Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

dert; allmählig erhalten dann auch die übrigen Theilchen
nach einander ihren gehörigen Antheil von Kalkerde, so
dass jedes kleinste Theilchen nicht eher Kalkerde che-
misch bindet, bis es sich vollständig damit sättigen kann.
Die letztere Ansicht scheint mir bei weitem wahrscheinli-
cher, wegen der Analogie mit den anorganischen Verbin-
dungen und wegen des oben erwähnten körnigen Anse-
hens, welches der in der Verknöcherung begriffene Knor-
pel hat. Denn nach der ersten Ansicht müsste sich um
den Markkanälchen, in deren Nähe die Ablagerung der
Kalkerde zuerst beginnt, eine nach aussen immer blasser
werdende dunkle Schattirung zeigen, nicht aber ein kör-
niges Ansehen.

Bei der Aehnlichkeit, welche die jungen Knorpelzel-
len, besonders wenn sie sich in Fasern verlängern, mit
den eigentlichen Faserzellen haben, z. B. mit den primi-
tiven Zellgewebezellen, die ebenfalls Anfangs in einer
Menge von strukturlosem Cytoblastem liegen, ist der Ueber-
gang des Knorpelgewebes in das Fasergewebe durch die
Faserknorpel leicht einzusehen. Jede primitive Zellgewe-
bezelle, also auch jedes aus ihr entstandene Faserbündel,
entspricht Einem einzelnen Knorpelkörperchen.

2) Zähne.

Die Zähne wurden früher zu den Knochen gerech-
net, später aber als gefässlose Gebilde bei dem Hornge-
webe abgehandelt. Seit der Entdeckung von Miescher
aber, dass bei den Knochen die Gefässe auch nur in den
Markkanälchen verlaufen, seit der Beobachtung von J.
Müller, dass die Zähne ebenfalls beim Kochen Leim ge-
ben, wie die Knochen, und seit der Auffindung von Kno-
chenkörperchen in der eigenthümlichen Zahnsubstanz durch
Retzius scheint es passender, die Zähne wieder mit den
Knochen in eine Klasse zu stellen, um so mehr, da wir
jetzt wissen, dass das Vorhandensein oder die Abwesen-
heit von Gefässen keinen wesentlichen Unterschied in
dem Wachsthum begründet. Die Stellung der Zähne ne-

dert; allmählig erhalten dann auch die übrigen Theilchen
nach einander ihren gehörigen Antheil von Kalkerde, so
daſs jedes kleinste Theilchen nicht eher Kalkerde che-
misch bindet, bis es sich vollständig damit sättigen kann.
Die letztere Ansicht scheint mir bei weitem wahrscheinli-
cher, wegen der Analogie mit den anorganischen Verbin-
dungen und wegen des oben erwähnten körnigen Anse-
hens, welches der in der Verknöcherung begriffene Knor-
pel hat. Denn nach der ersten Ansicht müſste sich um
den Markkanälchen, in deren Nähe die Ablagerung der
Kalkerde zuerst beginnt, eine nach auſsen immer blasser
werdende dunkle Schattirung zeigen, nicht aber ein kör-
niges Ansehen.

Bei der Aehnlichkeit, welche die jungen Knorpelzel-
len, besonders wenn sie sich in Fasern verlängern, mit
den eigentlichen Faserzellen haben, z. B. mit den primi-
tiven Zellgewebezellen, die ebenfalls Anfangs in einer
Menge von strukturlosem Cytoblastem liegen, ist der Ueber-
gang des Knorpelgewebes in das Fasergewebe durch die
Faserknorpel leicht einzusehen. Jede primitive Zellgewe-
bezelle, also auch jedes aus ihr entstandene Faserbündel,
entspricht Einem einzelnen Knorpelkörperchen.

2) Zähne.

Die Zähne wurden früher zu den Knochen gerech-
net, später aber als gefäſslose Gebilde bei dem Hornge-
webe abgehandelt. Seit der Entdeckung von Miescher
aber, daſs bei den Knochen die Gefäſse auch nur in den
Markkanälchen verlaufen, seit der Beobachtung von J.
Müller, daſs die Zähne ebenfalls beim Kochen Leim ge-
ben, wie die Knochen, und seit der Auffindung von Kno-
chenkörperchen in der eigenthümlichen Zahnsubstanz durch
Retzius scheint es passender, die Zähne wieder mit den
Knochen in eine Klasse zu stellen, um so mehr, da wir
jetzt wissen, daſs das Vorhandensein oder die Abwesen-
heit von Gefäſsen keinen wesentlichen Unterschied in
dem Wachsthum begründet. Die Stellung der Zähne ne-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0141" n="117"/>
dert; allmählig erhalten dann auch die übrigen Theilchen<lb/>
nach einander ihren gehörigen Antheil von Kalkerde, so<lb/>
da&#x017F;s jedes kleinste Theilchen nicht eher Kalkerde che-<lb/>
misch bindet, bis es sich vollständig damit sättigen kann.<lb/>
Die letztere Ansicht scheint mir bei weitem wahrscheinli-<lb/>
cher, wegen der Analogie mit den anorganischen Verbin-<lb/>
dungen und wegen des oben erwähnten körnigen Anse-<lb/>
hens, welches der in der Verknöcherung begriffene Knor-<lb/>
pel hat. Denn nach der ersten Ansicht mü&#x017F;ste sich um<lb/>
den Markkanälchen, in deren Nähe die Ablagerung der<lb/>
Kalkerde zuerst beginnt, eine nach au&#x017F;sen immer blasser<lb/>
werdende dunkle Schattirung zeigen, nicht aber ein kör-<lb/>
niges Ansehen.</p><lb/>
              <p>Bei der Aehnlichkeit, welche die jungen Knorpelzel-<lb/>
len, besonders wenn sie sich in Fasern verlängern, mit<lb/>
den eigentlichen Faserzellen haben, z. B. mit den primi-<lb/>
tiven Zellgewebezellen, die ebenfalls Anfangs in einer<lb/>
Menge von strukturlosem Cytoblastem liegen, ist der Ueber-<lb/>
gang des Knorpelgewebes in das Fasergewebe durch die<lb/>
Faserknorpel leicht einzusehen. Jede primitive Zellgewe-<lb/>
bezelle, also auch jedes aus ihr entstandene Faserbündel,<lb/>
entspricht Einem einzelnen Knorpelkörperchen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">2) <hi rendition="#g">Zähne</hi>.</hi> </head><lb/>
              <p>Die Zähne wurden früher zu den Knochen gerech-<lb/>
net, später aber als gefä&#x017F;slose Gebilde bei dem Hornge-<lb/>
webe abgehandelt. Seit der Entdeckung von <hi rendition="#g">Miescher</hi><lb/>
aber, da&#x017F;s bei den Knochen die Gefä&#x017F;se auch nur in den<lb/>
Markkanälchen verlaufen, seit der Beobachtung von J.<lb/><hi rendition="#g">Müller</hi>, da&#x017F;s die Zähne ebenfalls beim Kochen Leim ge-<lb/>
ben, wie die Knochen, und seit der Auffindung von Kno-<lb/>
chenkörperchen in der eigenthümlichen Zahnsubstanz durch<lb/><hi rendition="#g">Retzius</hi> scheint es passender, die Zähne wieder mit den<lb/>
Knochen in eine Klasse zu stellen, um so mehr, da wir<lb/>
jetzt wissen, da&#x017F;s das Vorhandensein oder die Abwesen-<lb/>
heit von Gefä&#x017F;sen keinen <hi rendition="#g">wesentlichen</hi> Unterschied in<lb/>
dem Wachsthum begründet. Die Stellung der Zähne ne-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0141] dert; allmählig erhalten dann auch die übrigen Theilchen nach einander ihren gehörigen Antheil von Kalkerde, so daſs jedes kleinste Theilchen nicht eher Kalkerde che- misch bindet, bis es sich vollständig damit sättigen kann. Die letztere Ansicht scheint mir bei weitem wahrscheinli- cher, wegen der Analogie mit den anorganischen Verbin- dungen und wegen des oben erwähnten körnigen Anse- hens, welches der in der Verknöcherung begriffene Knor- pel hat. Denn nach der ersten Ansicht müſste sich um den Markkanälchen, in deren Nähe die Ablagerung der Kalkerde zuerst beginnt, eine nach auſsen immer blasser werdende dunkle Schattirung zeigen, nicht aber ein kör- niges Ansehen. Bei der Aehnlichkeit, welche die jungen Knorpelzel- len, besonders wenn sie sich in Fasern verlängern, mit den eigentlichen Faserzellen haben, z. B. mit den primi- tiven Zellgewebezellen, die ebenfalls Anfangs in einer Menge von strukturlosem Cytoblastem liegen, ist der Ueber- gang des Knorpelgewebes in das Fasergewebe durch die Faserknorpel leicht einzusehen. Jede primitive Zellgewe- bezelle, also auch jedes aus ihr entstandene Faserbündel, entspricht Einem einzelnen Knorpelkörperchen. 2) Zähne. Die Zähne wurden früher zu den Knochen gerech- net, später aber als gefäſslose Gebilde bei dem Hornge- webe abgehandelt. Seit der Entdeckung von Miescher aber, daſs bei den Knochen die Gefäſse auch nur in den Markkanälchen verlaufen, seit der Beobachtung von J. Müller, daſs die Zähne ebenfalls beim Kochen Leim ge- ben, wie die Knochen, und seit der Auffindung von Kno- chenkörperchen in der eigenthümlichen Zahnsubstanz durch Retzius scheint es passender, die Zähne wieder mit den Knochen in eine Klasse zu stellen, um so mehr, da wir jetzt wissen, daſs das Vorhandensein oder die Abwesen- heit von Gefäſsen keinen wesentlichen Unterschied in dem Wachsthum begründet. Die Stellung der Zähne ne-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/141
Zitationshilfe: Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/141>, abgerufen am 21.12.2024.