Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.in deinen Gefühlen, was des einen Lebens stille bleibende Harmonie ist. Nur im todten Buchstaben verödet dein Daseyn. Leben strömet zum Leben, und je mehr die Natur in deinen Blicken lebt, und ihre Ansicht lebendige Kraft in dir selbst ist: je höher und wahrer wird dadurch auch deine Anschauung, und du ruhst mit der hohen Gewißheit eines Gottes in ihrer ewigen Umarmung. Jn diesem deinem Verhältnisse mit der Natur wird die höchste Energie und Thätigkeit des Geistes auch zugleich die höchste Reinheit und Empfänglichkeit des Sinnes. Keines trennst du vom andern, wie das Auge nicht vom Sonnenlicht, und dieses nicht von jenem. Aber vom bildenden Genius geht die Befreundung aus, und nur er ist der Gott, der alles zum Leben vereinigt, und im Lichte des Schönen die Umarmungen fortführet durch alle Räume des Himmels. 4.
Die Rheinfahrt nach Eglisau. Blicke noch einmal auf das erhabene Schauspiel mit dem vollen gerührten Auge, und siehe nun fernhin den Strom im frei dahin wandelnden Fluge. Du fühlest dich süß ermattet von der Betrachtung des Großen, und möchtest des Tages liebliche Stille athmen im ruhigen Anschaun des Schönen. Geleite den Strom von seinem mächtigen Falle durch die Reihen in deinen Gefuͤhlen, was des einen Lebens stille bleibende Harmonie ist. Nur im todten Buchstaben veroͤdet dein Daseyn. Leben stroͤmet zum Leben, und je mehr die Natur in deinen Blicken lebt, und ihre Ansicht lebendige Kraft in dir selbst ist: je hoͤher und wahrer wird dadurch auch deine Anschauung, und du ruhst mit der hohen Gewißheit eines Gottes in ihrer ewigen Umarmung. Jn diesem deinem Verhaͤltnisse mit der Natur wird die hoͤchste Energie und Thaͤtigkeit des Geistes auch zugleich die hoͤchste Reinheit und Empfaͤnglichkeit des Sinnes. Keines trennst du vom andern, wie das Auge nicht vom Sonnenlicht, und dieses nicht von jenem. Aber vom bildenden Genius geht die Befreundung aus, und nur er ist der Gott, der alles zum Leben vereinigt, und im Lichte des Schoͤnen die Umarmungen fortfuͤhret durch alle Raͤume des Himmels. 4.
Die Rheinfahrt nach Eglisau. Blicke noch einmal auf das erhabene Schauspiel mit dem vollen geruͤhrten Auge, und siehe nun fernhin den Strom im frei dahin wandelnden Fluge. Du fuͤhlest dich suͤß ermattet von der Betrachtung des Großen, und moͤchtest des Tages liebliche Stille athmen im ruhigen Anschaun des Schoͤnen. Geleite den Strom von seinem maͤchtigen Falle durch die Reihen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0055" n="47"/> in deinen Gefuͤhlen, was des einen Lebens stille bleibende Harmonie ist. Nur im todten Buchstaben veroͤdet dein Daseyn. Leben stroͤmet zum Leben, und je mehr die Natur in deinen Blicken lebt, und ihre Ansicht lebendige Kraft in dir selbst ist: je hoͤher und wahrer wird dadurch auch deine Anschauung, und du ruhst mit der hohen Gewißheit eines Gottes in ihrer ewigen Umarmung.</p><lb/> <p>Jn diesem deinem Verhaͤltnisse mit der Natur wird die hoͤchste Energie und Thaͤtigkeit des Geistes auch zugleich die hoͤchste Reinheit und Empfaͤnglichkeit des Sinnes. Keines trennst du vom andern, wie das Auge nicht vom Sonnenlicht, und dieses nicht von jenem. Aber vom bildenden Genius geht die Befreundung aus, und nur er ist der Gott, der alles zum Leben vereinigt, und im Lichte des Schoͤnen die Umarmungen fortfuͤhret durch alle Raͤume des Himmels.</p><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/><lb/> </div> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">4.<lb/><hi rendition="#g">Die Rheinfahrt nach Eglisau</hi>.</hi> </head><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/><lb/> <p>Blicke noch einmal auf das erhabene Schauspiel mit dem vollen geruͤhrten Auge, und siehe nun fernhin den Strom im frei dahin wandelnden Fluge. Du fuͤhlest dich suͤß ermattet von der Betrachtung des Großen, und moͤchtest des Tages liebliche Stille athmen im ruhigen Anschaun des Schoͤnen. Geleite den Strom von seinem maͤchtigen Falle durch die Reihen </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [47/0055]
in deinen Gefuͤhlen, was des einen Lebens stille bleibende Harmonie ist. Nur im todten Buchstaben veroͤdet dein Daseyn. Leben stroͤmet zum Leben, und je mehr die Natur in deinen Blicken lebt, und ihre Ansicht lebendige Kraft in dir selbst ist: je hoͤher und wahrer wird dadurch auch deine Anschauung, und du ruhst mit der hohen Gewißheit eines Gottes in ihrer ewigen Umarmung.
Jn diesem deinem Verhaͤltnisse mit der Natur wird die hoͤchste Energie und Thaͤtigkeit des Geistes auch zugleich die hoͤchste Reinheit und Empfaͤnglichkeit des Sinnes. Keines trennst du vom andern, wie das Auge nicht vom Sonnenlicht, und dieses nicht von jenem. Aber vom bildenden Genius geht die Befreundung aus, und nur er ist der Gott, der alles zum Leben vereinigt, und im Lichte des Schoͤnen die Umarmungen fortfuͤhret durch alle Raͤume des Himmels.
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Die Rheinfahrt nach Eglisau.
Blicke noch einmal auf das erhabene Schauspiel mit dem vollen geruͤhrten Auge, und siehe nun fernhin den Strom im frei dahin wandelnden Fluge. Du fuͤhlest dich suͤß ermattet von der Betrachtung des Großen, und moͤchtest des Tages liebliche Stille athmen im ruhigen Anschaun des Schoͤnen. Geleite den Strom von seinem maͤchtigen Falle durch die Reihen
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/55>, abgerufen am 03.03.2025. |