Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708.

Bild:
<< vorherige Seite
N. 46.)



Schweizerische
Berg-Reisen.


WJr fahren fort in Betrachtung unserer Bergbauart; Bey wel-
cher eine neue Gefahr des Einfahls vorstellet die hole/ innere Beschaf-
fenheit unserer Helvetischen Gebirgen. Dise seyn nicht/ wie man sie
ansihet/ durch und durch solid, oder fest/ sondern hol. Und eben dise/ dem ausse-
ten Schein nach desto gebrechlichere/ Berggebäu geben uns an die Hand neue
Betrachtungen zu Darstellung kostbarer Nuzbarkeiten/ welche daher auf die
ganze Erden/ und dero Bewohnere/ sonderlich auf uns nächste Anwohnere
fliessen/ folglich neuen Anlaß zu Anpreisung der allerweisesten Güte Gottes.
Wie? ist nicht ein Maurstok währhafter/ wann er durch und durch fest/ als/
so er inwendig hol? Sehet widerum in diser Gebrechlichkeit/ gleich als in ei-
nem Spiegel/ Gottes beständige Weißheit! weren die Berge durch und durch
fest/ und zwaren aufgebauet aus lauter schwarzen Gartenerde/ welche die
leichteste/ und fruchtbarste/ so wurde sie bald abgewaschen von anlauffenden
Schnee- und Regenwasseren/ ja es wurden innert 100. Jahren vil Thäler
von sothanem Erdschleim überall außgefüllet/ die Thalbewohnere darmit ü-
berschüttet/ oder weggetriben/ ja innert villeicht mehr nit als 1000. Jahren were
das Bergichte Schweizer land verwandelt in eine morastige Ebene; ich sage/
eine morastige Ebene/ weilen endtlich die Wasser keinen Ablauff funden/ son-
dern sich hier und da wurden in Form stillstehender Seen samlen/ und die
nebenstehende Erde durch und durch befeuchten/ daß man nicht darauf bauen
oder wohnen könte. Bestunden dise massive Berghöhenen auß derjenigen
schwereren Erde/ so in der Bergwerken tieffe angetroffen wird/ so were sie wide-
rum den Abschwemmungen unterworffen/ wie die vorige/ darbey aber wurden
zwey andere Ungelegenheiten erwachsen/ welche theils uns Schweizer wurde
treffen/ theils aber die ganze überige Erde. Wir Schweizer wurden bewoh-
nen ein dürres unfruchtbares Land/ weilen sothane schwere sandicht und me-
tallische Erde zu Hervorbringung/ und Nehrung der Pflanzen ganz untaug-
lich. Die übrige Erde stuhnde in Gefahr des Untergangs/ oder Ausweichung
auß dem Mittelpunct ihres Wirbels. Die Herren Ptolemaici verzeihen mir/
daß ich nicht gesagt habe/ auß dem Mittelpunct ihrer Ruhe. Wie aber diß [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
Nach heutiger Mechanischer Außrechnung verhaltet sich die Erde/ so an dem

Boden
N. 46.)



Schweizeriſche
Berg-Reiſen.


WJr fahren fort in Betrachtung unſerer Bergbauart; Bey wel-
cher eine neue Gefahr des Einfahls vorſtellet die hole/ innere Beſchaf-
fenheit unſerer Helvetiſchen Gebirgen. Diſe ſeyn nicht/ wie man ſie
anſihet/ durch und durch ſolid, oder feſt/ ſondern hol. Und eben diſe/ dem auſſe-
ten Schein nach deſto gebrechlichere/ Berggebaͤu geben uns an die Hand neue
Betrachtungen zu Darſtellung koſtbarer Nuzbarkeiten/ welche daher auf die
ganze Erden/ und dero Bewohnere/ ſonderlich auf uns naͤchſte Anwohnere
flieſſen/ folglich neuen Anlaß zu Anpreiſung der allerweiſeſten Guͤte Gottes.
Wie? iſt nicht ein Maurſtok waͤhrhafter/ wann er durch und durch feſt/ als/
ſo er inwendig hol? Sehet widerum in diſer Gebrechlichkeit/ gleich als in ei-
nem Spiegel/ Gottes beſtaͤndige Weißheit! weren die Berge durch und durch
feſt/ und zwaren aufgebauet aus lauter ſchwarzen Gartenerde/ welche die
leichteſte/ und fruchtbarſte/ ſo wurde ſie bald abgewaſchen von anlauffenden
Schnee- und Regenwaſſeren/ ja es wurden innert 100. Jahren vil Thaͤler
von ſothanem Erdſchleim uͤberall außgefuͤllet/ die Thalbewohnere darmit uͤ-
berſchuͤttet/ oder weggetriben/ ja iñert villeicht mehr nit als 1000. Jahrẽ were
das Bergichte Schweizer land verwandelt in eine moraſtige Ebene; ich ſage/
eine moraſtige Ebene/ weilen endtlich die Waſſer keinen Ablauff funden/ ſon-
dern ſich hier und da wurden in Form ſtillſtehender Seen ſamlen/ und die
nebenſtehende Erde durch und durch befeuchten/ daß man nicht darauf bauen
oder wohnen koͤnte. Beſtunden diſe maſſive Berghoͤhenen auß derjenigen
ſchwereren Erde/ ſo in der Bergwerken tieffe angetroffen wird/ ſo were ſie wide-
rum den Abſchwem̃ungen unterworffen/ wie die vorige/ darbey aber wurden
zwey andere Ungelegenheiten erwachſen/ welche theils uns Schweizer wurde
treffen/ theils aber die ganze überige Erde. Wir Schweizer wurden bewoh-
nen ein duͤrꝛes unfruchtbares Land/ weilen ſothane ſchwere ſandicht und me-
talliſche Erde zu Hervorbringung/ und Nehrung der Pflanzen ganz untaug-
lich. Die uͤbrige Erde ſtuhnde in Gefahr des Untergangs/ oder Ausweichung
auß dem Mittelpunct ihres Wirbels. Die Herꝛen Ptolemaici verzeihen mir/
daß ich nicht geſagt habe/ auß dem Mittelpunct ihrer Ruhe. Wie aber diß [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
Nach heutiger Mechaniſcher Außrechnung verhaltet ſich die Erde/ ſo an dem

Boden
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0215" n="181"/>
      <fw place="top" type="header">N. 46.)</fw>
      <div n="1">
        <dateline> <hi rendition="#et">(Den 16. <hi rendition="#aq">Nov.</hi> 1707.</hi> </dateline><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <head> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Schweizeri&#x017F;che</hi><lb/>
Berg-Rei&#x017F;en.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p><hi rendition="#in">W</hi>Jr fahren fort in Betrachtung un&#x017F;erer Bergbauart; Bey wel-<lb/>
cher eine neue Gefahr des Einfahls vor&#x017F;tellet die hole/ innere Be&#x017F;chaf-<lb/>
fenheit un&#x017F;erer <hi rendition="#aq">Helveti</hi>&#x017F;chen Gebirgen. Di&#x017F;e &#x017F;eyn nicht/ wie man &#x017F;ie<lb/>
an&#x017F;ihet/ durch und durch <hi rendition="#aq">&#x017F;olid,</hi> oder fe&#x017F;t/ &#x017F;ondern hol. Und eben di&#x017F;e/ dem au&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
ten Schein nach de&#x017F;to gebrechlichere/ Berggeba&#x0364;u geben uns an die Hand neue<lb/>
Betrachtungen zu Dar&#x017F;tellung ko&#x017F;tbarer Nuzbarkeiten/ welche daher auf die<lb/>
ganze Erden/ und dero Bewohnere/ &#x017F;onderlich auf uns na&#x0364;ch&#x017F;te Anwohnere<lb/>
flie&#x017F;&#x017F;en/ folglich neuen Anlaß zu Anprei&#x017F;ung der allerwei&#x017F;e&#x017F;ten Gu&#x0364;te Gottes.<lb/>
Wie? i&#x017F;t nicht ein Maur&#x017F;tok wa&#x0364;hrhafter/ wann er durch und durch fe&#x017F;t/ als/<lb/>
&#x017F;o er inwendig hol? Sehet widerum in di&#x017F;er Gebrechlichkeit/ gleich als in ei-<lb/>
nem Spiegel/ Gottes be&#x017F;ta&#x0364;ndige Weißheit! weren die Berge durch und durch<lb/>
fe&#x017F;t/ und zwaren aufgebauet aus lauter &#x017F;chwarzen Gartenerde/ welche die<lb/>
leichte&#x017F;te/ und fruchtbar&#x017F;te/ &#x017F;o wurde &#x017F;ie bald abgewa&#x017F;chen von anlauffenden<lb/>
Schnee- und Regenwa&#x017F;&#x017F;eren/ ja es wurden innert 100. Jahren vil Tha&#x0364;ler<lb/>
von &#x017F;othanem Erd&#x017F;chleim u&#x0364;berall außgefu&#x0364;llet/ die Thalbewohnere darmit u&#x0364;-<lb/>
ber&#x017F;chu&#x0364;ttet/ oder weggetriben/ ja in&#x0303;ert villeicht mehr nit als 1000. Jahre&#x0303; were<lb/>
das Bergichte Schweizer land verwandelt in eine mora&#x017F;tige Ebene; ich &#x017F;age/<lb/>
eine mora&#x017F;tige Ebene/ weilen endtlich die Wa&#x017F;&#x017F;er keinen Ablauff funden/ &#x017F;on-<lb/>
dern &#x017F;ich hier und da wurden in Form &#x017F;till&#x017F;tehender Seen &#x017F;amlen/ und die<lb/>
neben&#x017F;tehende Erde durch und durch befeuchten/ daß man nicht darauf bauen<lb/>
oder wohnen ko&#x0364;nte. Be&#x017F;tunden di&#x017F;e <hi rendition="#aq">ma&#x017F;&#x017F;ive</hi> Bergho&#x0364;henen auß derjenigen<lb/>
&#x017F;chwereren Erde/ &#x017F;o in der Bergwerken tieffe angetroffen wird/ &#x017F;o were &#x017F;ie wide-<lb/>
rum den Ab&#x017F;chwem&#x0303;ungen unterworffen/ wie die vorige/ darbey aber wurden<lb/>
zwey andere Ungelegenheiten erwach&#x017F;en/ welche theils uns Schweizer wurde<lb/>
treffen/ theils aber die ganze überige Erde. Wir Schweizer wurden bewoh-<lb/>
nen ein du&#x0364;r&#xA75B;es unfruchtbares Land/ weilen &#x017F;othane &#x017F;chwere &#x017F;andicht und me-<lb/>
talli&#x017F;che Erde zu Hervorbringung/ und Nehrung der Pflanzen ganz untaug-<lb/>
lich. Die u&#x0364;brige Erde &#x017F;tuhnde in Gefahr des Untergangs/ oder Ausweichung<lb/>
auß dem Mittelpunct ihres Wirbels. Die Her&#xA75B;en <hi rendition="#aq">Ptolemaici</hi> verzeihen mir/<lb/>
daß ich nicht ge&#x017F;agt habe/ auß dem Mittelpunct ihrer Ruhe. Wie aber diß <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
Nach heutiger <hi rendition="#aq">Mechani</hi>&#x017F;cher Außrechnung verhaltet &#x017F;ich die Erde/ &#x017F;o an dem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Boden</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[181/0215] N. 46.) (Den 16. Nov. 1707. Schweizeriſche Berg-Reiſen. WJr fahren fort in Betrachtung unſerer Bergbauart; Bey wel- cher eine neue Gefahr des Einfahls vorſtellet die hole/ innere Beſchaf- fenheit unſerer Helvetiſchen Gebirgen. Diſe ſeyn nicht/ wie man ſie anſihet/ durch und durch ſolid, oder feſt/ ſondern hol. Und eben diſe/ dem auſſe- ten Schein nach deſto gebrechlichere/ Berggebaͤu geben uns an die Hand neue Betrachtungen zu Darſtellung koſtbarer Nuzbarkeiten/ welche daher auf die ganze Erden/ und dero Bewohnere/ ſonderlich auf uns naͤchſte Anwohnere flieſſen/ folglich neuen Anlaß zu Anpreiſung der allerweiſeſten Guͤte Gottes. Wie? iſt nicht ein Maurſtok waͤhrhafter/ wann er durch und durch feſt/ als/ ſo er inwendig hol? Sehet widerum in diſer Gebrechlichkeit/ gleich als in ei- nem Spiegel/ Gottes beſtaͤndige Weißheit! weren die Berge durch und durch feſt/ und zwaren aufgebauet aus lauter ſchwarzen Gartenerde/ welche die leichteſte/ und fruchtbarſte/ ſo wurde ſie bald abgewaſchen von anlauffenden Schnee- und Regenwaſſeren/ ja es wurden innert 100. Jahren vil Thaͤler von ſothanem Erdſchleim uͤberall außgefuͤllet/ die Thalbewohnere darmit uͤ- berſchuͤttet/ oder weggetriben/ ja iñert villeicht mehr nit als 1000. Jahrẽ were das Bergichte Schweizer land verwandelt in eine moraſtige Ebene; ich ſage/ eine moraſtige Ebene/ weilen endtlich die Waſſer keinen Ablauff funden/ ſon- dern ſich hier und da wurden in Form ſtillſtehender Seen ſamlen/ und die nebenſtehende Erde durch und durch befeuchten/ daß man nicht darauf bauen oder wohnen koͤnte. Beſtunden diſe maſſive Berghoͤhenen auß derjenigen ſchwereren Erde/ ſo in der Bergwerken tieffe angetroffen wird/ ſo were ſie wide- rum den Abſchwem̃ungen unterworffen/ wie die vorige/ darbey aber wurden zwey andere Ungelegenheiten erwachſen/ welche theils uns Schweizer wurde treffen/ theils aber die ganze überige Erde. Wir Schweizer wurden bewoh- nen ein duͤrꝛes unfruchtbares Land/ weilen ſothane ſchwere ſandicht und me- talliſche Erde zu Hervorbringung/ und Nehrung der Pflanzen ganz untaug- lich. Die uͤbrige Erde ſtuhnde in Gefahr des Untergangs/ oder Ausweichung auß dem Mittelpunct ihres Wirbels. Die Herꝛen Ptolemaici verzeihen mir/ daß ich nicht geſagt habe/ auß dem Mittelpunct ihrer Ruhe. Wie aber diß _ Nach heutiger Mechaniſcher Außrechnung verhaltet ſich die Erde/ ſo an dem Boden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten03_1708
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten03_1708/215
Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten03_1708/215>, abgerufen am 30.12.2024.