Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Welch eine Geißel er für die, die das Schick-
sal ihm unterwarf, ist, lehrt die Geschichte an den
Beyspielen eines Gregorius, Alba, und so
manches andern kleinen und großen Tyrannen der
ältern und neuern Zeit. Weil der Herrschsüchti-
ge dieser Art in sich selbst nicht Kraft und Würde
genug hat, über Andre sich zu erheben, so erbauet
er seinen Thron auf den Ruinen fremder Macht.
Zerstörung ist sein Genuß, seine Freude, seine
Loosung; und Andern zu nehmen, was er selbst
sich nicht geben kann, das Ziel seiner Bestrebun-
gen. Kein Mittel ist so verabscheuungswürdig,
daß er es nicht wählen: kein Gegenstand so heilig,
daß seine Herrschsucht ihn nicht entweihen sollte.
Er schont seines Vaters und seiner Mutter, sei-
ner Kinder und seines Weibes nicht, wenn die
nie zu sättigende Herrschsucht sie zum Opfer be-
gehrt.

Funfzehnte Unterhaltung.
Ueber den
Nachruhm.

Der Wunsch, von Andern mit Achtung ge-
nannt zu werden, schränkt sich nicht blos auf das
gegenwärtige Leben ein; man wünscht, auch nach
dem Tode noch sein Andenken geehrt zu sehen.

Der
Gg 3

Welch eine Geißel er fuͤr die, die das Schick-
ſal ihm unterwarf, iſt, lehrt die Geſchichte an den
Beyſpielen eines Gregorius, Alba, und ſo
manches andern kleinen und großen Tyrannen der
aͤltern und neuern Zeit. Weil der Herrſchſuͤchti-
ge dieſer Art in ſich ſelbſt nicht Kraft und Wuͤrde
genug hat, uͤber Andre ſich zu erheben, ſo erbauet
er ſeinen Thron auf den Ruinen fremder Macht.
Zerſtoͤrung iſt ſein Genuß, ſeine Freude, ſeine
Looſung; und Andern zu nehmen, was er ſelbſt
ſich nicht geben kann, das Ziel ſeiner Beſtrebun-
gen. Kein Mittel iſt ſo verabſcheuungswuͤrdig,
daß er es nicht waͤhlen: kein Gegenſtand ſo heilig,
daß ſeine Herrſchſucht ihn nicht entweihen ſollte.
Er ſchont ſeines Vaters und ſeiner Mutter, ſei-
ner Kinder und ſeines Weibes nicht, wenn die
nie zu ſaͤttigende Herrſchſucht ſie zum Opfer be-
gehrt.

Funfzehnte Unterhaltung.
Ueber den
Nachruhm.

Der Wunſch, von Andern mit Achtung ge-
nannt zu werden, ſchraͤnkt ſich nicht blos auf das
gegenwaͤrtige Leben ein; man wuͤnſcht, auch nach
dem Tode noch ſein Andenken geehrt zu ſehen.

Der
Gg 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0185" n="469"/>
        <p>Welch eine Geißel er fu&#x0364;r die, die das Schick-<lb/>
&#x017F;al ihm unterwarf, i&#x017F;t, lehrt die Ge&#x017F;chichte an den<lb/>
Bey&#x017F;pielen eines <hi rendition="#b">Gregorius, Alba,</hi> und &#x017F;o<lb/>
manches andern kleinen und großen Tyrannen der<lb/>
a&#x0364;ltern und neuern Zeit. Weil der Herr&#x017F;ch&#x017F;u&#x0364;chti-<lb/>
ge die&#x017F;er Art in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t nicht Kraft und Wu&#x0364;rde<lb/>
genug hat, u&#x0364;ber Andre &#x017F;ich zu erheben, &#x017F;o erbauet<lb/>
er &#x017F;einen Thron auf den Ruinen fremder Macht.<lb/>
Zer&#x017F;to&#x0364;rung i&#x017F;t &#x017F;ein Genuß, &#x017F;eine Freude, &#x017F;eine<lb/>
Loo&#x017F;ung; und Andern zu nehmen, was er &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ich nicht geben kann, das Ziel &#x017F;einer Be&#x017F;trebun-<lb/>
gen. Kein Mittel i&#x017F;t &#x017F;o verab&#x017F;cheuungswu&#x0364;rdig,<lb/>
daß er es nicht wa&#x0364;hlen: kein Gegen&#x017F;tand &#x017F;o heilig,<lb/>
daß &#x017F;eine Herr&#x017F;ch&#x017F;ucht ihn nicht entweihen &#x017F;ollte.<lb/>
Er &#x017F;chont &#x017F;eines Vaters und &#x017F;einer Mutter, &#x017F;ei-<lb/>
ner Kinder und &#x017F;eines Weibes nicht, wenn die<lb/>
nie zu &#x017F;a&#x0364;ttigende Herr&#x017F;ch&#x017F;ucht &#x017F;ie zum Opfer be-<lb/>
gehrt.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>Funfzehnte Unterhaltung.<lb/>
Ueber den<lb/><hi rendition="#g"><hi rendition="#b">Nachruhm</hi></hi>.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>er Wun&#x017F;ch, von Andern mit Achtung ge-<lb/>
nannt zu werden, &#x017F;chra&#x0364;nkt &#x017F;ich nicht blos auf das<lb/>
gegenwa&#x0364;rtige Leben ein; man wu&#x0364;n&#x017F;cht, auch nach<lb/>
dem Tode noch &#x017F;ein Andenken geehrt zu &#x017F;ehen.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Gg 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[469/0185] Welch eine Geißel er fuͤr die, die das Schick- ſal ihm unterwarf, iſt, lehrt die Geſchichte an den Beyſpielen eines Gregorius, Alba, und ſo manches andern kleinen und großen Tyrannen der aͤltern und neuern Zeit. Weil der Herrſchſuͤchti- ge dieſer Art in ſich ſelbſt nicht Kraft und Wuͤrde genug hat, uͤber Andre ſich zu erheben, ſo erbauet er ſeinen Thron auf den Ruinen fremder Macht. Zerſtoͤrung iſt ſein Genuß, ſeine Freude, ſeine Looſung; und Andern zu nehmen, was er ſelbſt ſich nicht geben kann, das Ziel ſeiner Beſtrebun- gen. Kein Mittel iſt ſo verabſcheuungswuͤrdig, daß er es nicht waͤhlen: kein Gegenſtand ſo heilig, daß ſeine Herrſchſucht ihn nicht entweihen ſollte. Er ſchont ſeines Vaters und ſeiner Mutter, ſei- ner Kinder und ſeines Weibes nicht, wenn die nie zu ſaͤttigende Herrſchſucht ſie zum Opfer be- gehrt. Funfzehnte Unterhaltung. Ueber den Nachruhm. Der Wunſch, von Andern mit Achtung ge- nannt zu werden, ſchraͤnkt ſich nicht blos auf das gegenwaͤrtige Leben ein; man wuͤnſcht, auch nach dem Tode noch ſein Andenken geehrt zu ſehen. Der Gg 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/185
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/185>, abgerufen am 26.04.2024.