"Kind! sprach er zur Tochter: wir wollen diesen "erziehen; zeigt er sich deiner würdig: so soll er "dich haben. Wo nicht: hast du doch das Horn; "es werden wohl mehr kommen." Das Horn ist also noch zu haben. Man ärgere sich nicht an der Einfalt dieser Erzehlung. Zun Zeiten der schwäbischen Kaiser sprach man noch nicht neue Accente.
Schall;
ein andächtiger Schall: so giebt es denn vieleicht auch einen gottlosen Schall; denn so singet der jüdische Schäferdichter:
"Komm auch zu mir, u. stimme die leyer zu meinem gesange "Mit andaechtigem Schall. Jac. u. Jos. 6 S.
Sie kam, hat aber schlecht gestimmet.
Schall.
Ein lauter Schall, ein starker Schall, sind keine Seltenheiten. Seltener findet man einen stummen Schall, der sonst nichts als die Ohren füllet.
Buttst. vern. Gedank. 6ter Band, Bl. 19. Mein guter Freund hat sich über dieses Blümchen gewaltig geärgert: weil er nicht so scharfsichtig war, das Band dieses Ausdruckes einzusehen. Ein Schall, sagte er, der stumm ist, und doch die Ohren füllet, widerspricht sich. Und soll denn der Schall auch das Gesicht, den Geruch, und die Zunge füllen? Aber mein Freund verstand nicht, was zum Rednerhandwerke gehöret. Eine Sache kann ja dem Redner schön und deutlich seyn, wenn gleich der Zuhörer nichts davon verstehet. Von bekannten Dingen zu reden, ist nicht überall
Mode.
A a 4
Sc
“Kind! ſprach er zur Tochter: wir wollen dieſen “erziehen; zeigt er ſich deiner wuͤrdig: ſo ſoll er “dich haben. Wo nicht: haſt du doch das Horn; “es werden wohl mehr kommen.” Das Horn iſt alſo noch zu haben. Man aͤrgere ſich nicht an der Einfalt dieſer Erzehlung. Zun Zeiten der ſchwaͤbiſchen Kaiſer ſprach man noch nicht neue Accente.
Schall;
ein andaͤchtiger Schall: ſo giebt es denn vieleicht auch einen gottloſen Schall; denn ſo ſinget der juͤdiſche Schaͤferdichter:
“Komm auch zu mir, u. ſtimme die leyer zu meinem geſange “Mit andæchtigem Schall. Jac. u. Joſ. 6 S.
Sie kam, hat aber ſchlecht geſtimmet.
Schall.
Ein lauter Schall, ein ſtarker Schall, ſind keine Seltenheiten. Seltener findet man einen ſtummen Schall, der ſonſt nichts als die Ohren fuͤllet.
Buttſt. vern. Gedank. 6ter Band, Bl. 19. Mein guter Freund hat ſich uͤber dieſes Bluͤmchen gewaltig geaͤrgert: weil er nicht ſo ſcharfſichtig war, das Band dieſes Ausdruckes einzuſehen. Ein Schall, ſagte er, der ſtumm iſt, und doch die Ohren fuͤllet, widerſpricht ſich. Und ſoll denn der Schall auch das Geſicht, den Geruch, und die Zunge fuͤllen? Aber mein Freund verſtand nicht, was zum Rednerhandwerke gehoͤret. Eine Sache kann ja dem Redner ſchoͤn und deutlich ſeyn, wenn gleich der Zuhoͤrer nichts davon verſtehet. Von bekannten Dingen zu reden, iſt nicht uͤberall
Mode.
A a 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbn="375"facs="#f0401"/><fwtype="header"place="top">Sc</fw><lb/>“Kind! ſprach er zur Tochter: wir wollen dieſen<lb/>“erziehen; zeigt er ſich deiner wuͤrdig: ſo ſoll er<lb/>“dich haben. Wo nicht: haſt du doch das <hirendition="#fr">Horn;</hi><lb/>“es werden wohl mehr kommen.” Das <hirendition="#fr">Horn</hi><lb/>
iſt alſo noch zu haben. Man aͤrgere ſich nicht an<lb/>
der Einfalt dieſer <hirendition="#fr">Erzehlung.</hi> Zun Zeiten der<lb/><hirendition="#fr">ſchwaͤbiſchen Kaiſer</hi>ſprach man noch nicht <hirendition="#fr">neue<lb/>
Accente.</hi></p></div></div><lb/><divn="3"><head>Schall;</head><p>ein <hirendition="#fr">andaͤchtiger Schall:</hi>ſo giebt es denn<lb/>
vieleicht auch einen <hirendition="#fr">gottloſen Schall;</hi> denn ſo<lb/>ſinget der <hirendition="#fr">juͤdiſche Schaͤferdichter:</hi></p><lb/><cit><quote>“<hirendition="#aq">Komm auch zu mir, u. ſtimme die leyer<lb/><hirendition="#et">zu meinem geſange</hi><lb/>“Mit <hirendition="#i">andæchtigem Schall. Jac. u. Joſ. 6 S.</hi></hi></quote><bibl/></cit><lb/><p>Sie kam, hat aber ſchlecht geſtimmet.</p></div><lb/><divn="3"><head>Schall.</head><p>Ein lauter Schall, ein ſtarker Schall, ſind<lb/>
keine Seltenheiten. Seltener findet man<lb/><hirendition="#et"><hirendition="#fr">einen ſtummen Schall, der ſonſt nichts als<lb/>
die Ohren fuͤllet.</hi></hi></p><lb/><p><hirendition="#fr">Buttſt. vern. Gedank. 6ter Band, Bl.</hi> 19.<lb/>
Mein guter Freund hat ſich uͤber dieſes <hirendition="#fr">Bluͤmchen</hi><lb/>
gewaltig geaͤrgert: weil er nicht ſo ſcharfſichtig<lb/>
war, das Band dieſes Ausdruckes einzuſehen.<lb/>
Ein Schall, ſagte er, der <hirendition="#fr">ſtumm</hi> iſt, und doch <hirendition="#fr">die<lb/>
Ohren fuͤllet,</hi> widerſpricht ſich. Und ſoll denn<lb/>
der Schall auch <hirendition="#fr">das Geſicht, den Geruch,</hi> und<lb/><hirendition="#fr">die Zunge fuͤllen?</hi> Aber mein Freund verſtand<lb/>
nicht, was zum Rednerhandwerke gehoͤret. Eine<lb/>
Sache kann ja dem Redner ſchoͤn und deutlich ſeyn,<lb/>
wenn gleich der Zuhoͤrer nichts davon verſtehet.<lb/>
Von bekannten Dingen zu reden, iſt nicht uͤberall<lb/><fwtype="sig"place="bottom">A a 4</fw><fwtype="catch"place="bottom">Mode.</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[375/0401]
Sc
“Kind! ſprach er zur Tochter: wir wollen dieſen
“erziehen; zeigt er ſich deiner wuͤrdig: ſo ſoll er
“dich haben. Wo nicht: haſt du doch das Horn;
“es werden wohl mehr kommen.” Das Horn
iſt alſo noch zu haben. Man aͤrgere ſich nicht an
der Einfalt dieſer Erzehlung. Zun Zeiten der
ſchwaͤbiſchen Kaiſer ſprach man noch nicht neue
Accente.
Schall; ein andaͤchtiger Schall: ſo giebt es denn
vieleicht auch einen gottloſen Schall; denn ſo
ſinget der juͤdiſche Schaͤferdichter:
“Komm auch zu mir, u. ſtimme die leyer
zu meinem geſange
“Mit andæchtigem Schall. Jac. u. Joſ. 6 S.
Sie kam, hat aber ſchlecht geſtimmet.
Schall. Ein lauter Schall, ein ſtarker Schall, ſind
keine Seltenheiten. Seltener findet man
einen ſtummen Schall, der ſonſt nichts als
die Ohren fuͤllet.
Buttſt. vern. Gedank. 6ter Band, Bl. 19.
Mein guter Freund hat ſich uͤber dieſes Bluͤmchen
gewaltig geaͤrgert: weil er nicht ſo ſcharfſichtig
war, das Band dieſes Ausdruckes einzuſehen.
Ein Schall, ſagte er, der ſtumm iſt, und doch die
Ohren fuͤllet, widerſpricht ſich. Und ſoll denn
der Schall auch das Geſicht, den Geruch, und
die Zunge fuͤllen? Aber mein Freund verſtand
nicht, was zum Rednerhandwerke gehoͤret. Eine
Sache kann ja dem Redner ſchoͤn und deutlich ſeyn,
wenn gleich der Zuhoͤrer nichts davon verſtehet.
Von bekannten Dingen zu reden, iſt nicht uͤberall
Mode.
A a 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/401>, abgerufen am 04.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.