Was aber aus stetiger Berührung des vorlauten Jünglings mit seiner neuen Gebieterin noch werden mag, weiß nur der, der Herz und Nieren prüft! Bereits hat man bei der Hochzeit jenes getauften Heiden wahrgenommen, wie er sich der einsamen Unterredung mit jener Herrin in Israel nicht entzieht, und etlichemale geseufzt hat gleich einem angeschossenen Dammhirsch. Auch hat man mit Betrüb- niß gesehen, wie eine unstet irrlichtelnde griechische Jungfrau, genannt Praxedis, um ihn her ihr Wesen treibt; was die Herrin unverdorben läßt, mag die Dienerin einreißen, von der nicht einmal sicher ist, ob sie eines orthodoxen Glaubens sich erfreue. Ein leichtfertig Weib aber ist bitterer denn der Tod, sie ist ein Strick der Jäger, ihr Herz ein Netz, ihre Hände sind Bande, nur wer Gott gefällt, mag ihr entrinnen.
Es stund Rudimann, dem Beschützer der Obermagd Kerhildis, wohl an, daß er die Worte des Predigers so getreulich im Herzen trug.
Genug, sprach der Abt. Hauptstück neun und zwanzig: von der Rückberufung auswärts Weilender. Es wird durchschlagen. Mir ahnt und schwant, bald wird die wetterwendische Herrin droben um ihren Felsen herumflattern wie eine alte Schwalbe, der ihr Junges aus dem Nest gefallen, -- Ade Herzkäfer! ... und Saspach wird des Klosters!
Amen! murmelte Rudimann.
Achtzehntes Kapitel. Herrn Spazzo des Kämmerers Gesandtschaft.
An einem kühlen Sommermorgen schritt Ekkehard den Burgweg entlang in die wehende Frühluft hinaus. Eine schlaflose Nacht lag hinter ihm; er war auf seiner Stube auf und niedergeschritten, die Herzogin hatte wilde Gedanken in ihm aufgejagt. In seinem Kopf
Was aber aus ſtetiger Berührung des vorlauten Jünglings mit ſeiner neuen Gebieterin noch werden mag, weiß nur der, der Herz und Nieren prüft! Bereits hat man bei der Hochzeit jenes getauften Heiden wahrgenommen, wie er ſich der einſamen Unterredung mit jener Herrin in Iſrael nicht entzieht, und etlichemale geſeufzt hat gleich einem angeſchoſſenen Dammhirſch. Auch hat man mit Betrüb- niß geſehen, wie eine unſtet irrlichtelnde griechiſche Jungfrau, genannt Praxedis, um ihn her ihr Weſen treibt; was die Herrin unverdorben läßt, mag die Dienerin einreißen, von der nicht einmal ſicher iſt, ob ſie eines orthodoxen Glaubens ſich erfreue. Ein leichtfertig Weib aber iſt bitterer denn der Tod, ſie iſt ein Strick der Jäger, ihr Herz ein Netz, ihre Hände ſind Bande, nur wer Gott gefällt, mag ihr entrinnen.
Es ſtund Rudimann, dem Beſchützer der Obermagd Kerhildis, wohl an, daß er die Worte des Predigers ſo getreulich im Herzen trug.
Genug, ſprach der Abt. Hauptſtück neun und zwanzig: von der Rückberufung auswärts Weilender. Es wird durchſchlagen. Mir ahnt und ſchwant, bald wird die wetterwendiſche Herrin droben um ihren Felſen herumflattern wie eine alte Schwalbe, der ihr Junges aus dem Neſt gefallen, — Ade Herzkäfer! ... und Saspach wird des Kloſters!
Amen! murmelte Rudimann.
Achtzehntes Kapitel. Herrn Spazzo des Kämmerers Geſandtſchaft.
An einem kühlen Sommermorgen ſchritt Ekkehard den Burgweg entlang in die wehende Frühluft hinaus. Eine ſchlafloſe Nacht lag hinter ihm; er war auf ſeiner Stube auf und niedergeſchritten, die Herzogin hatte wilde Gedanken in ihm aufgejagt. In ſeinem Kopf
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0268"n="246"/><p>Was aber aus ſtetiger Berührung des vorlauten Jünglings mit<lb/>ſeiner neuen Gebieterin noch werden mag, weiß nur der, der Herz<lb/>
und Nieren prüft! Bereits hat man bei der Hochzeit jenes getauften<lb/>
Heiden wahrgenommen, wie er ſich der einſamen Unterredung mit<lb/>
jener Herrin in Iſrael nicht entzieht, und etlichemale geſeufzt hat<lb/>
gleich einem angeſchoſſenen Dammhirſch. Auch hat man mit Betrüb-<lb/>
niß geſehen, wie eine unſtet irrlichtelnde griechiſche Jungfrau, genannt<lb/>
Praxedis, um ihn her ihr Weſen treibt; was die Herrin unverdorben<lb/>
läßt, mag die Dienerin einreißen, von der nicht einmal ſicher iſt, ob<lb/>ſie eines orthodoxen Glaubens ſich erfreue. Ein leichtfertig Weib<lb/>
aber iſt bitterer denn der Tod, ſie iſt ein Strick der Jäger, ihr Herz<lb/>
ein Netz, ihre Hände ſind Bande, nur wer Gott gefällt, mag ihr<lb/>
entrinnen.</p><lb/><p>Es ſtund Rudimann, dem Beſchützer der Obermagd Kerhildis,<lb/>
wohl an, daß er die Worte des Predigers ſo getreulich im Herzen trug.</p><lb/><p>Genug, ſprach der Abt. Hauptſtück neun und zwanzig: von der<lb/>
Rückberufung auswärts Weilender. Es wird durchſchlagen. Mir<lb/>
ahnt und ſchwant, bald wird die wetterwendiſche Herrin droben um<lb/>
ihren Felſen herumflattern wie eine alte Schwalbe, der ihr Junges<lb/>
aus dem Neſt gefallen, — Ade Herzkäfer! ... und Saspach wird<lb/>
des Kloſters!</p><lb/><p>Amen! murmelte Rudimann.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="1"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Achtzehntes Kapitel</hi>.<lb/>
Herrn Spazzo des Kämmerers Geſandtſchaft.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>An einem kühlen Sommermorgen ſchritt Ekkehard den Burgweg<lb/>
entlang in die wehende Frühluft hinaus. Eine ſchlafloſe Nacht lag<lb/>
hinter ihm; er war auf ſeiner Stube auf und niedergeſchritten, die<lb/>
Herzogin hatte wilde Gedanken in ihm aufgejagt. In ſeinem Kopf<lb/></p></div></body></text></TEI>
[246/0268]
Was aber aus ſtetiger Berührung des vorlauten Jünglings mit
ſeiner neuen Gebieterin noch werden mag, weiß nur der, der Herz
und Nieren prüft! Bereits hat man bei der Hochzeit jenes getauften
Heiden wahrgenommen, wie er ſich der einſamen Unterredung mit
jener Herrin in Iſrael nicht entzieht, und etlichemale geſeufzt hat
gleich einem angeſchoſſenen Dammhirſch. Auch hat man mit Betrüb-
niß geſehen, wie eine unſtet irrlichtelnde griechiſche Jungfrau, genannt
Praxedis, um ihn her ihr Weſen treibt; was die Herrin unverdorben
läßt, mag die Dienerin einreißen, von der nicht einmal ſicher iſt, ob
ſie eines orthodoxen Glaubens ſich erfreue. Ein leichtfertig Weib
aber iſt bitterer denn der Tod, ſie iſt ein Strick der Jäger, ihr Herz
ein Netz, ihre Hände ſind Bande, nur wer Gott gefällt, mag ihr
entrinnen.
Es ſtund Rudimann, dem Beſchützer der Obermagd Kerhildis,
wohl an, daß er die Worte des Predigers ſo getreulich im Herzen trug.
Genug, ſprach der Abt. Hauptſtück neun und zwanzig: von der
Rückberufung auswärts Weilender. Es wird durchſchlagen. Mir
ahnt und ſchwant, bald wird die wetterwendiſche Herrin droben um
ihren Felſen herumflattern wie eine alte Schwalbe, der ihr Junges
aus dem Neſt gefallen, — Ade Herzkäfer! ... und Saspach wird
des Kloſters!
Amen! murmelte Rudimann.
Achtzehntes Kapitel.
Herrn Spazzo des Kämmerers Geſandtſchaft.
An einem kühlen Sommermorgen ſchritt Ekkehard den Burgweg
entlang in die wehende Frühluft hinaus. Eine ſchlafloſe Nacht lag
hinter ihm; er war auf ſeiner Stube auf und niedergeſchritten, die
Herzogin hatte wilde Gedanken in ihm aufgejagt. In ſeinem Kopf
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/268>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.