Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

dürfen. Das Sprichwort: "Gleich und Gleich
gesellt sich gern," kann auf ihn nicht angewendet
werden; denn niemand ist ihm unerträglicher, als
sein hochmüthiger Bruder: er ist am liebsten in
der Gesellschaft der Demüthigen, die ihm die
Freude machen, sich ihm zu unterwerfen, und
ihn in seiner Narrheit nicht zu stören.

Shakespear stellt in seinem "Cymbeline"
in der Person des Kloten, des Stiefsohns von
Cymbeline, einen Hochmüthigen auf.

Der edle Posthumus, zwar nicht aus kö-
niglichem Geblüt, aber königlich durch seine Tu-
gend, wird von der Prinzessin Jmogen geliebt.
Kloten liebt die Prinzessin, aber wird nicht ge-
hört. Er wird deswegen mit Neid und Haß ge-
gen seinen Nebenbuhler erfüllt, und äußert gegen
einen Lord: "Daß sie solch einen Kerl lieben, und
mich verschmähen kann!"*) --

Als Posthumus auf Befehl des Königs sich
hat entfernen müssen, belagert Kloten die betrüb-
te Prinzessin, mit allen Schmeichlerkünsten und
Bitten. Aber, als sie ihm nach allen seinen Be-
mühungen, dennoch erklärt, sie frage nichts nach
ihm, bricht er in folgende hochmüthige Predigt
aus:

"Du sündigst wider den Gehorsam, den du
deinem Vater schuldig bist. Denn jenes Bünd-
niß,
*) 1. Aufz. 3. Auftritt.

duͤrfen. Das Sprichwort: „Gleich und Gleich
geſellt ſich gern,„ kann auf ihn nicht angewendet
werden; denn niemand iſt ihm unertraͤglicher, als
ſein hochmuͤthiger Bruder: er iſt am liebſten in
der Geſellſchaft der Demuͤthigen, die ihm die
Freude machen, ſich ihm zu unterwerfen, und
ihn in ſeiner Narrheit nicht zu ſtoͤren.

Shakeſpear ſtellt in ſeinem „Cymbeline
in der Perſon des Kloten, des Stiefſohns von
Cymbeline, einen Hochmuͤthigen auf.

Der edle Poſthumus, zwar nicht aus koͤ-
niglichem Gebluͤt, aber koͤniglich durch ſeine Tu-
gend, wird von der Prinzeſſin Jmogen geliebt.
Kloten liebt die Prinzeſſin, aber wird nicht ge-
hoͤrt. Er wird deswegen mit Neid und Haß ge-
gen ſeinen Nebenbuhler erfuͤllt, und aͤußert gegen
einen Lord: „Daß ſie ſolch einen Kerl lieben, und
mich verſchmaͤhen kann!„*)

Als Poſthumus auf Befehl des Koͤnigs ſich
hat entfernen muͤſſen, belagert Kloten die betruͤb-
te Prinzeſſin, mit allen Schmeichlerkuͤnſten und
Bitten. Aber, als ſie ihm nach allen ſeinen Be-
muͤhungen, dennoch erklaͤrt, ſie frage nichts nach
ihm, bricht er in folgende hochmuͤthige Predigt
aus:

„Du ſuͤndigſt wider den Gehorſam, den du
deinem Vater ſchuldig biſt. Denn jenes Buͤnd-
niß,
*) 1. Aufz. 3. Auftritt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0168" n="452"/>
du&#x0364;rfen. Das Sprichwort: &#x201E;Gleich und Gleich<lb/>
ge&#x017F;ellt &#x017F;ich gern,&#x201E; kann auf ihn nicht angewendet<lb/>
werden; denn niemand i&#x017F;t ihm unertra&#x0364;glicher, als<lb/>
&#x017F;ein hochmu&#x0364;thiger Bruder: er i&#x017F;t am lieb&#x017F;ten in<lb/>
der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft der Demu&#x0364;thigen, die ihm die<lb/>
Freude machen, &#x017F;ich ihm zu unterwerfen, und<lb/>
ihn in &#x017F;einer Narrheit nicht zu &#x017F;to&#x0364;ren.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#b">Shake&#x017F;pear</hi> &#x017F;tellt in &#x017F;einem &#x201E;<hi rendition="#b">Cymbeline</hi>&#x201E;<lb/>
in der Per&#x017F;on des <hi rendition="#b">Kloten</hi>, des Stief&#x017F;ohns von<lb/><hi rendition="#b">Cymbeline</hi>, einen Hochmu&#x0364;thigen auf.</p><lb/>
        <p>Der edle <hi rendition="#b">Po&#x017F;thumus</hi>, zwar nicht aus ko&#x0364;-<lb/>
niglichem Geblu&#x0364;t, aber ko&#x0364;niglich durch &#x017F;eine Tu-<lb/>
gend, wird von der Prinze&#x017F;&#x017F;in <hi rendition="#b">Jmogen</hi> geliebt.<lb/><hi rendition="#b">Kloten</hi> liebt die Prinze&#x017F;&#x017F;in, aber wird nicht ge-<lb/>
ho&#x0364;rt. Er wird deswegen mit Neid und Haß ge-<lb/>
gen &#x017F;einen Nebenbuhler erfu&#x0364;llt, und a&#x0364;ußert gegen<lb/>
einen Lord: &#x201E;Daß &#x017F;ie &#x017F;olch einen Kerl lieben, und<lb/><hi rendition="#b">mich</hi> ver&#x017F;chma&#x0364;hen kann!&#x201E;<note place="foot" n="*)">1. Aufz. 3. Auftritt.</note> &#x2014;</p><lb/>
        <p>Als <hi rendition="#b">Po&#x017F;thumus</hi> auf Befehl des Ko&#x0364;nigs &#x017F;ich<lb/>
hat entfernen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, belagert <hi rendition="#b">Kloten</hi> die betru&#x0364;b-<lb/>
te Prinze&#x017F;&#x017F;in, mit allen Schmeichlerku&#x0364;n&#x017F;ten und<lb/>
Bitten. Aber, als &#x017F;ie ihm nach allen &#x017F;einen Be-<lb/>
mu&#x0364;hungen, dennoch erkla&#x0364;rt, &#x017F;ie frage nichts nach<lb/>
ihm, bricht er in folgende hochmu&#x0364;thige Predigt<lb/>
aus:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>&#x201E;Du &#x017F;u&#x0364;ndig&#x017F;t wider den Gehor&#x017F;am, den du<lb/>
deinem Vater &#x017F;chuldig bi&#x017F;t. Denn jenes Bu&#x0364;nd-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">niß,</fw><lb/></quote>
        </cit>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[452/0168] duͤrfen. Das Sprichwort: „Gleich und Gleich geſellt ſich gern,„ kann auf ihn nicht angewendet werden; denn niemand iſt ihm unertraͤglicher, als ſein hochmuͤthiger Bruder: er iſt am liebſten in der Geſellſchaft der Demuͤthigen, die ihm die Freude machen, ſich ihm zu unterwerfen, und ihn in ſeiner Narrheit nicht zu ſtoͤren. Shakeſpear ſtellt in ſeinem „Cymbeline„ in der Perſon des Kloten, des Stiefſohns von Cymbeline, einen Hochmuͤthigen auf. Der edle Poſthumus, zwar nicht aus koͤ- niglichem Gebluͤt, aber koͤniglich durch ſeine Tu- gend, wird von der Prinzeſſin Jmogen geliebt. Kloten liebt die Prinzeſſin, aber wird nicht ge- hoͤrt. Er wird deswegen mit Neid und Haß ge- gen ſeinen Nebenbuhler erfuͤllt, und aͤußert gegen einen Lord: „Daß ſie ſolch einen Kerl lieben, und mich verſchmaͤhen kann!„ *) — Als Poſthumus auf Befehl des Koͤnigs ſich hat entfernen muͤſſen, belagert Kloten die betruͤb- te Prinzeſſin, mit allen Schmeichlerkuͤnſten und Bitten. Aber, als ſie ihm nach allen ſeinen Be- muͤhungen, dennoch erklaͤrt, ſie frage nichts nach ihm, bricht er in folgende hochmuͤthige Predigt aus: „Du ſuͤndigſt wider den Gehorſam, den du deinem Vater ſchuldig biſt. Denn jenes Buͤnd- niß, *) 1. Aufz. 3. Auftritt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/168
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/168>, abgerufen am 26.04.2024.