stalt erreichte nun auch der Altvater, nebst seinem Haus-Genossen seine Bequemlichkeit auf der Al- berts-Burg, indem wir uns ingesamt bald dar- auf zur Ruhe begaben. Einige Tage hernach, da der Drechsler, Herrlich, mir einen wohlgemachten Bauer vor meinen schönen Vogel überbrachte, und zur Danckbarkeit von dem Altvater mit dem aller- besten Weine tractiret wurde, ließ sich derselbe von mir bereden, dem Altvater zum Zeitvertreibe seine, nemlich.
Des Drechslers Herrlichs Lebens Ge- schicht
zu erzehlen, und zwar folgender massen:
Jch bin, fing er an, im Jahr 1693. in einem klei- nen Städtgen, von armen Eltern erzeuget worden, denn mein Vater ernehrete sich, meine Mutter und mich als sein eintziges Kind mit Handlangen und Bothschafft lauffen, brachte aber doch damit immer so viel vor sich, daß wir nicht allein satt zu essen, son- dern auch nothdürfftige Kleider anzuziehen hatten, so bald aber ich kaum mein zehentes Jahr erreicht, spannete mich mein Vater schon zu allerhand Arbeit an, hergegen wurde an gar kein Schulgehen ge- dacht, sondern mein Vater war vollkommen zufrie- den, daß mir die Mutter das Vater Unser, den christlichen Glauben, die Tisch-und etliche andere Gebete nach der Larve herbeten gelernet, meinete auch, mit den übrigen Glaubens-Articuln hätte es schon noch Zeit bis das Jahr herzu käme, da derglei- chen Jungens zum Abendmahl gehen müßten, denn seine Eltern waren mit ihm auf gleiche Weise ver-
fah-
II.Theil. c c
ſtalt erreichte nun auch der Altvater, nebſt ſeinem Haus-Genoſſen ſeine Bequemlichkeit auf der Al- berts-Burg, indem wir uns ingeſamt bald dar- auf zur Ruhe begaben. Einige Tage hernach, da der Drechsler, Herrlich, mir einen wohlgemachten Bauer vor meinen ſchoͤnen Vogel uͤberbrachte, und zur Danckbarkeit von dem Altvater mit dem aller- beſten Weine tractiret wurde, ließ ſich derſelbe von mir bereden, dem Altvater zum Zeitvertreibe ſeine, nemlich.
Des Drechslers Herrlichs Lebens Ge- ſchicht
zu erzehlen, und zwar folgender maſſen:
Jch bin, fing er an, im Jahr 1693. in einem klei- nen Staͤdtgen, von armen Eltern erzeuget worden, denn mein Vater ernehrete ſich, meine Mutter und mich als ſein eintziges Kind mit Handlangen und Bothſchafft lauffen, brachte aber doch damit immer ſo viel vor ſich, daß wir nicht allein ſatt zu eſſen, ſon- dern auch nothduͤrfftige Kleider anzuziehen hatten, ſo bald aber ich kaum mein zehentes Jahr erreicht, ſpannete mich mein Vater ſchon zu allerhand Arbeit an, hergegen wurde an gar kein Schulgehen ge- dacht, ſondern mein Vater war vollkommen zufrie- den, daß mir die Mutter das Vater Unſer, den chriſtlichen Glauben, die Tiſch-und etliche andere Gebete nach der Larve herbeten gelernet, meinete auch, mit den uͤbrigen Glaubens-Articuln haͤtte es ſchon noch Zeit bis das Jahr herzu kaͤme, da derglei- chen Jungens zum Abendmahl gehen muͤßten, denn ſeine Eltern waren mit ihm auf gleiche Weiſe ver-
fah-
II.Theil. c c
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0415"n="401"/>ſtalt erreichte nun auch der Altvater, nebſt ſeinem<lb/>
Haus-Genoſſen ſeine Bequemlichkeit auf der <hirendition="#aq">Al-<lb/>
berts-</hi>Burg, indem wir uns ingeſamt bald dar-<lb/>
auf zur Ruhe begaben. Einige Tage hernach, da<lb/>
der Drechsler, Herrlich, mir einen wohlgemachten<lb/>
Bauer vor meinen ſchoͤnen Vogel uͤberbrachte, und<lb/>
zur Danckbarkeit von dem Altvater mit dem aller-<lb/>
beſten Weine <hirendition="#aq">tractir</hi>et wurde, ließ ſich derſelbe von<lb/>
mir bereden, dem Altvater zum Zeitvertreibe ſeine,<lb/>
nemlich.</p></div><lb/><divn="2"><head>Des Drechslers Herrlichs Lebens Ge-<lb/>ſchicht</head><lb/><p>zu erzehlen, und zwar folgender maſſen:</p><lb/><p>Jch bin, fing er an, im Jahr 1693. in einem klei-<lb/>
nen Staͤdtgen, von armen Eltern erzeuget worden,<lb/>
denn mein Vater ernehrete ſich, meine Mutter und<lb/>
mich als ſein eintziges Kind mit Handlangen und<lb/>
Bothſchafft lauffen, brachte aber doch damit immer<lb/>ſo viel vor ſich, daß wir nicht allein ſatt zu eſſen, ſon-<lb/>
dern auch nothduͤrfftige Kleider anzuziehen hatten,<lb/>ſo bald aber ich kaum mein zehentes Jahr erreicht,<lb/>ſpannete mich mein Vater ſchon zu allerhand Arbeit<lb/>
an, hergegen wurde an gar kein Schulgehen ge-<lb/>
dacht, ſondern mein Vater war vollkommen zufrie-<lb/>
den, daß mir die Mutter das Vater Unſer, den<lb/>
chriſtlichen Glauben, die Tiſch-und etliche andere<lb/>
Gebete nach der Larve herbeten gelernet, meinete<lb/>
auch, mit den uͤbrigen Glaubens-Articuln haͤtte es<lb/>ſchon noch Zeit bis das Jahr herzu kaͤme, da derglei-<lb/>
chen Jungens zum Abendmahl gehen muͤßten, denn<lb/>ſeine Eltern waren mit ihm auf gleiche Weiſe ver-<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">II.</hi><hirendition="#fr">Theil.</hi> c c</fw><fwplace="bottom"type="catch">fah-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[401/0415]
ſtalt erreichte nun auch der Altvater, nebſt ſeinem
Haus-Genoſſen ſeine Bequemlichkeit auf der Al-
berts-Burg, indem wir uns ingeſamt bald dar-
auf zur Ruhe begaben. Einige Tage hernach, da
der Drechsler, Herrlich, mir einen wohlgemachten
Bauer vor meinen ſchoͤnen Vogel uͤberbrachte, und
zur Danckbarkeit von dem Altvater mit dem aller-
beſten Weine tractiret wurde, ließ ſich derſelbe von
mir bereden, dem Altvater zum Zeitvertreibe ſeine,
nemlich.
Des Drechslers Herrlichs Lebens Ge-
ſchicht
zu erzehlen, und zwar folgender maſſen:
Jch bin, fing er an, im Jahr 1693. in einem klei-
nen Staͤdtgen, von armen Eltern erzeuget worden,
denn mein Vater ernehrete ſich, meine Mutter und
mich als ſein eintziges Kind mit Handlangen und
Bothſchafft lauffen, brachte aber doch damit immer
ſo viel vor ſich, daß wir nicht allein ſatt zu eſſen, ſon-
dern auch nothduͤrfftige Kleider anzuziehen hatten,
ſo bald aber ich kaum mein zehentes Jahr erreicht,
ſpannete mich mein Vater ſchon zu allerhand Arbeit
an, hergegen wurde an gar kein Schulgehen ge-
dacht, ſondern mein Vater war vollkommen zufrie-
den, daß mir die Mutter das Vater Unſer, den
chriſtlichen Glauben, die Tiſch-und etliche andere
Gebete nach der Larve herbeten gelernet, meinete
auch, mit den uͤbrigen Glaubens-Articuln haͤtte es
ſchon noch Zeit bis das Jahr herzu kaͤme, da derglei-
chen Jungens zum Abendmahl gehen muͤßten, denn
ſeine Eltern waren mit ihm auf gleiche Weiſe ver-
fah-
II. Theil. c c
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/415>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.