Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.4. Der versteckte Poet. Unser versteckter Poet, dessen Aeußerungen mit den Allerdings läßt sich das Gewissen darinnen mit und
4. Der verſteckte Poet. Unſer verſteckter Poet, deſſen Aeußerungen mit den Allerdings laͤßt ſich das Gewiſſen darinnen mit und
<TEI> <text> <body> <pb facs="#f0066" n="56"/> <div n="1"> <head>4. Der verſteckte Poet.</head><lb/> <p><hi rendition="#in">U</hi>nſer verſteckter Poet, deſſen Aeußerungen mit den<lb/> Anſichten und den Neigungen des gewoͤhnlichen ſinn-<lb/> lichen Lebens in einem beſtaͤndigen ironiſchen Wider-<lb/> ſpruch ſtehen, zeigt ſich hierinnen einem anderen dunk-<lb/> len Gebiet der menſchlichen Natur — dem Gewiſſen<lb/> — nahe verwandt. Die oberflaͤchliche Anſicht des jetzt<lb/> untergegangenen und untergehenden Menſchenalters, hat<lb/> auch dieſe dunkle Anlage im Menſchen, mit der ſie ſich<lb/> auf jede Weiſe im Widerſpruch fuͤhlte, ſo viel ſie nur<lb/> vermochte, verkannt und hinweggelaͤugnet. Selbſt<lb/> nach einem uͤbrigens ernſten Syſtem der Moral, wird<lb/> dem Menſchen erſt durch Erziehung gelehrt, was<lb/> recht ſey oder unrecht, und ihm die Furcht vor der<lb/> Gottheit eingepraͤgt. Jene anerzogene Furcht ſey das<lb/> was wir Gewiſſen nennen, und der Menſch werde<lb/> demnach erſt dazu abgerichtet, eins zu haben.</p><lb/> <p>Allerdings laͤßt ſich das Gewiſſen darinnen mit<lb/> dem ſinnlichen Gefuͤhl des Wohlſeyns oder des Uebel-<lb/> befindens vergleichen, daß es, wie dieſes, einer Ver-<lb/> feinerung oder Abſtumpfung faͤhig iſt. Denn ſo, wie<lb/> erſt der, welcher ſchon einen hoͤheren Grad des mora-<lb/> liſchen Wohlſeyns genoſſen, fuͤr jedes leiſe Uebelbefin-<lb/> den empfindlich wird, waͤhrend der, welcher nie das<lb/> Gefuͤhl einer kraͤftigen Geſundheit empfunden, oder<lb/> welcher ſich allmaͤhlig aus Krankſeyn gewoͤhnte, zuletzt<lb/> ſeinen kraͤnklichen Zuſtand fuͤr Geſundheit haͤlt; ſo<lb/> macht uns auch erſt ein oͤfterer Genuß des moraliſchen<lb/> Wohlſeyns fuͤr jedes entgegengeſetzte Gefuͤhl empfind-<lb/> lich. Wir treten in das Leben, nicht als Geſunde,<lb/> ſondern als ſolche ein, welche hier geneſen koͤnnen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [56/0066]
4. Der verſteckte Poet.
Unſer verſteckter Poet, deſſen Aeußerungen mit den
Anſichten und den Neigungen des gewoͤhnlichen ſinn-
lichen Lebens in einem beſtaͤndigen ironiſchen Wider-
ſpruch ſtehen, zeigt ſich hierinnen einem anderen dunk-
len Gebiet der menſchlichen Natur — dem Gewiſſen
— nahe verwandt. Die oberflaͤchliche Anſicht des jetzt
untergegangenen und untergehenden Menſchenalters, hat
auch dieſe dunkle Anlage im Menſchen, mit der ſie ſich
auf jede Weiſe im Widerſpruch fuͤhlte, ſo viel ſie nur
vermochte, verkannt und hinweggelaͤugnet. Selbſt
nach einem uͤbrigens ernſten Syſtem der Moral, wird
dem Menſchen erſt durch Erziehung gelehrt, was
recht ſey oder unrecht, und ihm die Furcht vor der
Gottheit eingepraͤgt. Jene anerzogene Furcht ſey das
was wir Gewiſſen nennen, und der Menſch werde
demnach erſt dazu abgerichtet, eins zu haben.
Allerdings laͤßt ſich das Gewiſſen darinnen mit
dem ſinnlichen Gefuͤhl des Wohlſeyns oder des Uebel-
befindens vergleichen, daß es, wie dieſes, einer Ver-
feinerung oder Abſtumpfung faͤhig iſt. Denn ſo, wie
erſt der, welcher ſchon einen hoͤheren Grad des mora-
liſchen Wohlſeyns genoſſen, fuͤr jedes leiſe Uebelbefin-
den empfindlich wird, waͤhrend der, welcher nie das
Gefuͤhl einer kraͤftigen Geſundheit empfunden, oder
welcher ſich allmaͤhlig aus Krankſeyn gewoͤhnte, zuletzt
ſeinen kraͤnklichen Zuſtand fuͤr Geſundheit haͤlt; ſo
macht uns auch erſt ein oͤfterer Genuß des moraliſchen
Wohlſeyns fuͤr jedes entgegengeſetzte Gefuͤhl empfind-
lich. Wir treten in das Leben, nicht als Geſunde,
ſondern als ſolche ein, welche hier geneſen koͤnnen
und
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