Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708.

Bild:
<< vorherige Seite

Exempels so versicheret/ daß einer nicht wol ankäme/ der sie wurde in Zweifel
zeuhen. Man gibt auch vor/ daß diser Bößwicht sich/ wann man ihm ruffe/
oder herauß fordere/ merken lasse. Und erzellete uns felbs ein Gelehrter/
und Ehrwürdiger Priester/ so in der nähe seßhaft C. J. A. P. in U. S.
daß er auf eine Zeit in seinen jungen Jahren sich in dise Clariden Alpen ver-
füget/ und an dem Ohrt/ wo die Sennhütte gestanden/ den mit Leib und
Seel verschlungenen Senn kühner weise außgeforderet/ worauf die Erde
in eine Erschütterung gerahten/ und die Felsen Steine von der höhe sich
mit grossem Geräusch/ und zu grossem feinem Schrecken/ abgeworffen/ daß
er sich mit der Flucht salvirt, und Gott gedanket/ daß er mit dem Leben
darvon kommen.

Auf unserem Fortmarsch kommen wir erstlich in die Clauß/ ein
schöne/ weidreiche Alp/ allwo man mit Lust sihet die Felswände etlich 100.
Schuh hoch in Form eines Amphitheatri in die ründe stehen/ und über
dieselben sich abstürtzen drey schöne Wasserfälle/ welche bald nach ihrem
Sturtz zusamen fliessen in den

Ferschbach/

welcher hinder dem Dorff Lintthal/ im Grossen Thal des Glarner-
lands/
sich in die Linth ergiesset:

Von hier reißten wir weiters durch Vorfrut/ Säuboden/ Claus-
Thal/ Balm/
und hatten zur Rechten den Engliswald/ Wengis-
wald/ Ober- und Under Balmberg/
zur Linken den Wienersta-
del/
und Underbödmen.

Jm Clausthal traffen wir an eine

Rohte Martialische Erden.

Von der Höhe Balm stiegen wir durch einen gähen/ krummen/
Weg den Berg ab in das Schächenthal/ zu dessen End seinen Kopf
in die Höhe strecket der Berg Scharhorn/ von welchem die Anwohnere
vorgeben/ daß er von allen seiten her in gleicher Gestolt vorkomme: Von di-
sem/ und anderen in diser Gegend anligenden Bergen fliessen herab fehr vil
Wasserbäche/ welche theils in Gestatt schöner Wasserfällen (unter denen
sonderlich einer ist/ die Stäube genant/ weilen seine Wasser wegen des ho-
hen Falls sich endlich in einen Staub auflösen) abstürtzen/ theils sonst über-
die Felsen/ und gächhaldige/ mit Gesträuche/ und Holtz beworffene Borte
in das Thal abfliessen. Disere und andere/ von verschiedenen Bergen dises
Thals zusamen fliessende Quellen/ und Bäche/ deren die einten Crystall
lautere Brunnenwasser führen/ andere aber Milchweiß von Gleischeren
herkommen/ machen auß die Schächen/ einen kleinen Fluß/ welcher dem
ganzen Thal den Nammen gibt/ und endlich seine Wasser dem IV. Wald-
stätten See übergibt.

Nach

Exempels ſo verſicheret/ daß einer nicht wol ankaͤme/ der ſie wurde in Zweifel
zeuhen. Man gibt auch vor/ daß diſer Boͤßwicht ſich/ wann man ihm ruffe/
oder herauß fordere/ merken laſſe. Und erzellete uns felbs ein Gelehrter/
und Ehrwuͤrdiger Prieſter/ ſo in der naͤhe ſeßhaft C. J. A. P. in U. S.
daß er auf eine Zeit in ſeinen jungen Jahren ſich in diſe Clariden Alpen ver-
fuͤget/ und an dem Ohrt/ wo die Sennhütte geſtanden/ den mit Leib und
Seel verſchlungenen Senn kuͤhner weiſe außgeforderet/ worauf die Erde
in eine Erſchuͤtterung gerahten/ und die Felſen Steine von der hoͤhe ſich
mit groſſem Geraͤuſch/ und zu groſſem feinem Schrecken/ abgeworffen/ daß
er ſich mit der Flucht ſalvirt, und Gott gedanket/ daß er mit dem Leben
darvon kommen.

Auf unſerem Fortmarſch kommen wir erſtlich in die Clauß/ ein
ſchoͤne/ weidreiche Alp/ allwo man mit Luſt ſihet die Felſwaͤnde etlich 100.
Schuh hoch in Form eines Amphitheatri in die ruͤnde ſtehen/ und uͤber
dieſelben ſich abſtuͤrtzen drey ſchoͤne Waſſerfaͤlle/ welche bald nach ihrem
Sturtz zuſamen flieſſen in den

Ferſchbach/

welcher hinder dem Dorff Lintthal/ im Groſſen Thal des Glarner-
lands/
ſich in die Linth ergieſſet:

Von hier reißten wir weiters durch Vorfrut/ Saͤuboden/ Claus-
Thal/ Balm/
und hatten zur Rechten den Engliswald/ Wengis-
wald/ Ober- und Under Balmberg/
zur Linken den Wienerſta-
del/
und Underboͤdmen.

Jm Clausthal traffen wir an eine

Rohte Martialiſche Erden.

Von der Hoͤhe Balm ſtiegen wir durch einen gaͤhen/ krummen/
Weg den Berg ab in das Schaͤchenthal/ zu deſſen End ſeinen Kopf
in die Hoͤhe ſtrecket der Berg Scharhorn/ von welchem die Anwohnere
vorgeben/ daß er von allen ſeiten her in gleicher Geſtolt vorkomme: Von di-
ſem/ und anderen in diſer Gegend anligenden Bergen flieſſen herab fehr vil
Waſſerbaͤche/ welche theils in Geſtatt ſchoͤner Waſſerfaͤllen (unter denen
ſonderlich einer iſt/ die Staͤube genant/ weilen ſeine Waſſer wegen des ho-
hen Falls ſich endlich in einen Staub aufloͤſen) abſtuͤrtzen/ theils ſonſt uͤber-
die Felſen/ und gaͤchhaldige/ mit Geſtraͤuche/ und Holtz beworffene Borte
in das Thal abflieſſen. Diſere und andere/ von verſchiedenen Bergen diſes
Thals zuſamen flieſſende Quellen/ und Baͤche/ deren die einten Cryſtall
lautere Brunnenwaſſer fuͤhren/ andere aber Milchweiß von Gleiſcheren
herkommen/ machen auß die Schaͤchen/ einen kleinen Fluß/ welcher dem
ganzen Thal den Nammen gibt/ und endlich ſeine Waſſer dem IV. Wald-
ſtaͤtten See uͤbergibt.

Nach
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0045" n="(35)[35]"/>
Exempels &#x017F;o ver&#x017F;icheret/ daß einer nicht wol anka&#x0364;me/ der &#x017F;ie wurde in Zweifel<lb/>
zeuhen. Man gibt auch vor/ daß di&#x017F;er Bo&#x0364;ßwicht &#x017F;ich/ wann man ihm ruffe/<lb/>
oder herauß fordere/ merken la&#x017F;&#x017F;e. Und erzellete uns felbs ein Gelehrter/<lb/>
und Ehrwu&#x0364;rdiger Prie&#x017F;ter/ &#x017F;o in der na&#x0364;he &#x017F;eßhaft <hi rendition="#aq">C. J. A. P.</hi> in U. S.<lb/>
daß er auf eine Zeit in &#x017F;einen jungen Jahren &#x017F;ich in di&#x017F;e Clariden Alpen ver-<lb/>
fu&#x0364;get/ und an dem Ohrt/ wo die Sennhütte ge&#x017F;tanden/ den mit Leib und<lb/>
Seel ver&#x017F;chlungenen Senn ku&#x0364;hner wei&#x017F;e außgeforderet/ worauf die Erde<lb/>
in eine Er&#x017F;chu&#x0364;tterung gerahten/ und die Fel&#x017F;en Steine von der ho&#x0364;he &#x017F;ich<lb/>
mit gro&#x017F;&#x017F;em Gera&#x0364;u&#x017F;ch/ und zu gro&#x017F;&#x017F;em feinem Schrecken/ abgeworffen/ daß<lb/>
er &#x017F;ich mit der Flucht <hi rendition="#aq">&#x017F;alvirt,</hi> und Gott gedanket/ daß er mit dem Leben<lb/>
darvon kommen.</p><lb/>
          <p>Auf un&#x017F;erem Fortmar&#x017F;ch kommen wir er&#x017F;tlich in die <hi rendition="#fr">Clauß/</hi> ein<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;ne/ weidreiche Alp/ allwo man mit Lu&#x017F;t &#x017F;ihet die Fel&#x017F;wa&#x0364;nde etlich 100.<lb/>
Schuh hoch in Form eines <hi rendition="#aq">Amphitheatri</hi> in die ru&#x0364;nde &#x017F;tehen/ und u&#x0364;ber<lb/>
die&#x017F;elben &#x017F;ich ab&#x017F;tu&#x0364;rtzen drey &#x017F;cho&#x0364;ne <hi rendition="#fr">Wa&#x017F;&#x017F;erfa&#x0364;lle/</hi> welche bald nach ihrem<lb/>
Sturtz zu&#x017F;amen flie&#x017F;&#x017F;en in den</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#fr">Fer&#x017F;chbach/</hi> </head><lb/>
          <p>welcher hinder dem Dorff <hi rendition="#fr">Lintthal/</hi> im <hi rendition="#fr">Gro&#x017F;&#x017F;en Thal</hi> des <hi rendition="#fr">Glarner-<lb/>
lands/</hi> &#x017F;ich in die <hi rendition="#fr">Linth</hi> ergie&#x017F;&#x017F;et:</p><lb/>
          <p>Von hier reißten wir weiters durch <hi rendition="#fr">Vorfrut/ Sa&#x0364;uboden/ Claus-<lb/>
Thal/ Balm/</hi> und hatten zur Rechten den <hi rendition="#fr">Engliswald/ Wengis-<lb/>
wald/ Ober- und Under Balmberg/</hi> zur Linken den <hi rendition="#fr">Wiener&#x017F;ta-<lb/>
del/</hi> und <hi rendition="#fr">Underbo&#x0364;dmen.</hi></p><lb/>
          <p>Jm <hi rendition="#fr">Clausthal</hi> traffen wir an eine</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#fr">Rohte Martiali&#x017F;che Erden.</hi> </head><lb/>
          <p>Von der Ho&#x0364;he <hi rendition="#fr">Balm</hi> &#x017F;tiegen wir durch einen ga&#x0364;hen/ krummen/<lb/>
Weg den Berg ab in das <hi rendition="#fr">Scha&#x0364;chenthal/</hi> zu de&#x017F;&#x017F;en End &#x017F;einen Kopf<lb/>
in die Ho&#x0364;he &#x017F;trecket der Berg <hi rendition="#fr">Scharhorn/</hi> von welchem die Anwohnere<lb/>
vorgeben/ daß er von allen &#x017F;eiten her in gleicher Ge&#x017F;tolt vorkomme: Von di-<lb/>
&#x017F;em/ und anderen in di&#x017F;er Gegend anligenden Bergen flie&#x017F;&#x017F;en herab fehr vil<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;erba&#x0364;che/ welche theils in Ge&#x017F;tatt &#x017F;cho&#x0364;ner <hi rendition="#fr">Wa&#x017F;&#x017F;erfa&#x0364;llen</hi> (unter denen<lb/>
&#x017F;onderlich einer i&#x017F;t/ die <hi rendition="#fr">Sta&#x0364;ube</hi> genant/ weilen &#x017F;eine Wa&#x017F;&#x017F;er wegen des ho-<lb/>
hen Falls &#x017F;ich endlich in einen Staub auflo&#x0364;&#x017F;en) ab&#x017F;tu&#x0364;rtzen/ theils &#x017F;on&#x017F;t u&#x0364;ber-<lb/>
die Fel&#x017F;en/ und ga&#x0364;chhaldige/ mit Ge&#x017F;tra&#x0364;uche/ und Holtz beworffene Borte<lb/>
in das Thal abflie&#x017F;&#x017F;en. Di&#x017F;ere und andere/ von ver&#x017F;chiedenen Bergen di&#x017F;es<lb/>
Thals zu&#x017F;amen flie&#x017F;&#x017F;ende Quellen/ und Ba&#x0364;che/ deren die einten Cry&#x017F;tall<lb/>
lautere Brunnenwa&#x017F;&#x017F;er fu&#x0364;hren/ andere aber Milchweiß von Glei&#x017F;cheren<lb/>
herkommen/ machen auß die <hi rendition="#fr">Scha&#x0364;chen/</hi> einen kleinen Fluß/ welcher dem<lb/>
ganzen Thal den Nammen gibt/ und endlich &#x017F;eine Wa&#x017F;&#x017F;er dem <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">IV.</hi></hi> Wald-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;tten See u&#x0364;bergibt.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Nach</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[(35)[35]/0045] Exempels ſo verſicheret/ daß einer nicht wol ankaͤme/ der ſie wurde in Zweifel zeuhen. Man gibt auch vor/ daß diſer Boͤßwicht ſich/ wann man ihm ruffe/ oder herauß fordere/ merken laſſe. Und erzellete uns felbs ein Gelehrter/ und Ehrwuͤrdiger Prieſter/ ſo in der naͤhe ſeßhaft C. J. A. P. in U. S. daß er auf eine Zeit in ſeinen jungen Jahren ſich in diſe Clariden Alpen ver- fuͤget/ und an dem Ohrt/ wo die Sennhütte geſtanden/ den mit Leib und Seel verſchlungenen Senn kuͤhner weiſe außgeforderet/ worauf die Erde in eine Erſchuͤtterung gerahten/ und die Felſen Steine von der hoͤhe ſich mit groſſem Geraͤuſch/ und zu groſſem feinem Schrecken/ abgeworffen/ daß er ſich mit der Flucht ſalvirt, und Gott gedanket/ daß er mit dem Leben darvon kommen. Auf unſerem Fortmarſch kommen wir erſtlich in die Clauß/ ein ſchoͤne/ weidreiche Alp/ allwo man mit Luſt ſihet die Felſwaͤnde etlich 100. Schuh hoch in Form eines Amphitheatri in die ruͤnde ſtehen/ und uͤber dieſelben ſich abſtuͤrtzen drey ſchoͤne Waſſerfaͤlle/ welche bald nach ihrem Sturtz zuſamen flieſſen in den Ferſchbach/ welcher hinder dem Dorff Lintthal/ im Groſſen Thal des Glarner- lands/ ſich in die Linth ergieſſet: Von hier reißten wir weiters durch Vorfrut/ Saͤuboden/ Claus- Thal/ Balm/ und hatten zur Rechten den Engliswald/ Wengis- wald/ Ober- und Under Balmberg/ zur Linken den Wienerſta- del/ und Underboͤdmen. Jm Clausthal traffen wir an eine Rohte Martialiſche Erden. Von der Hoͤhe Balm ſtiegen wir durch einen gaͤhen/ krummen/ Weg den Berg ab in das Schaͤchenthal/ zu deſſen End ſeinen Kopf in die Hoͤhe ſtrecket der Berg Scharhorn/ von welchem die Anwohnere vorgeben/ daß er von allen ſeiten her in gleicher Geſtolt vorkomme: Von di- ſem/ und anderen in diſer Gegend anligenden Bergen flieſſen herab fehr vil Waſſerbaͤche/ welche theils in Geſtatt ſchoͤner Waſſerfaͤllen (unter denen ſonderlich einer iſt/ die Staͤube genant/ weilen ſeine Waſſer wegen des ho- hen Falls ſich endlich in einen Staub aufloͤſen) abſtuͤrtzen/ theils ſonſt uͤber- die Felſen/ und gaͤchhaldige/ mit Geſtraͤuche/ und Holtz beworffene Borte in das Thal abflieſſen. Diſere und andere/ von verſchiedenen Bergen diſes Thals zuſamen flieſſende Quellen/ und Baͤche/ deren die einten Cryſtall lautere Brunnenwaſſer fuͤhren/ andere aber Milchweiß von Gleiſcheren herkommen/ machen auß die Schaͤchen/ einen kleinen Fluß/ welcher dem ganzen Thal den Nammen gibt/ und endlich ſeine Waſſer dem IV. Wald- ſtaͤtten See uͤbergibt. Nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten03_1708
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten03_1708/45
Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708, S. (35)[35]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten03_1708/45>, abgerufen am 13.11.2024.