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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

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Schmutz sehr verdunkelt. Die Landschaft stellt eine
schöne Gegend im üppigsten Glanz des Südens dar;
Pinien schmücken sie, Cedern und Orangenbäume,
zwischen diesen tausend fremdartige bis in die
kleinsten Details ausgeführte Gräser, Kräuter und
Blumen. Wie Kiesel am Wege leuchten verstreute
Perlen und farbige Edelsteine aus dem Grase und
zwischen Felsstücken unter den Füßen der Pilger
hervor. Diese ziehen in mannichfaltiger Kleidung
und Gestalt aus allen Ständen herbei, zum Theil
auch mit Muschelhut und Stab, mitten unter ihnen
eine edle ausdrucksvolle Greisengestalt mit langem
ehrwürdigen Bart. Ganz im Hintergrunde steht
eine seltsame lachende Figur, in einer Mönchskutte,
denn in jener einfachen Zeit glaubte man das Heilige
nicht durch einen gutgemeinten Scherz zu entweihen.
Riesengroß führt im Vorgrunde der heilige Christoph
die fromme Schaar an, doch ohne die schwere Last
des göttlichen Kindes auf der Schulter zu tragen.

Die sechste Tafel trägt die Unterschrift "Hey-
remite sti."
Durch ein enges Felsenthal von ganz
südlichem Karackter zieht die fromme Schaar der


Schmutz ſehr verdunkelt. Die Landſchaft ſtellt eine
ſchöne Gegend im üppigſten Glanz des Südens dar;
Pinien ſchmücken ſie, Cedern und Orangenbäume,
zwiſchen dieſen tauſend fremdartige bis in die
kleinſten Details ausgeführte Gräſer, Kräuter und
Blumen. Wie Kieſel am Wege leuchten verſtreute
Perlen und farbige Edelſteine aus dem Graſe und
zwiſchen Felsſtücken unter den Füßen der Pilger
hervor. Dieſe ziehen in mannichfaltiger Kleidung
und Geſtalt aus allen Ständen herbei, zum Theil
auch mit Muſchelhut und Stab, mitten unter ihnen
eine edle ausdrucksvolle Greiſengeſtalt mit langem
ehrwürdigen Bart. Ganz im Hintergrunde ſteht
eine ſeltſame lachende Figur, in einer Mönchskutte,
denn in jener einfachen Zeit glaubte man das Heilige
nicht durch einen gutgemeinten Scherz zu entweihen.
Rieſengroß führt im Vorgrunde der heilige Chriſtoph
die fromme Schaar an, doch ohne die ſchwere Laſt
des göttlichen Kindes auf der Schulter zu tragen.

Die ſechſte Tafel trägt die Unterſchrift „Hey-
remite sti.“
Durch ein enges Felſenthal von ganz
ſüdlichem Karackter zieht die fromme Schaar der

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[61/0073] Schmutz ſehr verdunkelt. Die Landſchaft ſtellt eine ſchöne Gegend im üppigſten Glanz des Südens dar; Pinien ſchmücken ſie, Cedern und Orangenbäume, zwiſchen dieſen tauſend fremdartige bis in die kleinſten Details ausgeführte Gräſer, Kräuter und Blumen. Wie Kieſel am Wege leuchten verſtreute Perlen und farbige Edelſteine aus dem Graſe und zwiſchen Felsſtücken unter den Füßen der Pilger hervor. Dieſe ziehen in mannichfaltiger Kleidung und Geſtalt aus allen Ständen herbei, zum Theil auch mit Muſchelhut und Stab, mitten unter ihnen eine edle ausdrucksvolle Greiſengeſtalt mit langem ehrwürdigen Bart. Ganz im Hintergrunde ſteht eine ſeltſame lachende Figur, in einer Mönchskutte, denn in jener einfachen Zeit glaubte man das Heilige nicht durch einen gutgemeinten Scherz zu entweihen. Rieſengroß führt im Vorgrunde der heilige Chriſtoph die fromme Schaar an, doch ohne die ſchwere Laſt des göttlichen Kindes auf der Schulter zu tragen. Die ſechſte Tafel trägt die Unterſchrift „Hey- remite sti.“ Durch ein enges Felſenthal von ganz ſüdlichem Karackter zieht die fromme Schaar der

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/73>, abgerufen am 10.05.2024.