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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

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Theresiade
"Jch brachte dazumahl ein solch' Gebäu zu Stand,
150"Jn dessen Fachungen sich alle Welt befand.
"Die Allmacht hatte mich dergleichen Kunst gelehret,
"Und also mich zum Haupt der Kunst-Gemeind' erkläret.
"Weil nun der Himmel selbst mir diesen Vorzug gab,
"So weiß ich nicht, was ich noch mehr zu reden hab.
155"Jhr werdet also mir, gefällt es euch, befehlen,
"Was ich vor einen Plan zum bauen soll erwählen.
DJeß nahm die Bilder-Kunst mit scheelen Augen an:
"Verzeih mir, sagte sie, daß ich kaum hören kann
"Wie deine Kunst sich prahlt: wer lobte dann die Grillen,
160"Mit denen du verlangst die Nachwelt anzufüllen?
"Was heissen Kalch und Sand? wie prangen Stein' und Maur?
"O daß ich deine Müh und Arbeit nicht bedaur!
"Ein rauher Ziegel-Berg wem trägt er Ruhm und Ehren?
"Für wen ist er gebaut? wer wird den Nahmen hören,
165"Den etwann schon der Rost der Zeit hat ausgefeilt?
"Sag, wessen Ehre war derselbe zugetheilt?
"Was die Nachkömmlinge dadurch zu wissen haben,
"Nicht wahr, es ist in Sand, in Kalch und Stein vergraben.
"Jch, sieh! betrachte mich! mich aller Künste Kunst,
170"Jch prange mehr, als du, mit kluger Herzen Gunst.
"Jch weiß Natur und Kunst so gut in Eins zu fügen,
"Daß meiner Bilder Pracht Aug und Verstand betrügen.
"Er-
Thereſiade
„Jch brachte dazumahl ein ſolch’ Gebaͤu zu Stand,
150„Jn deſſen Fachungen ſich alle Welt befand.
„Die Allmacht hatte mich dergleichen Kunſt gelehret,
„Und alſo mich zum Haupt der Kunſt-Gemeind’ erklaͤret.
„Weil nun der Himmel ſelbſt mir dieſen Vorzug gab,
„So weiß ich nicht, was ich noch mehr zu reden hab.
155„Jhr werdet alſo mir, gefaͤllt es euch, befehlen,
„Was ich vor einen Plan zum bauen ſoll erwaͤhlen.
DJeß nahm die Bilder-Kunſt mit ſcheelen Augen an:
„Verzeih mir, ſagte ſie, daß ich kaum hoͤren kann
„Wie deine Kunſt ſich prahlt: wer lobte dann die Grillen,
160„Mit denen du verlangſt die Nachwelt anzufuͤllen?
„Was heiſſen Kalch und Sand? wie prangen Stein’ und Maur?
„O daß ich deine Muͤh und Arbeit nicht bedaur!
„Ein rauher Ziegel-Berg wem traͤgt er Ruhm und Ehren?
„Fuͤr wen iſt er gebaut? wer wird den Nahmen hoͤren,
165„Den etwann ſchon der Roſt der Zeit hat ausgefeilt?
„Sag, weſſen Ehre war derſelbe zugetheilt?
„Was die Nachkoͤmmlinge dadurch zu wiſſen haben,
„Nicht wahr, es iſt in Sand, in Kalch und Stein vergraben.
„Jch, ſieh! betrachte mich! mich aller Kuͤnſte Kunſt,
170„Jch prange mehr, als du, mit kluger Herzen Gunſt.
„Jch weiß Natur und Kunſt ſo gut in Eins zu fuͤgen,
„Daß meiner Bilder Pracht Aug und Verſtand betruͤgen.
„Er-
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[0040] Thereſiade „Jch brachte dazumahl ein ſolch’ Gebaͤu zu Stand, „Jn deſſen Fachungen ſich alle Welt befand. „Die Allmacht hatte mich dergleichen Kunſt gelehret, „Und alſo mich zum Haupt der Kunſt-Gemeind’ erklaͤret. „Weil nun der Himmel ſelbſt mir dieſen Vorzug gab, „So weiß ich nicht, was ich noch mehr zu reden hab. „Jhr werdet alſo mir, gefaͤllt es euch, befehlen, „Was ich vor einen Plan zum bauen ſoll erwaͤhlen. DJeß nahm die Bilder-Kunſt mit ſcheelen Augen an: „Verzeih mir, ſagte ſie, daß ich kaum hoͤren kann „Wie deine Kunſt ſich prahlt: wer lobte dann die Grillen, „Mit denen du verlangſt die Nachwelt anzufuͤllen? „Was heiſſen Kalch und Sand? wie prangen Stein’ und Maur? „O daß ich deine Muͤh und Arbeit nicht bedaur! „Ein rauher Ziegel-Berg wem traͤgt er Ruhm und Ehren? „Fuͤr wen iſt er gebaut? wer wird den Nahmen hoͤren, „Den etwann ſchon der Roſt der Zeit hat ausgefeilt? „Sag, weſſen Ehre war derſelbe zugetheilt? „Was die Nachkoͤmmlinge dadurch zu wiſſen haben, „Nicht wahr, es iſt in Sand, in Kalch und Stein vergraben. „Jch, ſieh! betrachte mich! mich aller Kuͤnſte Kunſt, „Jch prange mehr, als du, mit kluger Herzen Gunſt. „Jch weiß Natur und Kunſt ſo gut in Eins zu fuͤgen, „Daß meiner Bilder Pracht Aug und Verſtand betruͤgen. „Er-

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/40>, abgerufen am 26.04.2024.