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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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Die Geburtshilfe ist derjenige Zweig der Medicin, welcher
die höchste Aufgabe derselben, nämlich Rettung des bedroh-
ten menschlichen Lebens, in zahlreichen Fällen am augen-
scheinlichsten löst. Unter vielen Fällen wollen wir nur die
Querlage des reifen Kindes anführen. Mutter und Kind sind
einem sicheren Tode verfallen, wenn die Geburt der Natur
überlassen bleibt, während die rechtzeitig hilfeleistende Hand
des Geburtshelfers durch beinahe schmerzlose, kaum einige
Minuten in Anspruch nehmende Handgriffe beide rettet.

Diesen Vorzug der Geburtshilfe, mit welchem ich schon
in den theoretischen Vorlesungen dieses Faches bekannt ge-
macht wurde, fand ich zwar allerdings vollkommen bestätiget,
als ich Gelegenheit hatte, im grossen Wiener Gebärhause die
Geburtshilfe auch von ihrer praktischen Seite kennen zu ler-
nen. Aber leider sah ich, dass die Anzahl von Fällen, in wel-
chen der Geburtshelfer so segensreich wirken kann, ver-
schwindend klein sei im Vergleiche mit der grossen Anzahl
von Opfern, denen er nur eine erfolglose Hilfe bringen kann.
Diese Schattenseite der Geburtshilfe ist das Kindbettfieber.
Zehn, fünfzehn Wendungen sah ich im Jahre mit Rettung der
Mutter und des Kindes vollführen, aber viele hundert von
Wöchnerinnen sah ich erfolglos am Kindbettfieber behandeln,

Semmelweis, Kindbettfieber. 1

Die Geburtshilfe ist derjenige Zweig der Medicin, welcher
die höchste Aufgabe derselben, nämlich Rettung des bedroh-
ten menschlichen Lebens, in zahlreichen Fällen am augen-
scheinlichsten löst. Unter vielen Fällen wollen wir nur die
Querlage des reifen Kindes anführen. Mutter und Kind sind
einem sicheren Tode verfallen, wenn die Geburt der Natur
überlassen bleibt, während die rechtzeitig hilfeleistende Hand
des Geburtshelfers durch beinahe schmerzlose, kaum einige
Minuten in Anspruch nehmende Handgriffe beide rettet.

Diesen Vorzug der Geburtshilfe, mit welchem ich schon
in den theoretischen Vorlesungen dieses Faches bekannt ge-
macht wurde, fand ich zwar allerdings vollkommen bestätiget,
als ich Gelegenheit hatte, im grossen Wiener Gebärhause die
Geburtshilfe auch von ihrer praktischen Seite kennen zu ler-
nen. Aber leider sah ich, dass die Anzahl von Fällen, in wel-
chen der Geburtshelfer so segensreich wirken kann, ver-
schwindend klein sei im Vergleiche mit der grossen Anzahl
von Opfern, denen er nur eine erfolglose Hilfe bringen kann.
Diese Schattenseite der Geburtshilfe ist das Kindbettfieber.
Zehn, fünfzehn Wendungen sah ich im Jahre mit Rettung der
Mutter und des Kindes vollführen, aber viele hundert von
Wöchnerinnen sah ich erfolglos am Kindbettfieber behandeln,

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[[1]/0013] Die Geburtshilfe ist derjenige Zweig der Medicin, welcher die höchste Aufgabe derselben, nämlich Rettung des bedroh- ten menschlichen Lebens, in zahlreichen Fällen am augen- scheinlichsten löst. Unter vielen Fällen wollen wir nur die Querlage des reifen Kindes anführen. Mutter und Kind sind einem sicheren Tode verfallen, wenn die Geburt der Natur überlassen bleibt, während die rechtzeitig hilfeleistende Hand des Geburtshelfers durch beinahe schmerzlose, kaum einige Minuten in Anspruch nehmende Handgriffe beide rettet. Diesen Vorzug der Geburtshilfe, mit welchem ich schon in den theoretischen Vorlesungen dieses Faches bekannt ge- macht wurde, fand ich zwar allerdings vollkommen bestätiget, als ich Gelegenheit hatte, im grossen Wiener Gebärhause die Geburtshilfe auch von ihrer praktischen Seite kennen zu ler- nen. Aber leider sah ich, dass die Anzahl von Fällen, in wel- chen der Geburtshelfer so segensreich wirken kann, ver- schwindend klein sei im Vergleiche mit der grossen Anzahl von Opfern, denen er nur eine erfolglose Hilfe bringen kann. Diese Schattenseite der Geburtshilfe ist das Kindbettfieber. Zehn, fünfzehn Wendungen sah ich im Jahre mit Rettung der Mutter und des Kindes vollführen, aber viele hundert von Wöchnerinnen sah ich erfolglos am Kindbettfieber behandeln, Semmelweis, Kindbettfieber. 1

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/13>, abgerufen am 21.11.2024.