"Hatten den nachtschweifigen Liebsten der Abenddämmrung gesendet. "Der wetterweißagende Mond mit blassen blinkenden Wangen etc.
Sind das nicht Beywörter? Jst das nicht Ge- schmack? Streichet die Hälfte der Beywörter weg: was bleibet? was von Folgenden bleibet!
"Jhr Matten voll Schatten, begrasete Wasen, "Jhr närbigt u. färbigt geblümete Rasen: "Jhr buntlichten Sternen, "Jhr Felderlaternen! etc. etc.
Es zeiget einen Reichthum an Einfällen an, wann man so lange Beywörter zusammen raffet, bis man das letzte Wort des Hexameters ertappet hat; denn dieses läuft vor dem Dichter, und dieser hin- term Worte her.
Morgen.
Wieder ein Beweis, daß Longin uns mit Recht die mehrere Zahl zum Erhabenen an- preiset; denn sagen wir nicht die Abende?
"Erhabner Seelen theure Morgen "Zu edel für gemeine Sorgen "Stehn hier zum Dienst der Wahrheit frey.
Haller, 131 S.
Se. Hochgeb. Unsterblichkeit werden uns ver- gönnen, diese theure Morgen erhabener See- len, wie billig, zu bewundern: wir bewundern sie! und den Erfinder. Wir wußten wohl, daß Dero Freund, der große Sündfluthenbarde, nicht unterlassen würde, diese Metaphor höher zu trei- ben; Räuchern Sie nicht, nach Sr. Gn. Vor-
bilde,
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Mo
“Hatten den nachtſchweifigen Liebſten der Abenddaͤmmrung geſendet. “Der wetterweißagende Mond mit blaſſen blinkenden Wangen ꝛc.
Sind das nicht Beywoͤrter? Jſt das nicht Ge- ſchmack? Streichet die Haͤlfte der Beywoͤrter weg: was bleibet? was von Folgenden bleibet!
Es zeiget einen Reichthum an Einfaͤllen an, wann man ſo lange Beywoͤrter zuſammen raffet, bis man das letzte Wort des Hexameters ertappet hat; denn dieſes laͤuft vor dem Dichter, und dieſer hin- term Worte her.
Morgen.
Wieder ein Beweis, daß Longin uns mit Recht die mehrere Zahl zum Erhabenen an- preiſet; denn ſagen wir nicht die Abende?
“Erhabner Seelen theure Morgen “Zu edel fuͤr gemeine Sorgen “Stehn hier zum Dienſt der Wahrheit frey.
Haller, 131 S.
Se. Hochgeb. Unſterblichkeit werden uns ver- goͤnnen, dieſe theure Morgen erhabener See- len, wie billig, zu bewundern: wir bewundern ſie! und den Erfinder. Wir wußten wohl, daß Dero Freund, der große Suͤndfluthenbarde, nicht unterlaſſen wuͤrde, dieſe Metaphor hoͤher zu trei- ben; Raͤuchern Sie nicht, nach Sr. Gn. Vor-
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“Hatten den nachtſchweifigen Liebſten der
Abenddaͤmmrung geſendet.
“Der wetterweißagende Mond mit blaſſen
blinkenden Wangen ꝛc.
Sind das nicht Beywoͤrter? Jſt das nicht Ge-
ſchmack? Streichet die Haͤlfte der Beywoͤrter weg:
was bleibet? was von Folgenden bleibet!
“Jhr Matten voll Schatten, begraſete Waſen,
“Jhr naͤrbigt u. faͤrbigt gebluͤmete Raſen:
“Jhr buntlichten Sternen,
“Jhr Felderlaternen! ꝛc. ꝛc.
Es zeiget einen Reichthum an Einfaͤllen an, wann
man ſo lange Beywoͤrter zuſammen raffet, bis
man das letzte Wort des Hexameters ertappet hat;
denn dieſes laͤuft vor dem Dichter, und dieſer hin-
term Worte her.
Morgen. Wieder ein Beweis, daß Longin uns
mit Recht die mehrere Zahl zum Erhabenen an-
preiſet; denn ſagen wir nicht die Abende?
“Erhabner Seelen theure Morgen
“Zu edel fuͤr gemeine Sorgen
“Stehn hier zum Dienſt der Wahrheit frey.
Haller, 131 S.
Se. Hochgeb. Unſterblichkeit werden uns ver-
goͤnnen, dieſe theure Morgen erhabener See-
len, wie billig, zu bewundern: wir bewundern ſie!
und den Erfinder. Wir wußten wohl, daß Dero
Freund, der große Suͤndfluthenbarde, nicht
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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/333>, abgerufen am 21.11.2024.
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