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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Vorwort.

Wie staunenswerth auch die Rüstigkeit sein mag, mit welcher
in den letzten Decennien die geographischen Forschungen fort-
geschritten, derjenige, welcher sich in das Studium der Erdkunde
versenkt, wird nur zu bald gewahr, wie spärlich oft noch das
Material über einzelne Planetestellen fließt, wie viele Orte, ja
ganze Regionen es gibt, die noch niemals der Fuß eines gebil-
deten Europäers betreten hat. Geradezu überraschend mag es
erscheinen, daß solche gar nicht oder nur sehr oberflächlich ge-
kannte Gebiete mitunter hart an der Schwelle dicht bewohnter
und oft durchstreifter Länder, ja in der nächsten Nähe der
europäischen Culturstaaten liegen. Nirgends ist dies mehr der
Fall, als in jenen Länderstrichen, welche wir kurzweg als den
"Orient" zu bezeichnen pflegen und worunter man die europäische
Balkan-Halbinsel und ganz Vorder-Asien, d. h. Klein-Asien mit
den syrischen Gestaden bis an die Hochstufen Persiens versteht.
Noch sind es nur wenige Jahre her, daß das heute viel genannte
Bulgarien so gut wie völlig unbekannt gewesen und kaum fünf-
zehn deutsche Meilen von den schwarzgelben Grenzpfählen eine
wahre terra incognita sich ausbreitete, von welcher die Ausdauer
eines österreichischen Forschers erst kurz vor Ausbruch des jüngsten
türkisch-russischen Krieges den Schleier hinweggezogen hat. Bis
dahin wußte man über einzelne Theile Afrikas thatsächlich
genaueren Bescheid, als über das uns doch so nahe gelegene
Innere des osmanischen Reiches.

Die Regionen, in welche der durch frühere Arbeiten schon
vortheilhaft bekannte Verfasser des vorliegenden Buches den Leser
hauptsächlich führt, sind nun zwar nicht eine terra incognita in
dem Sinne, daß sie niemals besucht und untersucht worden
wären; vielmehr haben verschiedene, freilich nicht all zu viele

Vorwort.

Wie ſtaunenswerth auch die Rüſtigkeit ſein mag, mit welcher
in den letzten Decennien die geographiſchen Forſchungen fort-
geſchritten, derjenige, welcher ſich in das Studium der Erdkunde
verſenkt, wird nur zu bald gewahr, wie ſpärlich oft noch das
Material über einzelne Planeteſtellen fließt, wie viele Orte, ja
ganze Regionen es gibt, die noch niemals der Fuß eines gebil-
deten Europäers betreten hat. Geradezu überraſchend mag es
erſcheinen, daß ſolche gar nicht oder nur ſehr oberflächlich ge-
kannte Gebiete mitunter hart an der Schwelle dicht bewohnter
und oft durchſtreifter Länder, ja in der nächſten Nähe der
europäiſchen Culturſtaaten liegen. Nirgends iſt dies mehr der
Fall, als in jenen Länderſtrichen, welche wir kurzweg als den
„Orient“ zu bezeichnen pflegen und worunter man die europäiſche
Balkan-Halbinſel und ganz Vorder-Aſien, d. h. Klein-Aſien mit
den ſyriſchen Geſtaden bis an die Hochſtufen Perſiens verſteht.
Noch ſind es nur wenige Jahre her, daß das heute viel genannte
Bulgarien ſo gut wie völlig unbekannt geweſen und kaum fünf-
zehn deutſche Meilen von den ſchwarzgelben Grenzpfählen eine
wahre terra incognita ſich ausbreitete, von welcher die Ausdauer
eines öſterreichiſchen Forſchers erſt kurz vor Ausbruch des jüngſten
türkiſch-ruſſiſchen Krieges den Schleier hinweggezogen hat. Bis
dahin wußte man über einzelne Theile Afrikas thatſächlich
genaueren Beſcheid, als über das uns doch ſo nahe gelegene
Innere des osmaniſchen Reiches.

Die Regionen, in welche der durch frühere Arbeiten ſchon
vortheilhaft bekannte Verfaſſer des vorliegenden Buches den Leſer
hauptſächlich führt, ſind nun zwar nicht eine terra incognita in
dem Sinne, daß ſie niemals beſucht und unterſucht worden
wären; vielmehr haben verſchiedene, freilich nicht all zu viele

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. [VII]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/11>, abgerufen am 16.11.2024.