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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

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zu können, bedurfte es gewisser sinnlicher Zeichen,
deren Jnbegrif man die Sprache nennt. So
mancherley Zeichen es für das, was in dem Denk-
oder Empfindungsvermögen des Menschen vor-
geht, geben kann, so mancherley Sprachen giebt
es. Zu Tibulls und Ovidius Zeiten kannten die
Verliebten schon die Augen-, Minen- und Gebehr-
densprache. Venus docet, sagt jener,
-- viro coram nutus conferre loquaces
Biandaque compositis abdere verba notis
.*)
und Helena schreibt an ihren Paris in den He-
roiden Ovidius:

Ah, quoties digitis, quoties ego tecta notavi
Signa supercilio paene loquenti dari.
**)

Bathyllus und Pylades sind aus den alten
Zeiten, als Meister in der Pantomime bekannt;
die damals, besonders zu den Zeiten der erstern
römischen Kayser zu einem ziemlich hohen Grad
der Vollkommenheit gediehen seyn mußte, wenn

man
*) Tibulli carmm. lib. r. el. 2.
Die Göttin der Liebe lehrt in Beyseyn des
Mannes sich durch gesprächige Minen verstehn, und
liebkosende Worte in verabredeten Zeichen verstecken.
**) Ovid. Heroidd. ep. XVII.
O wie ofte sah' ich mir heimliche Zeichen geben,
durch das Spiel deiner Finger und deiner redenden
Augen.

zu koͤnnen, bedurfte es gewiſſer ſinnlicher Zeichen,
deren Jnbegrif man die Sprache nennt. So
mancherley Zeichen es fuͤr das, was in dem Denk-
oder Empfindungsvermoͤgen des Menſchen vor-
geht, geben kann, ſo mancherley Sprachen giebt
es. Zu Tibulls und Ovidius Zeiten kannten die
Verliebten ſchon die Augen-, Minen- und Gebehr-
denſprache. Venus docet, ſagt jener,
viro coram nutus conferre loquaces
Biandaque compoſitis abdere verba notis
.*)
und Helena ſchreibt an ihren Paris in den He-
roiden Ovidius:

Ah, quoties digitis, quoties ego tecta notavi
Signa ſupercilio paene loquenti dari.
**)

Bathyllus und Pylades ſind aus den alten
Zeiten, als Meiſter in der Pantomime bekannt;
die damals, beſonders zu den Zeiten der erſtern
roͤmiſchen Kayſer zu einem ziemlich hohen Grad
der Vollkommenheit gediehen ſeyn mußte, wenn

man
*) Tibulli carmm. lib. r. el. 2.
Die Goͤttin der Liebe lehrt in Beyſeyn des
Mannes ſich durch geſpraͤchige Minen verſtehn, und
liebkoſende Worte in verabredeten Zeichen verſtecken.
**) Ovid. Heroidd. ep. XVII.
O wie ofte ſah' ich mir heimliche Zeichen geben,
durch das Spiel deiner Finger und deiner redenden
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[144/0168] zu koͤnnen, bedurfte es gewiſſer ſinnlicher Zeichen, deren Jnbegrif man die Sprache nennt. So mancherley Zeichen es fuͤr das, was in dem Denk- oder Empfindungsvermoͤgen des Menſchen vor- geht, geben kann, ſo mancherley Sprachen giebt es. Zu Tibulls und Ovidius Zeiten kannten die Verliebten ſchon die Augen-, Minen- und Gebehr- denſprache. Venus docet, ſagt jener, — viro coram nutus conferre loquaces Biandaque compoſitis abdere verba notis. *) und Helena ſchreibt an ihren Paris in den He- roiden Ovidius: Ah, quoties digitis, quoties ego tecta notavi Signa ſupercilio paene loquenti dari. **) Bathyllus und Pylades ſind aus den alten Zeiten, als Meiſter in der Pantomime bekannt; die damals, beſonders zu den Zeiten der erſtern roͤmiſchen Kayſer zu einem ziemlich hohen Grad der Vollkommenheit gediehen ſeyn mußte, wenn man *) Tibulli carmm. lib. r. el. 2. Die Goͤttin der Liebe lehrt in Beyſeyn des Mannes ſich durch geſpraͤchige Minen verſtehn, und liebkoſende Worte in verabredeten Zeichen verſtecken. **) Ovid. Heroidd. ep. XVII. O wie ofte ſah' ich mir heimliche Zeichen geben, durch das Spiel deiner Finger und deiner redenden Augen.

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/168>, abgerufen am 26.04.2024.