ein Gustav Adolph,<lb/>
der sehr alt und charakteristisch ist und auf den er<lb/>
viel hält. Eine Anekdote aus diesem nur geendigten<lb/>
Kriege wird Dir vielleicht nicht unangenehm seyn.<lb/>
Dombrowsky liebt Schillers drey&#x017F;sigjährigen Krieg und<lb/>
trug ihn in seinen Feldzügen in der Tasche. Bey<lb/>
Novi schlug eine Kugel gerade auf den Ort, wo unten<lb/>
das Buch lag; und dadurch wurde ihm wahrscheinlich<lb/>
das Leben gerettet Ich habe das durchschlagene Exem¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[407 /0435] hatte gute Springer, aber keine Tänzer; ein gewöhn¬ licher Fehler, wo das Ganze nicht mit Einer Seele ar¬ beitet. Ich habe nie wieder so gute Pantomime gese¬ hen als in Warschau aus der Schule des Königs Ponia¬ towsky. An ihm ist ein groſser Balletmeister verloren gegangen und ein schlechter König gewonnen worden. In Rom hatte ich einige Höflichkeitsaufträge an den General Dombrowsky erhalten und er nahm mich mit vieler Freundlichkeit auf und lud mich mit nordi¬ scher Gastfreyheit auf die ganze Zeit meines Hierseyns an seinen Tisch. Hier fand ich mit ihm und andern von Pohlen aus Berührung. Ich hatte ihn einige Mal in Suworows Hauptquartiere gesehen; und er hatte von seinem ersten Dienst unser Vaterland Sachsen noch sehr lieb. Er ist einer von den heutigen Generalen, die die meiste Wissenschaft ihres Faches haben; und Du findest bey ihm Bücher und Charten, die Du vielleicht an vielen andern Orten vergebens suchst. Er ist ein sehr freyer strenger Beurtheiler militärischer Zeich¬ nungen, fordert das Wesentliche und bekümmert sich nicht um zierliche Kleinigkeiten. Er hat eine schöne Sammlung guter Kupferstiche von den Köpfen groſser Männer; besonders ist darunter ein Gustav Adolph, der sehr alt und charakteristisch ist und auf den er viel hält. Eine Anekdote aus diesem nur geendigten Kriege wird Dir vielleicht nicht unangenehm seyn. Dombrowsky liebt Schillers dreyſsigjährigen Krieg und trug ihn in seinen Feldzügen in der Tasche. Bey Novi schlug eine Kugel gerade auf den Ort, wo unten das Buch lag; und dadurch wurde ihm wahrscheinlich das Leben gerettet Ich habe das durchschlagene Exem¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/435
Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 407 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/435>, abgerufen am 26.04.2024.