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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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seyn, ist ein peinliches Verhältniß. Sie merken
auf sein Thun und Lassen, sind in ewiger Sorge,
daß es mit ihm zurückgeht, und mahnen ihn, wo
sie ihn erblicken, wenn nicht mit graden Worten,
doch von ferne und mit ihren barmherzigen Mi-
nen. Sie stimmen gerne mit ein in die Bemer-
kung, daß so viel Arme der Wohlthaten unwür-
dig seyen; ob gleich niemand mitleidiger ist, als
sie -- wenn es ihnen kein Geld kostet. Sie
sind wohlthätig, wenn sie verwesende Speisen
und schimmelndes Brodt haben; und freygebig,
wenn sie von ihrer Freygebigkeit zehnfachen Se-
gen erwarten
, oder sich vom Tode retten wol-
len. Sie machen den Predigern und der Kirche
Geschenke, um sich Gottes Segen zu verschaf-
fen; und beten, singen und sind fromm, um ihr
Eigenthum der Obhut des Höchsten zu em-
pfehlen
. -- Auf große Speculationen lassen
sie sich nicht ein, auch dann nicht, wenn sie gro-
ßen Gewinn bringen können; sie hängen zu sehr
an ihrem Gelde, als daß sie es für einen doch noch
nicht gegenwärtigen und gewissen Vortheil wagen
sollten. --

So
fühl des Geizigen, und er sagt: C'est quelque
chose, que cela. La charite, M. Simon, nous
oblige a faire plaisir aux personnes, lorsque
nous le pouvons.

ſeyn, iſt ein peinliches Verhaͤltniß. Sie merken
auf ſein Thun und Laſſen, ſind in ewiger Sorge,
daß es mit ihm zuruͤckgeht, und mahnen ihn, wo
ſie ihn erblicken, wenn nicht mit graden Worten,
doch von ferne und mit ihren barmherzigen Mi-
nen. Sie ſtimmen gerne mit ein in die Bemer-
kung, daß ſo viel Arme der Wohlthaten unwuͤr-
dig ſeyen; ob gleich niemand mitleidiger iſt, als
ſie — wenn es ihnen kein Geld koſtet. Sie
ſind wohlthaͤtig, wenn ſie verweſende Speiſen
und ſchimmelndes Brodt haben; und freygebig,
wenn ſie von ihrer Freygebigkeit zehnfachen Se-
gen erwarten
, oder ſich vom Tode retten wol-
len. Sie machen den Predigern und der Kirche
Geſchenke, um ſich Gottes Segen zu verſchaf-
fen; und beten, ſingen und ſind fromm, um ihr
Eigenthum der Obhut des Hoͤchſten zu em-
pfehlen
. — Auf große Speculationen laſſen
ſie ſich nicht ein, auch dann nicht, wenn ſie gro-
ßen Gewinn bringen koͤnnen; ſie haͤngen zu ſehr
an ihrem Gelde, als daß ſie es fuͤr einen doch noch
nicht gegenwaͤrtigen und gewiſſen Vortheil wagen
ſollten. —

So
fuͤhl des Geizigen, und er ſagt: C'eſt quelque
choſe, que cela. La charité, M. Simon, nous
oblige a faire plaiſir aux perſonnes, lorsque
nous le pouvons.
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[479/0195] ſeyn, iſt ein peinliches Verhaͤltniß. Sie merken auf ſein Thun und Laſſen, ſind in ewiger Sorge, daß es mit ihm zuruͤckgeht, und mahnen ihn, wo ſie ihn erblicken, wenn nicht mit graden Worten, doch von ferne und mit ihren barmherzigen Mi- nen. Sie ſtimmen gerne mit ein in die Bemer- kung, daß ſo viel Arme der Wohlthaten unwuͤr- dig ſeyen; ob gleich niemand mitleidiger iſt, als ſie — wenn es ihnen kein Geld koſtet. Sie ſind wohlthaͤtig, wenn ſie verweſende Speiſen und ſchimmelndes Brodt haben; und freygebig, wenn ſie von ihrer Freygebigkeit zehnfachen Se- gen erwarten, oder ſich vom Tode retten wol- len. Sie machen den Predigern und der Kirche Geſchenke, um ſich Gottes Segen zu verſchaf- fen; und beten, ſingen und ſind fromm, um ihr Eigenthum der Obhut des Hoͤchſten zu em- pfehlen. — Auf große Speculationen laſſen ſie ſich nicht ein, auch dann nicht, wenn ſie gro- ßen Gewinn bringen koͤnnen; ſie haͤngen zu ſehr an ihrem Gelde, als daß ſie es fuͤr einen doch noch nicht gegenwaͤrtigen und gewiſſen Vortheil wagen ſollten. — So *) *) fuͤhl des Geizigen, und er ſagt: C'eſt quelque choſe, que cela. La charité, M. Simon, nous oblige a faire plaiſir aux perſonnes, lorsque nous le pouvons.

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/195>, abgerufen am 26.04.2024.