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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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wohnte im Pallast Kolonna. Die neapolitanische Re¬
gierung hatte dabey in ihrem Ingrimm ihre gewöhn¬
liche alte unüberlegte Strenge gebraucht. In Monte¬
fiaskone traf ich einen Franzosen, der zwey und zwan¬
zig Jahre in Livorno gehandelt hatte und ein gewalti¬
ger Royalist war. Ich wollte schon vor zwölf Jahren
zurück gehen, sagte er mir, aber mein Vaterland ist
diese ganze Zeit über eine Mördergrube und ein ver¬
fluchtes Land gewesen. Die Republikaner und De¬
mokraten sind alle Bösewichter. Nun, da Bonaparte
wieder König ist, werde ich nach Hause gehen und
mein Alter in Ruhe geniessen. Der Mann sagte die¬
ses alles mit den nehmlichen Worten; ich bin nur
Uebersetzer.

Aquapendente an dem Flusse macht eine schöne
Parthie und ist für den Kirchenstaat eine nicht unbe¬
trächtliche Stadt. Was das für eine närrische Benen¬
nung der Oerter ist, sagte ein Engländer, Aquapen¬
dente und Montefiaskone; es muss heissen Montepen¬
dente und Aquafiaskone. Vor Radikofani an der
Gränze bey Torricelli hatte man auch den Kourier ge¬
plündert, und ein toskanischer Dragoner war dabey
umgekommen. Siena ist ziemlich leer. Der heilige
Geruch des Erzbischofs benahm mir alle Lust nur aus
dem Wirthshause zu gehen. Er ist der nehmliche
Herr, der zur Zeit Josephs des Zweyten päbstlicher Le¬
gat in den Niederlanden war, und daselbst allem Gu¬
ten sehr thätig widerstrebte. Neuerlich in der Revo¬
lution, hat er sich durch seine heroische Unvernunft
ausgezeichnet. Die Juden mochten bey Ankunft der
Franzosen den Glauben gewonnen haben, dass sie

wohnte im Pallast Kolonna. Die neapolitanische Re¬
gierung hatte dabey in ihrem Ingrimm ihre gewöhn¬
liche alte unüberlegte Strenge gebraucht. In Monte¬
fiaskone traf ich einen Franzosen, der zwey und zwan¬
zig Jahre in Livorno gehandelt hatte und ein gewalti¬
ger Royalist war. Ich wollte schon vor zwölf Jahren
zurück gehen, sagte er mir, aber mein Vaterland ist
diese ganze Zeit über eine Mördergrube und ein ver¬
fluchtes Land gewesen. Die Republikaner und De¬
mokraten sind alle Bösewichter. Nun, da Bonaparte
wieder König ist, werde ich nach Hause gehen und
mein Alter in Ruhe genieſsen. Der Mann sagte die¬
ses alles mit den nehmlichen Worten; ich bin nur
Uebersetzer.

Aquapendente an dem Flusse macht eine schöne
Parthie und ist für den Kirchenstaat eine nicht unbe¬
trächtliche Stadt. Was das für eine närrische Benen¬
nung der Oerter ist, sagte ein Engländer, Aquapen¬
dente und Montefiaskone; es muſs heiſsen Montepen¬
dente und Aquafiaskone. Vor Radikofani an der
Gränze bey Torricelli hatte man auch den Kourier ge¬
plündert, und ein toskanischer Dragoner war dabey
umgekommen. Siena ist ziemlich leer. Der heilige
Geruch des Erzbischofs benahm mir alle Lust nur aus
dem Wirthshause zu gehen. Er ist der nehmliche
Herr, der zur Zeit Josephs des Zweyten päbstlicher Le¬
gat in den Niederlanden war, und daselbst allem Gu¬
ten sehr thätig widerstrebte. Neuerlich in der Revo¬
lution, hat er sich durch seine heroische Unvernunft
ausgezeichnet. Die Juden mochten bey Ankunft der
Franzosen den Glauben gewonnen haben, daſs sie

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[386 /0414] wohnte im Pallast Kolonna. Die neapolitanische Re¬ gierung hatte dabey in ihrem Ingrimm ihre gewöhn¬ liche alte unüberlegte Strenge gebraucht. In Monte¬ fiaskone traf ich einen Franzosen, der zwey und zwan¬ zig Jahre in Livorno gehandelt hatte und ein gewalti¬ ger Royalist war. Ich wollte schon vor zwölf Jahren zurück gehen, sagte er mir, aber mein Vaterland ist diese ganze Zeit über eine Mördergrube und ein ver¬ fluchtes Land gewesen. Die Republikaner und De¬ mokraten sind alle Bösewichter. Nun, da Bonaparte wieder König ist, werde ich nach Hause gehen und mein Alter in Ruhe genieſsen. Der Mann sagte die¬ ses alles mit den nehmlichen Worten; ich bin nur Uebersetzer. Aquapendente an dem Flusse macht eine schöne Parthie und ist für den Kirchenstaat eine nicht unbe¬ trächtliche Stadt. Was das für eine närrische Benen¬ nung der Oerter ist, sagte ein Engländer, Aquapen¬ dente und Montefiaskone; es muſs heiſsen Montepen¬ dente und Aquafiaskone. Vor Radikofani an der Gränze bey Torricelli hatte man auch den Kourier ge¬ plündert, und ein toskanischer Dragoner war dabey umgekommen. Siena ist ziemlich leer. Der heilige Geruch des Erzbischofs benahm mir alle Lust nur aus dem Wirthshause zu gehen. Er ist der nehmliche Herr, der zur Zeit Josephs des Zweyten päbstlicher Le¬ gat in den Niederlanden war, und daselbst allem Gu¬ ten sehr thätig widerstrebte. Neuerlich in der Revo¬ lution, hat er sich durch seine heroische Unvernunft ausgezeichnet. Die Juden mochten bey Ankunft der Franzosen den Glauben gewonnen haben, daſs sie

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 386 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/414>, abgerufen am 27.04.2024.