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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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ungefähr noch sieben und zwanzig Unzen in Gold lie¬
gen mochten, war inwendig in einer Tasche hoch un¬
ter dem linken Arm und wurde also nicht bemerkt.
Die Leute hatten keine Uniform und durchaus keine
Zeichen als Polizeyreiter: übrigens waren sie für Si¬
cilien sehr anständig gekleidet. Gewehr und Dolche
trägt in Unteritalien zur Schande der Justiz und Poli¬
zey jedermann. Wenn sie ehrlich waren, so thaten
sie wenigstens alles mögliche es nicht zu scheinen:
und das ist an der südlichen Küste von Sicilien fast
eben so schlecht, als wenn bey uns in feiner Gesell¬
schaft ein abgefeimter Schurke gerade das Gegentheil
thut. Ich denke immer, meine anscheinende Armse¬
ligkeit hat mich gerettet und die Uhr und die Unzen
hätten mir den Hals brechen können.

Vor Terra nuova wurde ich wieder freundschaft¬
lich angehalten. Die Leute hoben Getreide aus ihren
unterirdischen Magazinen, wahrscheinlich um es ein¬
zuschiffen. Ich fragte nach einem Gasthause. Man
lud mich ein mich dort ein wenig niederzusetzen und
auszuruhen; ich war wirklich müde und that es. Neu¬
gierigere Leute als in Sicilien habe ich nirgends gefun¬
den; aber im Ganzen fehlt es ihnen nicht an Guther¬
zigkeit. Was schlecht ist kommt alles auf Rechnung
der Regierung und Religionsverfassung. Man fragte
mich sogar ob ich eine Uhr trüge und begriff wieder
nicht, wie ich es nur wagen könnte, so zu reisen.
Und doch bin ich überzeugt, das war immer noch
die sicherste Art, da ich allein war.

In der Stadt im Wirthshause gab man mir ein
Zimmer, worin kein Bett, kein Tisch und kein Stuhl

ungefähr noch sieben und zwanzig Unzen in Gold lie¬
gen mochten, war inwendig in einer Tasche hoch un¬
ter dem linken Arm und wurde also nicht bemerkt.
Die Leute hatten keine Uniform und durchaus keine
Zeichen als Polizeyreiter: übrigens waren sie für Si¬
cilien sehr anständig gekleidet. Gewehr und Dolche
trägt in Unteritalien zur Schande der Juſtiz und Poli¬
zey jedermann. Wenn sie ehrlich waren, so thaten
sie wenigstens alles mögliche es nicht zu scheinen:
und das ist an der südlichen Küste von Sicilien fast
eben so schlecht, als wenn bey uns in feiner Gesell¬
schaft ein abgefeimter Schurke gerade das Gegentheil
thut. Ich denke immer, meine anscheinende Armse¬
ligkeit hat mich gerettet und die Uhr und die Unzen
hätten mir den Hals brechen können.

Vor Terra nuova wurde ich wieder freundschaft¬
lich angehalten. Die Leute hoben Getreide aus ihren
unterirdischen Magazinen, wahrscheinlich um es ein¬
zuschiffen. Ich fragte nach einem Gasthause. Man
lud mich ein mich dort ein wenig niederzusetzen und
auszuruhen; ich war wirklich müde und that es. Neu¬
gierigere Leute als in Sicilien habe ich nirgends gefun¬
den; aber im Ganzen fehlt es ihnen nicht an Guther¬
zigkeit. Was schlecht ist kommt alles auf Rechnung
der Regierung und Religionsverfassung. Man fragte
mich sogar ob ich eine Uhr trüge und begriff wieder
nicht, wie ich es nur wagen könnte, so zu reisen.
Und doch bin ich überzeugt, das war immer noch
die sicherste Art, da ich allein war.

In der Stadt im Wirthshause gab man mir ein
Zimmer, worin kein Bett, kein Tisch und kein Stuhl

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[231/0257] ungefähr noch sieben und zwanzig Unzen in Gold lie¬ gen mochten, war inwendig in einer Tasche hoch un¬ ter dem linken Arm und wurde also nicht bemerkt. Die Leute hatten keine Uniform und durchaus keine Zeichen als Polizeyreiter: übrigens waren sie für Si¬ cilien sehr anständig gekleidet. Gewehr und Dolche trägt in Unteritalien zur Schande der Juſtiz und Poli¬ zey jedermann. Wenn sie ehrlich waren, so thaten sie wenigstens alles mögliche es nicht zu scheinen: und das ist an der südlichen Küste von Sicilien fast eben so schlecht, als wenn bey uns in feiner Gesell¬ schaft ein abgefeimter Schurke gerade das Gegentheil thut. Ich denke immer, meine anscheinende Armse¬ ligkeit hat mich gerettet und die Uhr und die Unzen hätten mir den Hals brechen können. Vor Terra nuova wurde ich wieder freundschaft¬ lich angehalten. Die Leute hoben Getreide aus ihren unterirdischen Magazinen, wahrscheinlich um es ein¬ zuschiffen. Ich fragte nach einem Gasthause. Man lud mich ein mich dort ein wenig niederzusetzen und auszuruhen; ich war wirklich müde und that es. Neu¬ gierigere Leute als in Sicilien habe ich nirgends gefun¬ den; aber im Ganzen fehlt es ihnen nicht an Guther¬ zigkeit. Was schlecht ist kommt alles auf Rechnung der Regierung und Religionsverfassung. Man fragte mich sogar ob ich eine Uhr trüge und begriff wieder nicht, wie ich es nur wagen könnte, so zu reisen. Und doch bin ich überzeugt, das war immer noch die sicherste Art, da ich allein war. In der Stadt im Wirthshause gab man mir ein Zimmer, worin kein Bett, kein Tisch und kein Stuhl

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/257>, abgerufen am 26.04.2024.