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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

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malerischer Kontraste, in den wild schnaubenden
Pferden, ihren noch wilderen Treibern, und dem
Heiligen, der, noch unverletzt, in frommer Be-
geisterung und ruhiger Erwartung, mit Armen und
Beinen an die wilden Rosse gefesselt, da liegt.
Auch bei diesen, so wie bei denen auf der Vision
des Evangelisten Johannes, scheinen die vene-
tianischen antiken Rosse dem Meister vorgeschwebt
zu haben. An dem alten Rahmen dieses Gemäldes
befindet sich abermals die Jahrzahl 1479.

Eines der alleranziehendsten Werke Hemlings
ist ein kleines, nur aus zwei Tafeln bestehendes
Bildchen im Versammlungssaal der zur Besorgung
der Hospitäler bestellten Kommission. Die erste
dieser Tafeln zeigt uns die heilige Jungfrau, von
den blonden Wellen ihres über die Schulter hinab-
rollenden Haares umflossen, in all ihrer holdseligen
Anmuth und Herrlichkeit. Reich geschmückt, mit
Gold, Perlen und Edelsteinen, einen rothen
Mantel über ein glänzend blaues Gewand, reicht
sie freundlich dem Kinde auf ihrem Schooß einen
Apfel. Dieses sitzt auf einem Kissen von Goldbrokat


maleriſcher Kontraſte, in den wild ſchnaubenden
Pferden, ihren noch wilderen Treibern, und dem
Heiligen, der, noch unverletzt, in frommer Be-
geiſterung und ruhiger Erwartung, mit Armen und
Beinen an die wilden Roſſe gefeſſelt, da liegt.
Auch bei dieſen, ſo wie bei denen auf der Viſion
des Evangeliſten Johannes, ſcheinen die vene-
tianiſchen antiken Roſſe dem Meiſter vorgeſchwebt
zu haben. An dem alten Rahmen dieſes Gemäldes
befindet ſich abermals die Jahrzahl 1479.

Eines der alleranziehendſten Werke Hemlings
iſt ein kleines, nur aus zwei Tafeln beſtehendes
Bildchen im Verſammlungsſaal der zur Beſorgung
der Hoſpitäler beſtellten Kommiſſion. Die erſte
dieſer Tafeln zeigt uns die heilige Jungfrau, von
den blonden Wellen ihres über die Schulter hinab-
rollenden Haares umfloſſen, in all ihrer holdſeligen
Anmuth und Herrlichkeit. Reich geſchmückt, mit
Gold, Perlen und Edelſteinen, einen rothen
Mantel über ein glänzend blaues Gewand, reicht
ſie freundlich dem Kinde auf ihrem Schooß einen
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[153/0165] maleriſcher Kontraſte, in den wild ſchnaubenden Pferden, ihren noch wilderen Treibern, und dem Heiligen, der, noch unverletzt, in frommer Be- geiſterung und ruhiger Erwartung, mit Armen und Beinen an die wilden Roſſe gefeſſelt, da liegt. Auch bei dieſen, ſo wie bei denen auf der Viſion des Evangeliſten Johannes, ſcheinen die vene- tianiſchen antiken Roſſe dem Meiſter vorgeſchwebt zu haben. An dem alten Rahmen dieſes Gemäldes befindet ſich abermals die Jahrzahl 1479. Eines der alleranziehendſten Werke Hemlings iſt ein kleines, nur aus zwei Tafeln beſtehendes Bildchen im Verſammlungsſaal der zur Beſorgung der Hoſpitäler beſtellten Kommiſſion. Die erſte dieſer Tafeln zeigt uns die heilige Jungfrau, von den blonden Wellen ihres über die Schulter hinab- rollenden Haares umfloſſen, in all ihrer holdſeligen Anmuth und Herrlichkeit. Reich geſchmückt, mit Gold, Perlen und Edelſteinen, einen rothen Mantel über ein glänzend blaues Gewand, reicht ſie freundlich dem Kinde auf ihrem Schooß einen Apfel. Dieſes ſitzt auf einem Kiſſen von Goldbrokat

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/165>, abgerufen am 26.04.2024.