ihnen ruhen, nicht mehr in ihnen prangen!" So sprach sie weinend und wehklagend und rings umher seufzten die Trojanerinnen.
Leichenfeier des Patroklus.
Sobald Achilles mit der Leiche seines Feindes bei den Schiffen angekommen war, ließ er diese am Bette des Patroklus aufs Antlitz in den Staub strecken. Derweil legten die Danaer ihre Rüstungen ab und setzten sich zu Tausenden am Schiffe des Peliden zum festlichen Leichen¬ schmause nieder. Stiere, Schafe und Schweine wurden geschlachtet und der Pelide ließ den Streitern eine köst¬ liche Mahlzeit zurichten. Den Helden selbst führten die Genossen widerstrebend von der Leiche seines Freundes weg in das Zelt des Königes Agamemnon. Hier ward ein großes Geschirr voll Wassers an die Gluth gestellt: ob sie nicht etwa den Peliden vermögen könnten, sich den blutigen Schlachtstaub von den Gliedern zu waschen. Er aber weigerte sich hartnäckig und schwur einen großen Eid: "Nein, so wahr Jupiter lebt, kein Bad soll meinen Scheitel netzen, ehe Patroklus von mir auf den Scheiter¬ haufen gelegt ist, ehe ich mein Haar geschoren und ihm ein Denkmal aufgethürmt habe! Meinetwegen mögen wir jetzt das traurige Festmahl abhalten. Morgen aber laß Holz im Walde fällen, Fürst Agamemnon, und beut Allem auf, was zur Leichenfeier meinem Freunde gebührt, daß das Feuer den Jammeranblick schnell von uns nehme und das Volk sich wieder zur Kriegsarbeit wende!" Die
Schwab, das klass. Alterthum. II. 19
ihnen ruhen, nicht mehr in ihnen prangen!“ So ſprach ſie weinend und wehklagend und rings umher ſeufzten die Trojanerinnen.
Leichenfeier des Patroklus.
Sobald Achilles mit der Leiche ſeines Feindes bei den Schiffen angekommen war, ließ er dieſe am Bette des Patroklus aufs Antlitz in den Staub ſtrecken. Derweil legten die Danaer ihre Rüſtungen ab und ſetzten ſich zu Tauſenden am Schiffe des Peliden zum feſtlichen Leichen¬ ſchmauſe nieder. Stiere, Schafe und Schweine wurden geſchlachtet und der Pelide ließ den Streitern eine köſt¬ liche Mahlzeit zurichten. Den Helden ſelbſt führten die Genoſſen widerſtrebend von der Leiche ſeines Freundes weg in das Zelt des Königes Agamemnon. Hier ward ein großes Geſchirr voll Waſſers an die Gluth geſtellt: ob ſie nicht etwa den Peliden vermögen könnten, ſich den blutigen Schlachtſtaub von den Gliedern zu waſchen. Er aber weigerte ſich hartnäckig und ſchwur einen großen Eid: „Nein, ſo wahr Jupiter lebt, kein Bad ſoll meinen Scheitel netzen, ehe Patroklus von mir auf den Scheiter¬ haufen gelegt iſt, ehe ich mein Haar geſchoren und ihm ein Denkmal aufgethürmt habe! Meinetwegen mögen wir jetzt das traurige Feſtmahl abhalten. Morgen aber laß Holz im Walde fällen, Fürſt Agamemnon, und beut Allem auf, was zur Leichenfeier meinem Freunde gebührt, daß das Feuer den Jammeranblick ſchnell von uns nehme und das Volk ſich wieder zur Kriegsarbeit wende!“ Die
Schwab, das klaſſ. Alterthum. II. 19
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0311"n="289"/>
ihnen ruhen, nicht mehr in ihnen prangen!“ So ſprach<lb/>ſie weinend und wehklagend und rings umher ſeufzten die<lb/>
Trojanerinnen.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><divn="2"><head><hirendition="#b">Leichenfeier des Patroklus.</hi><lb/></head><p>Sobald Achilles mit der Leiche ſeines Feindes bei den<lb/>
Schiffen angekommen war, ließ er dieſe am Bette des<lb/>
Patroklus aufs Antlitz in den Staub ſtrecken. Derweil<lb/>
legten die Danaer ihre Rüſtungen ab und ſetzten ſich zu<lb/>
Tauſenden am Schiffe des Peliden zum feſtlichen Leichen¬<lb/>ſchmauſe nieder. Stiere, Schafe und Schweine wurden<lb/>
geſchlachtet und der Pelide ließ den Streitern eine köſt¬<lb/>
liche Mahlzeit zurichten. Den Helden ſelbſt führten die<lb/>
Genoſſen widerſtrebend von der Leiche ſeines Freundes<lb/>
weg in das Zelt des Königes Agamemnon. Hier ward<lb/>
ein großes Geſchirr voll Waſſers an die Gluth geſtellt:<lb/>
ob ſie nicht etwa den Peliden vermögen könnten, ſich den<lb/>
blutigen Schlachtſtaub von den Gliedern zu waſchen.<lb/>
Er aber weigerte ſich hartnäckig und ſchwur einen großen<lb/>
Eid: „Nein, ſo wahr Jupiter lebt, kein Bad ſoll meinen<lb/>
Scheitel netzen, ehe Patroklus von mir auf den Scheiter¬<lb/>
haufen gelegt iſt, ehe ich mein Haar geſchoren und ihm<lb/>
ein Denkmal aufgethürmt habe! Meinetwegen mögen wir<lb/>
jetzt das traurige Feſtmahl abhalten. Morgen aber laß<lb/>
Holz im Walde fällen, Fürſt Agamemnon, und beut<lb/>
Allem auf, was zur Leichenfeier meinem Freunde gebührt,<lb/>
daß das Feuer den Jammeranblick ſchnell von uns nehme<lb/>
und das Volk ſich wieder zur Kriegsarbeit wende!“ Die<lb/><fwtype="sig"place="bottom"><hirendition="#g">Schwab</hi>, das klaſſ. <hirendition="#g">Alterthum</hi>. <hirendition="#aq">II</hi>. 19<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[289/0311]
ihnen ruhen, nicht mehr in ihnen prangen!“ So ſprach
ſie weinend und wehklagend und rings umher ſeufzten die
Trojanerinnen.
Leichenfeier des Patroklus.
Sobald Achilles mit der Leiche ſeines Feindes bei den
Schiffen angekommen war, ließ er dieſe am Bette des
Patroklus aufs Antlitz in den Staub ſtrecken. Derweil
legten die Danaer ihre Rüſtungen ab und ſetzten ſich zu
Tauſenden am Schiffe des Peliden zum feſtlichen Leichen¬
ſchmauſe nieder. Stiere, Schafe und Schweine wurden
geſchlachtet und der Pelide ließ den Streitern eine köſt¬
liche Mahlzeit zurichten. Den Helden ſelbſt führten die
Genoſſen widerſtrebend von der Leiche ſeines Freundes
weg in das Zelt des Königes Agamemnon. Hier ward
ein großes Geſchirr voll Waſſers an die Gluth geſtellt:
ob ſie nicht etwa den Peliden vermögen könnten, ſich den
blutigen Schlachtſtaub von den Gliedern zu waſchen.
Er aber weigerte ſich hartnäckig und ſchwur einen großen
Eid: „Nein, ſo wahr Jupiter lebt, kein Bad ſoll meinen
Scheitel netzen, ehe Patroklus von mir auf den Scheiter¬
haufen gelegt iſt, ehe ich mein Haar geſchoren und ihm
ein Denkmal aufgethürmt habe! Meinetwegen mögen wir
jetzt das traurige Feſtmahl abhalten. Morgen aber laß
Holz im Walde fällen, Fürſt Agamemnon, und beut
Allem auf, was zur Leichenfeier meinem Freunde gebührt,
daß das Feuer den Jammeranblick ſchnell von uns nehme
und das Volk ſich wieder zur Kriegsarbeit wende!“ Die
Schwab, das klaſſ. Alterthum. II. 19
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/311>, abgerufen am 17.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.