a. St. von Liebe verwundet. Ueberhaupt müssen wir eine Quelle entdecken, die viel Ströme von schönen und gewichtigen Bey- wörtern hervorbringet. Man nehme zwey Wör- ter, ein Hauptwort und ein Beywort, die sich gar nicht zusammen schicken, und ziehe sie in eins zusammen: so habt ihr die Quelle vieler Ströme: z. E. glanzbesäet, eisenbepflanzet. Es ist wahr, daß man nicht Glanz säet; noch Eisen pflanzet: Beydes aber führet uns doch auf den Be- griff von Säen und Pflanzen: wir pflanzen; wir säen: und das ist schön! So gehet es auch hier mit liebesverwundet. Es ist wahr, daß die Liebe nur einmal, nämlich von dem ungeschlach- ten Diomedes, verwundet worden: Allein sie hat myriadenmal verwundet: folglich ist das Bey- wort von Liebe und verwundet schön.
"Aengstlich warnt' ich: allein die liebesver- wundete Herzen "Hörten mich nicht." Noah, 24 S.
Jst das Hören nicht wichtig?
Lieder von Schwung,
und Verse von Fall begei- stert: sind die Lieder, denen ein ganz neuer Schwung gegeben worden. Denn so sprach man, als man noch deutsch dichtete. Aber Blatter fallen ab; und neue entstehen: so gehet es auch mit den Sprachen: nun grünet die Klop- stockische.
"Unsere Lieder von Schwung u. Harmo- nien begeistert,
"Suchen
Li
Liebesverwundet,
a. St. von Liebe verwundet. Ueberhaupt muͤſſen wir eine Quelle entdecken, die viel Stroͤme von ſchoͤnen und gewichtigen Bey- woͤrtern hervorbringet. Man nehme zwey Woͤr- ter, ein Hauptwort und ein Beywort, die ſich gar nicht zuſammen ſchicken, und ziehe ſie in eins zuſammen: ſo habt ihr die Quelle vieler Stroͤme: z. E. glanzbeſaͤet, eiſenbepflanzet. Es iſt wahr, daß man nicht Glanz ſaͤet; noch Eiſen pflanzet: Beydes aber fuͤhret uns doch auf den Be- griff von Saͤen und Pflanzen: wir pflanzen; wir ſaͤen: und das iſt ſchoͤn! So gehet es auch hier mit liebesverwundet. Es iſt wahr, daß die Liebe nur einmal, naͤmlich von dem ungeſchlach- ten Diomedes, verwundet worden: Allein ſie hat myriadenmal verwundet: folglich iſt das Bey- wort von Liebe und verwundet ſchoͤn.
“Aengſtlich warnt’ ich: allein die liebesver- wundete Herzen “Hoͤrten mich nicht.” Noah, 24 S.
Jſt das Hoͤren nicht wichtig?
Lieder von Schwung,
und Verſe von Fall begei- ſtert: ſind die Lieder, denen ein ganz neuer Schwung gegeben worden. Denn ſo ſprach man, als man noch deutſch dichtete. Aber Blatter fallen ab; und neue entſtehen: ſo gehet es auch mit den Sprachen: nun gruͤnet die Klop- ſtockiſche.
“Unſere Lieder von Schwung u. Harmo- nien begeiſtert,
“Suchen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0300"n="274"/><fwplace="top"type="header">Li</fw><lb/><divn="3"><head>Liebesverwundet,</head><p>a. St. <hirendition="#fr">von Liebe verwundet.</hi><lb/>
Ueberhaupt muͤſſen wir eine Quelle entdecken, die<lb/>
viel Stroͤme von ſchoͤnen und <hirendition="#fr">gewichtigen</hi> Bey-<lb/>
woͤrtern hervorbringet. Man nehme zwey Woͤr-<lb/>
ter, ein <hirendition="#fr">Hauptwort</hi> und ein <hirendition="#fr">Beywort,</hi> die ſich<lb/>
gar nicht zuſammen ſchicken, und ziehe ſie in eins<lb/>
zuſammen: ſo habt ihr die Quelle vieler Stroͤme:<lb/>
z. E. <hirendition="#fr">glanzbeſaͤet, eiſenbepflanzet.</hi> Es iſt<lb/>
wahr, daß man nicht <hirendition="#fr">Glanz ſaͤet;</hi> noch <hirendition="#fr">Eiſen<lb/>
pflanzet:</hi> Beydes aber fuͤhret uns doch auf den Be-<lb/>
griff von <hirendition="#fr">Saͤen</hi> und <hirendition="#fr">Pflanzen:</hi> wir <hirendition="#fr">pflanzen;</hi><lb/>
wir <hirendition="#fr">ſaͤen:</hi> und das iſt ſchoͤn! So gehet es auch<lb/>
hier mit <hirendition="#fr">liebesverwundet.</hi> Es iſt wahr, daß die<lb/><hirendition="#fr">Liebe</hi> nur <hirendition="#fr">einmal,</hi> naͤmlich von dem ungeſchlach-<lb/>
ten <hirendition="#fr">Diomedes,</hi> verwundet worden: Allein ſie hat<lb/><hirendition="#fr">myriadenmal</hi> verwundet: folglich iſt das Bey-<lb/>
wort von <hirendition="#fr">Liebe</hi> und <hirendition="#fr">verwundet</hi>ſchoͤn.</p><lb/><cit><quote>“Aengſtlich warnt’ ich: allein die <hirendition="#fr">liebesver-</hi><lb/><hirendition="#et"><hirendition="#fr">wundete</hi> Herzen</hi><lb/>“<hirendition="#fr">Hoͤrten</hi> mich nicht.”<hirendition="#et"><hirendition="#fr">Noah, 24 S.</hi></hi></quote><bibl/></cit><lb/><p>Jſt das <hirendition="#fr">Hoͤren</hi> nicht wichtig?</p></div><lb/><divn="3"><head>Lieder von Schwung,</head><p>und Verſe von <hirendition="#fr">Fall</hi> begei-<lb/>ſtert: ſind die Lieder, denen ein ganz neuer<lb/>
Schwung gegeben worden. Denn ſo ſprach man,<lb/>
als man noch <hirendition="#fr">deutſch</hi> dichtete. Aber Blatter<lb/>
fallen ab; und neue entſtehen: ſo gehet es auch<lb/>
mit den Sprachen: nun <hirendition="#fr">gruͤnet</hi> die <hirendition="#fr">Klop-<lb/>ſtockiſche.</hi></p><lb/><cit><quote>“Unſere <hirendition="#fr">Lieder von Schwung u. Harmo-</hi><lb/><hirendition="#et"><hirendition="#fr">nien</hi> begeiſtert,</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch">“Suchen</fw><lb/></quote></cit></div></div></div></body></text></TEI>
[274/0300]
Li
Liebesverwundet, a. St. von Liebe verwundet.
Ueberhaupt muͤſſen wir eine Quelle entdecken, die
viel Stroͤme von ſchoͤnen und gewichtigen Bey-
woͤrtern hervorbringet. Man nehme zwey Woͤr-
ter, ein Hauptwort und ein Beywort, die ſich
gar nicht zuſammen ſchicken, und ziehe ſie in eins
zuſammen: ſo habt ihr die Quelle vieler Stroͤme:
z. E. glanzbeſaͤet, eiſenbepflanzet. Es iſt
wahr, daß man nicht Glanz ſaͤet; noch Eiſen
pflanzet: Beydes aber fuͤhret uns doch auf den Be-
griff von Saͤen und Pflanzen: wir pflanzen;
wir ſaͤen: und das iſt ſchoͤn! So gehet es auch
hier mit liebesverwundet. Es iſt wahr, daß die
Liebe nur einmal, naͤmlich von dem ungeſchlach-
ten Diomedes, verwundet worden: Allein ſie hat
myriadenmal verwundet: folglich iſt das Bey-
wort von Liebe und verwundet ſchoͤn.
“Aengſtlich warnt’ ich: allein die liebesver-
wundete Herzen
“Hoͤrten mich nicht.” Noah, 24 S.
Jſt das Hoͤren nicht wichtig?
Lieder von Schwung, und Verſe von Fall begei-
ſtert: ſind die Lieder, denen ein ganz neuer
Schwung gegeben worden. Denn ſo ſprach man,
als man noch deutſch dichtete. Aber Blatter
fallen ab; und neue entſtehen: ſo gehet es auch
mit den Sprachen: nun gruͤnet die Klop-
ſtockiſche.
“Unſere Lieder von Schwung u. Harmo-
nien begeiſtert,
“Suchen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/300>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.