Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.1.JAHR . KÖPERLICHE SEITE. LUFTGENUSS. werden. Wollte man doch bedenken, dass jeder Nahrungs-stoff nur dann dem Körper zum wahren Nutzen gereichen kann, wenn er in den Verdauungsorganen gehörig verarbeitet und zubereitet werden kann. Dies ist nun aber nicht möglich, wenn in dem zarten, auf einfache flüssige Kost angewiesenen kindlichen Magen dergleichen Speisen und Getränke gebracht werden, welche, um so mehr als sie wegen Mangel der Zähne durch Kauen und Vermischung mit Speichel nicht vorbereitet sind, den Grad seiner Verdauungskraft bedeutend übersteigen oder ihn über die Gebühr reizen. Der Magen wird also mit rohen oder unzureichend verarbeiteten Stoffen angefüllt, die nun zu Krankheitsursachen werden, und zwar theils dadurch, dass sie zunächst den Magen selbst belästigen und ihn in sei- nen Verrichtungen bedeutend stören, theils, indem die daraus bereiteten Säfte (Speisesaft und Blut) ebenfalls noch zu roh, noch zu wenig veredelt sind und somit den ganzen Organismus krankhaft verändern. Möchte man doch stets die Winke der Natur sorgsam beachten! Zeigt uns dieselbe nicht durch die allmälige Entwicklung der Zähne das Verhältniss ganz deut- lich an, nach welchem wir von den anfangs nur flüssigen Nahrungsmitteln nach und nach zu den festeren übergehen sollen? Ist es nicht Unverstand, dem Körper Speisen aufzu- dringen, zu deren Verarbeitung er noch nicht einmal die hin- länglichen Werkzeuge besitzt? Nur an der Hand der Natur gehen wir sicher. Diesen ihren Vorschriften gemäss darf erst gegen Ende des ersten Lebensjahres der allmälige Uebergang von der Dünnflüssigkeit zu einer breiigen Beschaffenheit der Nahrungsmittel gemacht werden, indem den Fleischbrühmahl- zeiten etwas mehr Gries, geriebenes Weissbrod u. dgl. zu- gesetzt wird. 2) Luftgenuss. Eine gleiche Sorgfalt gebührt der vom Kinde einzuath- 1.JAHR . KÖPERLICHE SEITE. LUFTGENUSS. werden. Wollte man doch bedenken, dass jeder Nahrungs-stoff nur dann dem Körper zum wahren Nutzen gereichen kann, wenn er in den Verdauungsorganen gehörig verarbeitet und zubereitet werden kann. Dies ist nun aber nicht möglich, wenn in dem zarten, auf einfache flüssige Kost angewiesenen kindlichen Magen dergleichen Speisen und Getränke gebracht werden, welche, um so mehr als sie wegen Mangel der Zähne durch Kauen und Vermischung mit Speichel nicht vorbereitet sind, den Grad seiner Verdauungskraft bedeutend übersteigen oder ihn über die Gebühr reizen. Der Magen wird also mit rohen oder unzureichend verarbeiteten Stoffen angefüllt, die nun zu Krankheitsursachen werden, und zwar theils dadurch, dass sie zunächst den Magen selbst belästigen und ihn in sei- nen Verrichtungen bedeutend stören, theils, indem die daraus bereiteten Säfte (Speisesaft und Blut) ebenfalls noch zu roh, noch zu wenig veredelt sind und somit den ganzen Organismus krankhaft verändern. Möchte man doch stets die Winke der Natur sorgsam beachten! Zeigt uns dieselbe nicht durch die allmälige Entwicklung der Zähne das Verhältniss ganz deut- lich an, nach welchem wir von den anfangs nur flüssigen Nahrungsmitteln nach und nach zu den festeren übergehen sollen? Ist es nicht Unverstand, dem Körper Speisen aufzu- dringen, zu deren Verarbeitung er noch nicht einmal die hin- länglichen Werkzeuge besitzt? Nur an der Hand der Natur gehen wir sicher. Diesen ihren Vorschriften gemäss darf erst gegen Ende des ersten Lebensjahres der allmälige Uebergang von der Dünnflüssigkeit zu einer breiigen Beschaffenheit der Nahrungsmittel gemacht werden, indem den Fleischbrühmahl- zeiten etwas mehr Gries, geriebenes Weissbrod u. dgl. zu- gesetzt wird. 2) Luftgenuss. Eine gleiche Sorgfalt gebührt der vom Kinde einzuath- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0047" n="43"/><fw place="top" type="header">1.JAHR . KÖPERLICHE SEITE. LUFTGENUSS.</fw><lb/> werden. Wollte man doch bedenken, dass jeder Nahrungs-<lb/> stoff nur dann dem Körper zum wahren Nutzen gereichen<lb/> kann, wenn er in den Verdauungsorganen gehörig verarbeitet<lb/> und zubereitet werden kann. 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Möglichste Reinheit der Luft<lb/> ist für immer die erste Bedingung. Für das neugeborene Kind<lb/> ist aber auch die Temperatur derselben besonders beachtens-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [43/0047]
1.JAHR . KÖPERLICHE SEITE. LUFTGENUSS.
werden. Wollte man doch bedenken, dass jeder Nahrungs-
stoff nur dann dem Körper zum wahren Nutzen gereichen
kann, wenn er in den Verdauungsorganen gehörig verarbeitet
und zubereitet werden kann. Dies ist nun aber nicht möglich,
wenn in dem zarten, auf einfache flüssige Kost angewiesenen
kindlichen Magen dergleichen Speisen und Getränke gebracht
werden, welche, um so mehr als sie wegen Mangel der Zähne
durch Kauen und Vermischung mit Speichel nicht vorbereitet
sind, den Grad seiner Verdauungskraft bedeutend übersteigen
oder ihn über die Gebühr reizen. Der Magen wird also mit
rohen oder unzureichend verarbeiteten Stoffen angefüllt, die
nun zu Krankheitsursachen werden, und zwar theils dadurch,
dass sie zunächst den Magen selbst belästigen und ihn in sei-
nen Verrichtungen bedeutend stören, theils, indem die daraus
bereiteten Säfte (Speisesaft und Blut) ebenfalls noch zu roh,
noch zu wenig veredelt sind und somit den ganzen Organismus
krankhaft verändern. Möchte man doch stets die Winke der
Natur sorgsam beachten! Zeigt uns dieselbe nicht durch die
allmälige Entwicklung der Zähne das Verhältniss ganz deut-
lich an, nach welchem wir von den anfangs nur flüssigen
Nahrungsmitteln nach und nach zu den festeren übergehen
sollen? Ist es nicht Unverstand, dem Körper Speisen aufzu-
dringen, zu deren Verarbeitung er noch nicht einmal die hin-
länglichen Werkzeuge besitzt? Nur an der Hand der Natur
gehen wir sicher. Diesen ihren Vorschriften gemäss darf erst
gegen Ende des ersten Lebensjahres der allmälige Uebergang
von der Dünnflüssigkeit zu einer breiigen Beschaffenheit der
Nahrungsmittel gemacht werden, indem den Fleischbrühmahl-
zeiten etwas mehr Gries, geriebenes Weissbrod u. dgl. zu-
gesetzt wird.
2) Luftgenuss.
Eine gleiche Sorgfalt gebührt der vom Kinde einzuath-
menden Luft, die ja dem menschlichen Körper ebenso unent-
behrlich ist als die Nahrung. Möglichste Reinheit der Luft
ist für immer die erste Bedingung. Für das neugeborene Kind
ist aber auch die Temperatur derselben besonders beachtens-
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