Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

Nun bin ich bey den Helvetiern und fast wieder im
deutschen Vaterlande, und bereite mich in einigen Ta¬
gen einen kleinen Abstecher zu den Galliern zu ma¬
chen. Viel Erbauliches wird nach allen Aspekten dort
jetzt füglich nicht zu sehen und zu hören seyn: in¬
dessen da ich einmal in Bewegung bin, will ich doch
an die Seine hinunter wandeln. Wenn ich wieder
fest sitze möchte es etwas schwer halten.

Den vierzehnten Juny ging ich aus Mailand und
ging diesen Tag herüber nach Sesto am Ticino, den
ich nicht für so beträchtlich gehalten hätte als ich ihn
fand. In der Gegend von Mailand war schon eine
Menge Getreide geerntet und alles war in voller Ar¬
beit; und als ich über den Berg herüber kam, fing
das Korn nach Altorf herunter eben erst an zu schos¬
sen: das ist merklicher Kontrast. Die grösste Wohl¬
that war mir nun wieder das schöne Wasser, das ich
überall fand. Von Mailand hatte ich die beschneyten
Alpen mit Vergnügen gesehen und nun nahte ich mich
ihnen mit jedem Schritte, und kam bald selbst hinein.
Von Sesto aus fuhr ich auf dem Ticino und dem La¬
go maggiore herauf, bloss um die schöne Gegend zu
geniessen, die wirklich herrlich ist. Ich kam aus Un¬
teritalien und Sicilien und gab mir also keine grosse
Mühe die Borromeischen Inseln in der Nähe zu sehen,
da mein Schiffer mir sagte, es würde mich einen Tag
mehr und also wohl zwey Dukaten mehr kosten. Ich
sah also bey Varone links an der Anhöhe den gigan¬


Nun bin ich bey den Helvetiern und fast wieder im
deutschen Vaterlande, und bereite mich in einigen Ta¬
gen einen kleinen Abstecher zu den Galliern zu ma¬
chen. Viel Erbauliches wird nach allen Aspekten dort
jetzt füglich nicht zu sehen und zu hören seyn: in¬
dessen da ich einmal in Bewegung bin, will ich doch
an die Seine hinunter wandeln. Wenn ich wieder
fest sitze möchte es etwas schwer halten.

Den vierzehnten Juny ging ich aus Mailand und
ging diesen Tag herüber nach Sesto am Ticino, den
ich nicht für so beträchtlich gehalten hätte als ich ihn
fand. In der Gegend von Mailand war schon eine
Menge Getreide geerntet und alles war in voller Ar¬
beit; und als ich über den Berg herüber kam, fing
das Korn nach Altorf herunter eben erst an zu schos¬
sen: das ist merklicher Kontrast. Die gröſste Wohl¬
that war mir nun wieder das schöne Wasser, das ich
überall fand. Von Mailand hatte ich die beschneyten
Alpen mit Vergnügen gesehen und nun nahte ich mich
ihnen mit jedem Schritte, und kam bald selbst hinein.
Von Sesto aus fuhr ich auf dem Ticino und dem La¬
go maggiore herauf, bloſs um die schöne Gegend zu
genieſsen, die wirklich herrlich ist. Ich kam aus Un¬
teritalien und Sicilien und gab mir also keine groſse
Mühe die Borromeischen Inseln in der Nähe zu sehen,
da mein Schiffer mir sagte, es würde mich einen Tag
mehr und also wohl zwey Dukaten mehr kosten. Ich
sah also bey Varone links an der Anhöhe den gigan¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0440" n="[412]"/>
      <div>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Zürich</hi>.</hi> </dateline><lb/>
        <p><hi rendition="#in">N</hi>un bin ich bey den Helvetiern und fast wieder im<lb/>
deutschen Vaterlande, und bereite mich in einigen Ta¬<lb/>
gen einen kleinen Abstecher zu den Galliern zu ma¬<lb/>
chen. Viel Erbauliches wird nach allen Aspekten dort<lb/>
jetzt füglich nicht zu sehen und zu hören seyn: in¬<lb/>
dessen da ich einmal in Bewegung bin, will ich doch<lb/>
an die Seine hinunter wandeln. Wenn ich wieder<lb/>
fest sitze möchte es etwas schwer halten.</p><lb/>
        <p>Den vierzehnten Juny ging ich aus Mailand und<lb/>
ging diesen Tag herüber nach Sesto am Ticino, den<lb/>
ich nicht für so beträchtlich gehalten hätte als ich ihn<lb/>
fand. In der Gegend von Mailand war schon eine<lb/>
Menge Getreide geerntet und alles war in voller Ar¬<lb/>
beit; und als ich über den Berg herüber kam, fing<lb/>
das Korn nach Altorf herunter eben erst an zu schos¬<lb/>
sen: das ist merklicher Kontrast. Die grö&#x017F;ste Wohl¬<lb/>
that war mir nun wieder das schöne Wasser, das ich<lb/>
überall fand. Von Mailand hatte ich die beschneyten<lb/>
Alpen mit Vergnügen gesehen und nun nahte ich mich<lb/>
ihnen mit jedem Schritte, und kam bald selbst hinein.<lb/>
Von Sesto aus fuhr ich auf dem Ticino und dem La¬<lb/>
go maggiore herauf, blo&#x017F;s um die schöne Gegend zu<lb/>
genie&#x017F;sen, die wirklich herrlich ist. Ich kam aus Un¬<lb/>
teritalien und Sicilien und gab mir also keine gro&#x017F;se<lb/>
Mühe die Borromeischen Inseln in der Nähe zu sehen,<lb/>
da mein Schiffer mir sagte, es würde mich einen Tag<lb/>
mehr und also wohl zwey Dukaten mehr kosten. Ich<lb/>
sah also bey Varone links an der Anhöhe den gigan¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[412]/0440] Zürich. Nun bin ich bey den Helvetiern und fast wieder im deutschen Vaterlande, und bereite mich in einigen Ta¬ gen einen kleinen Abstecher zu den Galliern zu ma¬ chen. Viel Erbauliches wird nach allen Aspekten dort jetzt füglich nicht zu sehen und zu hören seyn: in¬ dessen da ich einmal in Bewegung bin, will ich doch an die Seine hinunter wandeln. Wenn ich wieder fest sitze möchte es etwas schwer halten. Den vierzehnten Juny ging ich aus Mailand und ging diesen Tag herüber nach Sesto am Ticino, den ich nicht für so beträchtlich gehalten hätte als ich ihn fand. In der Gegend von Mailand war schon eine Menge Getreide geerntet und alles war in voller Ar¬ beit; und als ich über den Berg herüber kam, fing das Korn nach Altorf herunter eben erst an zu schos¬ sen: das ist merklicher Kontrast. Die gröſste Wohl¬ that war mir nun wieder das schöne Wasser, das ich überall fand. Von Mailand hatte ich die beschneyten Alpen mit Vergnügen gesehen und nun nahte ich mich ihnen mit jedem Schritte, und kam bald selbst hinein. Von Sesto aus fuhr ich auf dem Ticino und dem La¬ go maggiore herauf, bloſs um die schöne Gegend zu genieſsen, die wirklich herrlich ist. Ich kam aus Un¬ teritalien und Sicilien und gab mir also keine groſse Mühe die Borromeischen Inseln in der Nähe zu sehen, da mein Schiffer mir sagte, es würde mich einen Tag mehr und also wohl zwey Dukaten mehr kosten. Ich sah also bey Varone links an der Anhöhe den gigan¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/440
Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. [412]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/440>, abgerufen am 19.11.2024.