Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

Fe
Satz, als die Stütze, den ersten Grund, und den
Eckstein unserer Kunst vorzutragen. Wer in der
heiligen Dichtkunst vortrefflich werden will,
muß alle Begriffe, alle Geburten, und auch die ge-
ringsten Spuren des gefährlichsten Feindes des
Witzes, dieses Verwüsters der schönsten Figuren,
welcher, ich will nicht sagen, bey allen Deut-
schen,
unter dem Namen der gesunden Ver-
nunft
bekannt ist, auf das sorgfältigste vermeiden,
sie verabscheuen, und einen Widerwillen davor ha-
ben. Er muß sich ganz darauf legen, den wahr-
haften verkehrten Geschmack zu erlangen, und sich
auf eine glücklichere Art zu denken legen, die nicht
so gemein, sondern wundersam ist, und von der er
selbst keine Ursache geben kann. Zu dieser bähnen
uns den Weg die vortrefflichen Büchlein Hn.
Bodmers, Breitingers, Meyers,
welche die
Kunst zu malen, zu denken, zu scherzen in sich
halten.

Feuer gräbt.

Niemand hasset mehr den Verwüster
der schönsten Figuren, als mein Held, den wir so
oft, aber nie genug bewundert haben. Wer hätte
sonst, als dieser tiefe Mann, einen Tag graben
lassen?
Wer sonst der Reue a. St. eines
Grabscheites Feuer in die Hand gegeben?
Ja,
wer hätte alles dieses in einer Brust verrichten las-
sen? Welch eine Tiefe des Geistes!

Wer ist, der einen Tag von Tausenden erlebt,
Den nicht in seiner Brust die Reu mit Feuer
gräbt? Haller, 98 S.

Es

Fe
Satz, als die Stuͤtze, den erſten Grund, und den
Eckſtein unſerer Kunſt vorzutragen. Wer in der
heiligen Dichtkunſt vortrefflich werden will,
muß alle Begriffe, alle Geburten, und auch die ge-
ringſten Spuren des gefaͤhrlichſten Feindes des
Witzes, dieſes Verwuͤſters der ſchoͤnſten Figuren,
welcher, ich will nicht ſagen, bey allen Deut-
ſchen,
unter dem Namen der geſunden Ver-
nunft
bekannt iſt, auf das ſorgfaͤltigſte vermeiden,
ſie verabſcheuen, und einen Widerwillen davor ha-
ben. Er muß ſich ganz darauf legen, den wahr-
haften verkehrten Geſchmack zu erlangen, und ſich
auf eine gluͤcklichere Art zu denken legen, die nicht
ſo gemein, ſondern wunderſam iſt, und von der er
ſelbſt keine Urſache geben kann. Zu dieſer baͤhnen
uns den Weg die vortrefflichen Buͤchlein Hn.
Bodmers, Breitingers, Meyers,
welche die
Kunſt zu malen, zu denken, zu ſcherzen in ſich
halten.

Feuer graͤbt.

Niemand haſſet mehr den Verwuͤſter
der ſchoͤnſten Figuren, als mein Held, den wir ſo
oft, aber nie genug bewundert haben. Wer haͤtte
ſonſt, als dieſer tiefe Mann, einen Tag graben
laſſen?
Wer ſonſt der Reue a. St. eines
Grabſcheites Feuer in die Hand gegeben?
Ja,
wer haͤtte alles dieſes in einer Bruſt verrichten laſ-
ſen? Welch eine Tiefe des Geiſtes!

Wer iſt, der einen Tag von Tauſenden erlebt,
Den nicht in ſeiner Bruſt die Reu mit Feuer
graͤbt? Haller, 98 S.

Es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0166" n="140"/><fw place="top" type="header">Fe</fw><lb/>
Satz, als die Stu&#x0364;tze, den er&#x017F;ten Grund, und den<lb/>
Eck&#x017F;tein un&#x017F;erer Kun&#x017F;t vorzutragen. Wer in der<lb/><hi rendition="#fr">heiligen Dichtkun&#x017F;t</hi> vortrefflich werden will,<lb/>
muß alle Begriffe, alle Geburten, und auch die ge-<lb/>
ring&#x017F;ten Spuren des gefa&#x0364;hrlich&#x017F;ten Feindes des<lb/>
Witzes, die&#x017F;es Verwu&#x0364;&#x017F;ters der &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Figuren,<lb/>
welcher, ich will nicht &#x017F;agen, bey allen <hi rendition="#fr">Deut-<lb/>
&#x017F;chen,</hi> unter dem Namen der <hi rendition="#fr">ge&#x017F;unden Ver-<lb/>
nunft</hi> bekannt i&#x017F;t, auf das &#x017F;orgfa&#x0364;ltig&#x017F;te vermeiden,<lb/>
&#x017F;ie verab&#x017F;cheuen, und einen Widerwillen davor ha-<lb/>
ben. Er muß &#x017F;ich ganz darauf legen, den wahr-<lb/>
haften verkehrten Ge&#x017F;chmack zu erlangen, und &#x017F;ich<lb/>
auf eine glu&#x0364;cklichere Art zu denken legen, die nicht<lb/>
&#x017F;o gemein, &#x017F;ondern wunder&#x017F;am i&#x017F;t, und von der er<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t keine Ur&#x017F;ache geben kann. Zu die&#x017F;er ba&#x0364;hnen<lb/>
uns den Weg die vortrefflichen <hi rendition="#fr">Bu&#x0364;chlein Hn.<lb/>
Bodmers, Breitingers, Meyers,</hi> welche die<lb/>
Kun&#x017F;t zu <hi rendition="#fr">malen,</hi> zu <hi rendition="#fr">denken,</hi> zu <hi rendition="#fr">&#x017F;cherzen</hi> in &#x017F;ich<lb/>
halten.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Feuer gra&#x0364;bt.</head>
            <p>Niemand ha&#x017F;&#x017F;et mehr den Verwu&#x0364;&#x017F;ter<lb/>
der &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Figuren, als mein Held, den wir &#x017F;o<lb/>
oft, aber nie genug bewundert haben. Wer ha&#x0364;tte<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t, als die&#x017F;er <hi rendition="#fr">tiefe Mann, einen Tag graben<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en?</hi> Wer &#x017F;on&#x017F;t der <hi rendition="#fr">Reue a. St. eines<lb/>
Grab&#x017F;cheites Feuer in die Hand gegeben?</hi> Ja,<lb/>
wer ha&#x0364;tte alles die&#x017F;es <hi rendition="#fr">in einer Bru&#x017F;t</hi> verrichten la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en? Welch eine Tiefe des Gei&#x017F;tes!</p><lb/>
            <cit>
              <quote>Wer i&#x017F;t, der einen Tag von Tau&#x017F;enden erlebt,<lb/><hi rendition="#fr">Den nicht in &#x017F;einer Bru&#x017F;t die Reu mit Feuer<lb/><hi rendition="#et">gra&#x0364;bt? Haller, 98 S.</hi></hi></quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0166] Fe Satz, als die Stuͤtze, den erſten Grund, und den Eckſtein unſerer Kunſt vorzutragen. Wer in der heiligen Dichtkunſt vortrefflich werden will, muß alle Begriffe, alle Geburten, und auch die ge- ringſten Spuren des gefaͤhrlichſten Feindes des Witzes, dieſes Verwuͤſters der ſchoͤnſten Figuren, welcher, ich will nicht ſagen, bey allen Deut- ſchen, unter dem Namen der geſunden Ver- nunft bekannt iſt, auf das ſorgfaͤltigſte vermeiden, ſie verabſcheuen, und einen Widerwillen davor ha- ben. Er muß ſich ganz darauf legen, den wahr- haften verkehrten Geſchmack zu erlangen, und ſich auf eine gluͤcklichere Art zu denken legen, die nicht ſo gemein, ſondern wunderſam iſt, und von der er ſelbſt keine Urſache geben kann. Zu dieſer baͤhnen uns den Weg die vortrefflichen Buͤchlein Hn. Bodmers, Breitingers, Meyers, welche die Kunſt zu malen, zu denken, zu ſcherzen in ſich halten. Feuer graͤbt. Niemand haſſet mehr den Verwuͤſter der ſchoͤnſten Figuren, als mein Held, den wir ſo oft, aber nie genug bewundert haben. Wer haͤtte ſonſt, als dieſer tiefe Mann, einen Tag graben laſſen? Wer ſonſt der Reue a. St. eines Grabſcheites Feuer in die Hand gegeben? Ja, wer haͤtte alles dieſes in einer Bruſt verrichten laſ- ſen? Welch eine Tiefe des Geiſtes! Wer iſt, der einen Tag von Tauſenden erlebt, Den nicht in ſeiner Bruſt die Reu mit Feuer graͤbt? Haller, 98 S. Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/166
Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/166>, abgerufen am 30.12.2024.