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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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B. Zweiter (spezieller) Teil.
wie sie z. B. für die fiskalischen Forstarbeiter am Harz 1) bestanden,
gab es mannigfache Abstufungen bis zu ganz einfachen Formen, bei
denen die jeweils bei der Fällung und Bringung thätigen Genossen einen
gewissen Prozentsatz ihres Lohnes (1--2 Proz.) zur Bildung des nur für
eine einzige Fällungsperiode bestimmten Fonds zusammenschossen. Viel-
fach existierte überhaupt gar keine Kasse, sondern der Waldbesitzer,
namentlich der Staat, gewährte bei Unglücksfällen, selten auch bei Er-
krankungen und nur ganz ausnahmsweise dauernd für Invaliden, aus
freier Initiative Unterstützungen, welche jedoch den Charakter eines
Gnadenbeweises oder Almosens trugen.

Ahnlich liegen die Verhältnisse ausserhalb Deutschlands gegen-
wärtig fast noch allenthalben.

Wenn auch nicht verkannt werden darf, dass diese Institutionen
viel Gutes und teilweise Vorzügliches geleistet haben, sowie auch heute
noch leisten, so können doch die von dem Belieben, guten Willen und
Verständnis des Arbeitgebers und ebenso auch der Arbeitnehmer ab-
hängigen Einrichtungen unseren modernen Ansprüchen, welche ein ge-
wisses Minimum von Fürsorge allen Arbeitnehmern gesichert wissen
wollen, nicht mehr genügen.

Durch die deutsche Sozialgesetzgebung über Arbeiterversicherung
sind die wichtigsten Gebiete: Krankenversicherung, Unfallver-
sicherung,
sowie Alters- und Invaliditätsversicherung staat-
lich organisiert. Die ständigen Waldarbeiterversicherungskassen haben
sich daher entweder aufgelöst oder meist auf das Gebiet der Kranken-
versicherung,
wo die Waldarbeiter z. Z. noch am schlechtesten
bedacht sind, beschränkt, indem sie entweder Betriebskrankenkassen
geworden sind oder sich den Bedingungen unterworfen haben, welche
das Reichsgesetz an die freien oder eingeschriebenen Hilfskassen stellt.

1) Die Forstarbeiter-Unterstützungskasse zu Clausthal gewährte ihren Mitglie-
dern folgende Leistungen: 1. freie Kur und Arznei für ihre Person; 2. ein Krankengeld
von 60 Pf. für den Werktag; 3. Invalidenpension. Die ohne nachweislich grobes
Verschulden ganz oder teilweise arbeitsunfähig gewordenen Personen erhielten als
Ganzinvaliden monatlich 15 M., als Halbinvaliden 9 M. Wurde die Arbeitsunfähig-
keit durch eine Beschädigung bei der fiskalischen Arbeit herbeigeführt, so wurde die
Pension um 3/10 erhöht. Ferner: 4. eine Beisteuer zu den Begräbniskosten von 30--45 M.;
5. eine Witwenpension von monatlich 4 M.; auch diese wurde, wenn der Tod Folge
eines Unfalls bei der fiskalischen Waldarbeit war, um 3/10 erhöht; 6. eine Waisen-
pension bis zum vollendeten 14. Lebensjahre und zwar für Doppelwaisen 3,50 M.,
für vaterlose Waisen 2 M. monatlich; 7. eine Schulgeldbeisteuer von vierteljährlich
50 Pf.; 8. in besonderen Fällen ausserordentliche Unterstützungen. Die Einnahmen
der Kasse bestanden hauptsächlich aus den monatlichen Beiträgen der aktiven Mit-
glieder von 2,50 M. (ca. 5,2 Proz. des Lohnes), aus einem Staatsbeitrage von gleicher
Höhe und den Zinsen eines ca. 270000 M. betragenden Kapitalvermögens. Hierzu
kamen noch Eintrittsgelder, Urlaubsgelder und Strafgelder.

B. Zweiter (spezieller) Teil.
wie sie z. B. für die fiskalischen Forstarbeiter am Harz 1) bestanden,
gab es mannigfache Abstufungen bis zu ganz einfachen Formen, bei
denen die jeweils bei der Fällung und Bringung thätigen Genossen einen
gewissen Prozentsatz ihres Lohnes (1—2 Proz.) zur Bildung des nur für
eine einzige Fällungsperiode bestimmten Fonds zusammenschossen. Viel-
fach existierte überhaupt gar keine Kasse, sondern der Waldbesitzer,
namentlich der Staat, gewährte bei Unglücksfällen, selten auch bei Er-
krankungen und nur ganz ausnahmsweise dauernd für Invaliden, aus
freier Initiative Unterstützungen, welche jedoch den Charakter eines
Gnadenbeweises oder Almosens trugen.

Ahnlich liegen die Verhältnisse auſserhalb Deutschlands gegen-
wärtig fast noch allenthalben.

Wenn auch nicht verkannt werden darf, daſs diese Institutionen
viel Gutes und teilweise Vorzügliches geleistet haben, sowie auch heute
noch leisten, so können doch die von dem Belieben, guten Willen und
Verständnis des Arbeitgebers und ebenso auch der Arbeitnehmer ab-
hängigen Einrichtungen unseren modernen Ansprüchen, welche ein ge-
wisses Minimum von Fürsorge allen Arbeitnehmern gesichert wissen
wollen, nicht mehr genügen.

Durch die deutsche Sozialgesetzgebung über Arbeiterversicherung
sind die wichtigsten Gebiete: Krankenversicherung, Unfallver-
sicherung,
sowie Alters- und Invaliditätsversicherung staat-
lich organisiert. Die ständigen Waldarbeiterversicherungskassen haben
sich daher entweder aufgelöst oder meist auf das Gebiet der Kranken-
versicherung,
wo die Waldarbeiter z. Z. noch am schlechtesten
bedacht sind, beschränkt, indem sie entweder Betriebskrankenkassen
geworden sind oder sich den Bedingungen unterworfen haben, welche
das Reichsgesetz an die freien oder eingeschriebenen Hilfskassen stellt.

1) Die Forstarbeiter-Unterstützungskasse zu Clausthal gewährte ihren Mitglie-
dern folgende Leistungen: 1. freie Kur und Arznei für ihre Person; 2. ein Krankengeld
von 60 Pf. für den Werktag; 3. Invalidenpension. Die ohne nachweislich grobes
Verschulden ganz oder teilweise arbeitsunfähig gewordenen Personen erhielten als
Ganzinvaliden monatlich 15 M., als Halbinvaliden 9 M. Wurde die Arbeitsunfähig-
keit durch eine Beschädigung bei der fiskalischen Arbeit herbeigeführt, so wurde die
Pension um 3/10 erhöht. Ferner: 4. eine Beisteuer zu den Begräbniskosten von 30—45 M.;
5. eine Witwenpension von monatlich 4 M.; auch diese wurde, wenn der Tod Folge
eines Unfalls bei der fiskalischen Waldarbeit war, um 3/10 erhöht; 6. eine Waisen-
pension bis zum vollendeten 14. Lebensjahre und zwar für Doppelwaisen 3,50 M.,
für vaterlose Waisen 2 M. monatlich; 7. eine Schulgeldbeisteuer von vierteljährlich
50 Pf.; 8. in besonderen Fällen auſserordentliche Unterstützungen. Die Einnahmen
der Kasse bestanden hauptsächlich aus den monatlichen Beiträgen der aktiven Mit-
glieder von 2,50 M. (ca. 5,2 Proz. des Lohnes), aus einem Staatsbeitrage von gleicher
Höhe und den Zinsen eines ca. 270000 M. betragenden Kapitalvermögens. Hierzu
kamen noch Eintrittsgelder, Urlaubsgelder und Strafgelder.
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[210/0228] B. Zweiter (spezieller) Teil. wie sie z. B. für die fiskalischen Forstarbeiter am Harz 1) bestanden, gab es mannigfache Abstufungen bis zu ganz einfachen Formen, bei denen die jeweils bei der Fällung und Bringung thätigen Genossen einen gewissen Prozentsatz ihres Lohnes (1—2 Proz.) zur Bildung des nur für eine einzige Fällungsperiode bestimmten Fonds zusammenschossen. Viel- fach existierte überhaupt gar keine Kasse, sondern der Waldbesitzer, namentlich der Staat, gewährte bei Unglücksfällen, selten auch bei Er- krankungen und nur ganz ausnahmsweise dauernd für Invaliden, aus freier Initiative Unterstützungen, welche jedoch den Charakter eines Gnadenbeweises oder Almosens trugen. Ahnlich liegen die Verhältnisse auſserhalb Deutschlands gegen- wärtig fast noch allenthalben. Wenn auch nicht verkannt werden darf, daſs diese Institutionen viel Gutes und teilweise Vorzügliches geleistet haben, sowie auch heute noch leisten, so können doch die von dem Belieben, guten Willen und Verständnis des Arbeitgebers und ebenso auch der Arbeitnehmer ab- hängigen Einrichtungen unseren modernen Ansprüchen, welche ein ge- wisses Minimum von Fürsorge allen Arbeitnehmern gesichert wissen wollen, nicht mehr genügen. Durch die deutsche Sozialgesetzgebung über Arbeiterversicherung sind die wichtigsten Gebiete: Krankenversicherung, Unfallver- sicherung, sowie Alters- und Invaliditätsversicherung staat- lich organisiert. Die ständigen Waldarbeiterversicherungskassen haben sich daher entweder aufgelöst oder meist auf das Gebiet der Kranken- versicherung, wo die Waldarbeiter z. Z. noch am schlechtesten bedacht sind, beschränkt, indem sie entweder Betriebskrankenkassen geworden sind oder sich den Bedingungen unterworfen haben, welche das Reichsgesetz an die freien oder eingeschriebenen Hilfskassen stellt. 1) Die Forstarbeiter-Unterstützungskasse zu Clausthal gewährte ihren Mitglie- dern folgende Leistungen: 1. freie Kur und Arznei für ihre Person; 2. ein Krankengeld von 60 Pf. für den Werktag; 3. Invalidenpension. Die ohne nachweislich grobes Verschulden ganz oder teilweise arbeitsunfähig gewordenen Personen erhielten als Ganzinvaliden monatlich 15 M., als Halbinvaliden 9 M. Wurde die Arbeitsunfähig- keit durch eine Beschädigung bei der fiskalischen Arbeit herbeigeführt, so wurde die Pension um 3/10 erhöht. Ferner: 4. eine Beisteuer zu den Begräbniskosten von 30—45 M.; 5. eine Witwenpension von monatlich 4 M.; auch diese wurde, wenn der Tod Folge eines Unfalls bei der fiskalischen Waldarbeit war, um 3/10 erhöht; 6. eine Waisen- pension bis zum vollendeten 14. Lebensjahre und zwar für Doppelwaisen 3,50 M., für vaterlose Waisen 2 M. monatlich; 7. eine Schulgeldbeisteuer von vierteljährlich 50 Pf.; 8. in besonderen Fällen auſserordentliche Unterstützungen. Die Einnahmen der Kasse bestanden hauptsächlich aus den monatlichen Beiträgen der aktiven Mit- glieder von 2,50 M. (ca. 5,2 Proz. des Lohnes), aus einem Staatsbeitrage von gleicher Höhe und den Zinsen eines ca. 270000 M. betragenden Kapitalvermögens. Hierzu kamen noch Eintrittsgelder, Urlaubsgelder und Strafgelder.

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/228>, abgerufen am 26.04.2024.